Organisierte Kriminalität: Spurensuche – Teil I
Organisierte Kriminalität: Spurensuche – Teil II
Organisierte Kriminalität: Spurensuche – Teil III
Organisierte Kriminalität: Spurensuche – Teil IV
Wessen Karriere im Westen zu Ende war, der ließ sich mit Buschzulage in den Osten versetzen, wo sehr schnell eine Goldgräberstimmung um sich griff.
Es war so einfach. Die Vermögenswerte der DDR Volkswirtschaft lagen nur so herum und warteten auf den, der sie aufsammelte. In Sachsen agierte die so genannte Schwabenmafia, hauptsächlich Juristen aus dem Tübinger/Stuttgarter Raum. Schlagzeilen machte nur Rechtsanwalt T., nicht wegen Betrug oder Untreue, sondern weil er vergaß ein kleines Honorar der PDS von mehreren Millionen DM zu versteuern.
Der Fall des ehemaligen Unternehmensberaters K. aus Nordhausen ist daher nur einer von vielen und zeigt auf leicht verständliche Art und Weise, wie die Dinge damals so liefen.
Mitten in Berlin (Ost) gab es das Betriebsgrundstück der ehemaligen VEB „Lacke und Farben“, das die Immobilienabteilung der Treuhand verwalten und verwerten sollte, mit einem Schätzwert von etwas über 34 Millionen DM, laut einem eingeholten Wertgutachten.
Leider war das Gelände kontaminiert und die Dekontaminierung würde laut eines weiteren Gutachtens ebenfalls etwa 34 Millionen DM kosten.
Es erschien deshalb logisch, das die Treuhand dieses Grundstück zu einem symbolischen Preis an eine Investorengruppe um den Unternehmensberater K. verkaufte, denn dem Schätzwert standen die Schätzkosten der Dekontaminierung gegenüber und diese hat laut Gesetz der jeweilige Grundstückseigentümer zu tragen.
Die Investoren um K. vermieteten umgehend die Räumlichkeiten auf dem gekauften Betriebsgrundstück und kassierten zuletzt Mieten von über 100.000 DM.
Dumm, das da ein Journalist kam, dem die zahlenden Medien auf den „Wecker“ gingen und der deshalb auch im Internet veröffentlichte, damals auf der JurText-Online, welche bald zum R-Archiv wurde und entdeckte, dass der Grundstücksverkauf stank.
Der Online-Journalismus hatte damals nur wenige Leser und so kümmerte es K. und seine Investoren nicht, das in anonymer Form über sie und ihr Schnäppchen im Internet berichtet wurde.
Dies änderte sich erst, als das ZDF-Magazin Frontal über den Fall berichtete, denn natürlich war dieser Grundstückskauf nicht koscher.
Ein kleines Dokument, aus dem hervorging, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Kosten der Dekontaminierung aufkommen werde, war zufällig nicht zu den Akten der Immobilienabteilung der Treuhand gelangt.
Ein Schelm, der einen weiteren Zufall mit diesem ersten Zufall in Zusammenhang bringt:
Der Vater des Unternehmensberater K. war zufällig in leitender Position in der Immobilienabteilung der Treuhand beschäftigt, bis zu dem Frontal-Bericht im ZDF.
Der geschilderte Fall hat jedoch noch eine weitere Seite. Die Investorengruppe um K. wurde von hochkarätigen Wirtschaftsanwälten beraten, welche sich mehrfach im Jahr in Berlin auf dem gekauften Grundstück trafen, denn die Interessen dieser Juristen gingen weiter. Die Herren hatten den Asset-Handel für sich entdeckt.
Assets sind betriebliche Werthaltigkeiten, zum Beispiel bei einer Software-Firma der Quellcode ihrer Programme.
Die von den Juristen beratene Investoren, welche wir schon aus dem vorstehenden Grundstücksdeal kennen, kauften zu Höchstpreisen Firmen auf, in der Regel 51 Prozent der Geschäftsanteile.
Ein kleiner Teil des vereinbarten Kaufpreises wurde sofort bezahlt, der Rest sollte nach Prüfung der Bücher bezahlt werden. Die neuen Mehrheitsgesellschafter übernahmen mit Anzahlung die Geschäftsführung.
In den wenigen Wochen für die vereinbarte Buchprüfung verkaufte die neue Geschäftsführung sämtliche Assets der übernommenen Firmen. Die Käufer verkauften diese Werthaltigkeiten unverzüglich weiter und auch die neuen Käufer trennten sich sehr schnell von den gekauften Werten. In wenigen Tagen wurde zum Beispiel ein Quellcode sieben Mal verkauft.
Der restliche Kaufpreis für die 51 Prozent Geschäftsanteil wurde natürlich nie bezahlt. Aus rein juristischen Gründen versteht sich, welche in der Regel einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand hielten.
Die Alteigentümer fochten die Verträge an, nur um festzustellen, das sie einen ausgebrannten Firmenmantel zurück erhielten. Alle Werthaltigkeiten des Betriebes waren verkauft. Auch die Anfechtung dieser Verkäufe brachten faktisch nichts, denn die Werte waren bereits beim siebten oder achten Käufer und jeder dieser weiteren Verkäufe hätte der gerichtlichen Anfechtung und des Nachweises der Bösgläubigkeit des Käufers bedurft.
In Bayern wurde so eine Firma mit über 900 Beschäftigten ruiniert. In Berlin eine Vielzahl kleinerer Unternehmen.
Dieser Fall verdeutlicht jedem Leser, das hier nicht von einem zufälligen Zusammenwirken von Rechtsanwälten und (betrügerischen) Investoren ausgegangen werden kann. Anwälte und Betrüger waren Teil einer kriminell agierender Organisation. Eine Vermutung, welche die weiteren, mir bekannten Geschäfte, dieser OK Struktur unterstrichen.
Das Rätsel um diese OK Struktur konnte ich damals nicht lösen. Die mir bekannt gewordenen Akteure dieser OK hatten, bis auf einige, welcher einer Sekte zuzuordnen waren, keinen gemeinsamen Nenner. Auch nicht politisch.
Durch Zufall erfuhr ich, das die Struktur die Herlitz AG Berlin übernehmen und ausschlachten wollte und machte mich über diese Absicht in Anwesenheit eines der Akteure lustig, denn die Herlitz AG war ein Unternehmen mit einem Umsatz von mehreren Milliarden DM. Sofort wurde ich aufgeklärt, das die Herlitz AG in Russland einen Verlust von über 900 Millionen DM gemacht habe und daher wie eine reife Frucht nur gepflückt werden müsste.
Die Fragen waren: Woher wusste diese OK-Struktur die Höhe des Verlustes und war es Zufall, das der mir genannte Betrag identisch war mit der Zahl, welche an das Finanzamt gemeldet wurde und nicht mit dem tatsächlich später Bilanzverlust entsprach?
Das Finanzamt kennt, wie in der Regel auch die finanzierenden Banken, die Werthaltigkeiten und die Schwachstellen von Firmen, denn natürlich dient eine solche frühzeitige Mitteilung über einen zu erwartenden Verlust der Reduzierung der Steuervorauszahlungen. Arbeiten Finanzbeamte oder Banker mit OK Strukturen zusammen, dann ist keine einzige Firma vor einer solchen Übernahme sicher.
Nachzuweisen war damals nichts. Die Firma wankte, geriet aber nicht in eine finanzielle Schieflage, so das die Absicht der OK Struktur nicht realisiert wurde.
Zum Fazit der überprüften Altfälle im Teil VI.