Vor 80 Jahren gründete die britische Mandatsregierung eine Polizeiakademie im Stadtteil Sheikh Jarrah im östlichen Teil von Jerusalem.
In den 60er-Jahren errichtete die jordanische Armee an derselben Stelle – damals nahe der Grenze, die Jerusalem teilte – eine gut befestigte Militärstellung.
Im Juni 1967 war dieser Ort, der von den kämpfenden Soldaten „Munitionshügel“ genannt wurde, der Platz einer harten und blutigen Schlacht, um die sich ein Mythos von Heldentum rankte. Es war eine Schlacht, die viele Militärhistoriker als völlig überflüssig hielten. Von dem berühmten Lied, das nach dieser Schlacht geschrieben wurde, blieb im israelischen Kollektivgedächtnis die Worte: „Ich weiß nicht, wofür ich die Medaille erhielt. Ich wollte nur gesund nach Hause kommen.“
Jedes Jahr an dem Tag, der als „Jerusalemtag“ bekannt ist, findet an diesem Ort eine offizielle Feier mit der Teilnahme des Ministerpräsidenten und dem Verteidigungsminister und den Generälen der israelischen Armee statt. Bei dieser Gelegenheit hält der Ministerpräsident immer eine Rede, voller Rhetorik und Schwüre, dass das vereinigte Jerusalem immer die ewige Hauptstadt Israels sein wird. Im Vorort Sheikh Jarrah nahebei, der von den IDF ein paar Stunden nach jener gigantischen Schlacht besetzt wurde, lauschten Siedler zu der Live-Übertragung der Rede des PM – in den palästinensischen Häusern, die sie vor kurzem in Besitz genommen haben .
Vor ein paar Jahren gab es auf dem Munitionshügel ein Treffen von Veteranen der israelischen und jordanischen Armee, die die Schlacht überlebt haben. ( 36 Israelis waren in ihr getötet worden und über 70 Jordanier) . Sie redeten miteinander fast freundschaftlich und keiner von ihnen verwendete nationalistische Klischees.
Moriel Rothman hatte nicht die Absicht, der Geschichte des Munitionshügel ein neues Kapitel hinzuzufügen. Es waren die Militärbehörden, die bestimmten, das sich an dieser Stelle die jungen Jerusalemiten melden sollen, wenn sie die Einberufung zur Armee bekommen.
Moriel Rothman, der vor 23 Jahren in Israel geboren wurde – lange nach der berühmten Schlacht am Munitionshügel. Als Kind wanderte er mit seiner Familie in die USA aus, wo er aufwuchs. Er kehrte im Alter von 18 nach Israel zurück und wurde bald ein politischer Aktivist, traf Palästinenser und nahm an Aktionen gegen die Besatzung teil. Die Palästinenser des Dorfes Susiya in den Südhebroner Hügeln halten hartnäckig an ihrem Land und ihren elenden Behausungen fest, was ihm “jüdischer“ vorkommt, als der Versuch der Siedler, sie mit Hilfe der Soldaten zu vertreiben. Er trägt das historische Erbe der Juden, die, um ihr kommunales Leben während Jahrhunderten und Jahrtausenden gegen Zerstreuung und Verfolgung kämpften.
Genau zu dieser Zeit als Rothman immer mehr Soldaten bei ihren täglichen Verpflichtungen sah: Tränengas verschießen und Blendgranaten und zuweilen scharfe Munition gegen Palästinenser, fand die Armee heraus, dass da ein israelischer Bürger ist, der aus den USA zurückgekehrt war, 23 Jahre alt ist und seinen Militärdienst noch nicht gemacht hat. Deshalb erhielt Moriel Rothman eine Einberufung mit der Order, sich am 24. Oktober 2012 um 8Uhr an der Gedenkstätte am Munitionshügel einzufinden und dort einen Militärbus zu besteigen und so seinen Militärdienst anzufangen.
Moriel Rothman kam pünktlich an, begleitet von einer Gruppe Aktivisten und Freunden – aber nicht, um seine IDF-Uniform anzuziehen. In seiner Tasche war ein Brief, den er vorher vorbereitet hatte:
„Es kann nicht leichthin gesagt werden, die Zeit ist längst vorbei für eine vorsichtige Sprache und feine Rhetorik : Die Besatzung ist grausam und ungerecht. Die Besatzung ist gegen Gott und gegen die Liebe (gegenüber dem Nächsten) und unglaublich, dauerhaft gewalttätig. Die Besatzung gründet sich auf ein System rassistisch-ethnischer Trennung, die tatsächlich der südafrikanischen Apartheid und der Trennung in den südlichen USA der 60er Jahre ähnelt. Und diese „befristete“ Besatzung ist nicht im Begriff aufzuhören, sondern wird von Tag zu Tag stärker. Es gibt fast keinen politischen Willen innerhalb der israelischen Regierung, sie zu beenden, und die israelische Öffentlichkeit hat weithin den Status quo akzeptiert, in dem die Besatzung grundsätzlich nur eine theoretische Frage ist und eine, derer man müde geworden ist. Aber die Besatzung kann nur dann theoretisch sein, wenn Ihr nicht besetzt. Deshalb weigere ich mich, die Besatzung zu unterstützen, indem ich in der IDF keinen Dienst tue. Es ist ein Akt der Solidarität mit den Palästinensern, die unter Besatzung leben.“
In dem Augenblick, wo ich dies schreibe, ist Moriel Rothman hinter Gittern des Militärgefängnisses sechs und nimmt in seiner bescheidenen Art am Kampf gegen die israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete teil
(dt. und gekürzt: Ellen Rohlfs)
Orgianaltitel am 27.Oktober 2012 Ammunition Hill and the not theoretical occupation