Dokumentation: Die Rede von Jürgen Hugger, Parkschützer, bei der „Aktion Ausstiegshilfe“ heute vor dem Staatsministerium in Stuttgart.
Liebe Mitstreiter, liebe Unentwegte, aber auch: Lieber Herr Kretschmann.
Wir schreiben ihnen nicht, – wie es der SWR tut – damit sie sich freuen ( wie es im SWR heißt). Wir sind hier, damit sie sich klarmachen, dass Sie der Ministerpräsident dieses Landes sind – und sich nicht zum Hampelmann einer bald schon kriminell zu nennenden Bande von Infrastrukturbetrügern, der sogenannten Grube-Kefer-Bande, machen lassen dürfen.
Vor knapp zwei Wochen streute die Bahn Gerüchte, dass sie zugeben wolle, dass Stuttgart 21 eine oder (später) eineinhalb Milliarden mehr kosten würde als bis dahin angegeben. Die ersten Zeitungen schrieben von einer Kostenexplosion, wobei den Verschweigern der Bahn doch nur eine von Vielen vermutete Wahrheit um die Ohren flog, es sich also eigentlich um eine Wahrheitsexplosion handelt. Jetzt endlich , nach der Unterzeichnung von mehreren Finanzierungsverträgen und einer Volksabstimmung über das Projekt, bei der Grube immer wieder betont hatte, dass ein Kostendeckel von 4.5 Mrd – die sogenannte Sollbruchstelle – eingehalten werde, jetzt kommen Grube und Kefer nicht mehr umhin, einzugestehen, dass alle, die sich mit dem Projekt beschäftigt hatten, richtig gerechnet hatten: Der Bundesrechnungshof mit seiner Zahl aus 2008 von 5,3 Mrd plus 300 Mio Planungskosten ebenso wie Vieregg-Rösler mit einer Berechnung aus dem gleichen Jahr über Mindestkosten von 5,6 Mrd, die sich aber zu 6,7 bis 8,9 entwickeln könnten. Nur ein Unternehmen konnte scheinbar nicht rechnen: die Bahn unter der Leitung von Grube und Kefer.
Es glaubt doch keiner, dass die Bahn nicht in der Lage gewesen wäre, die Kosten richtiger einzuschätzen: Schon vor dem Finanzierungsvertrag war einer internen Aufstellung zufolge mit 4,9 Mrd der Kostendeckel gerissen. Mit der nebulösen, nie spezifizierten Ankündigung von Optimierungen wurde die Zahl kurzerhand auf 4,1 Mrd zurückgedreht – damit unter falschen Voraussetzungen der Finanzierungsvertrag unterschrieben werden konnte, sonst wäre dieses Wahnprojekt damals schon erledigt gewesen. Kurz danach hat sich Bauleiter Hany Azer mit einer Auflistung von 121 Risiken vom Projekt verabschiedet, zu der es von Seiten der Bahn konsequenterweise die Anweisung gab, die zugehörigen voraussichtlichen Kosten nicht aufzulisten. Und gerade gestern hatte Grube doch die Chuzpe, zu äußern, dass er sich eines nicht vorwerfen lassen wolle: nämlich etwas verschwiegen zu haben.
Herr Grube, wir kennen das Gesetz, das in solchen Banden wie der Ihrigen gilt: Das Gesetz der Omerta. das Sie uns gestern in Erinnerung riefen. Verschweigen, verschweigen, verschweigen, das qualifiziert bei der Bahn zu höchsten Weihen, und wer dabei noch lächeln kann, wird Vorstand. „Mache dasse diese Leichhe nicht wirde gefunden“ sagt in Romanen gemeinhin der Pate zu seinem Vertrauten; und der Vertraute von Don Grubino, der Einfachheit halber Kefer genant, ist genau darauf spezialisiert: Zahlen-Leichen verschwinden zu lassen, für Kosten anderen die Schuld zu geben (so taxiert er die Butterbrezeln bei der Schlichtung auf 400 Mio) und auch, das ist verblüffend, Zahlen zu massakrieren: Aus 2,3 Mrd Zusatzkosten werden so 1,1 Mrd Zusatz kosten plus Risiken von 1,2 Mrd Euro, die dann nicht mehr in den Schlagzeilen sind.(Denken Sie an den Titel der StN: „Bahn ordnet Kosten neu“).
Und erinnern Sie sich noch an seine Kritzeleien auf drei Blättern, die die damaligen Mehrkosten von mehreren hundert Millionen begründen sollten und so bei der Landesregierung eingereicht wurden? Hätte man genauer hingeschaut, hätte man wahrscheinlich noch die Perforationsstreifen des Klopapiers erkennen können, aus dem sie abgerissen waren. Ja, so wie die Wochenzeitung Die Zeit schon vor mehr als einem Jahr fragte „Wenn Herr Grube nicht Graf Rotz ist, wer dann?“, so wollen wir mit Ulrich Wickerts Buchtitel fragen: Wenn Grube und Kefer keine Gauner sind, wer dann?
Und haben Sie ihn gesehen, Kefer, wie er mit seinem sinnentleerten Dauerlächeln in die Aufsichtsratssitzung ging um dort zu verkünden, dass Stuttgart 21 um mindestens 2,3 Mrd Euro teurer würde? Haben Sie nicht auch darauf gewartet, dass doch von links und rechts endlich die Männer in weißen Kitteln kommen müssten um ihn mitzunehmen, mitzunehmen in eine geschlossene Anstalt? Aber Nein. das Beispiel aus Bayern lehrt, dass bei uns eher die weggeschlossen werden, die auf krumme Geschäfte hinweisen als die, die sie tätigen.
Übertroffen wird dieses Kostengeseiere der Bahn (die z.B. auch Ausstiegskosten von 2 Mrd zusammenlügt) nur noch von einem , über dessen Zahlenverständnis wir immer wieder genauso baff sind wie über den Umstand, dass überhaupt noch in den Zeitungen steht, was er geäußert hat: Claus Schmiedel, der sich bei der letzten Trollinger-Feier wohl sagte, wenn Grube und Kefer die Ausstiegskosten auf 2 Mrd hochlügen, müsse er wohl als dritter im Bunde 3 Mrd sagen, um noch in die Zeitung zu kommen. Sie fragen sich vielleicht, was SPDler wie Claus Schmiedel zu feiern hätten: Nun, dass sie es schaffen, dass sich ihre Prozentzahlen der des Trollingers annähern.
Aber all dies ist nur die eine Seite dieses größten Betrugsfalles der deutschen Industriegeschichte, wie man Stuttgart 21 seit einiger Zeit unwidersprochen nennen darf. Die andere ist die, dass Baden-Württemberg von einer grünen Partei regiert werden sollte, die sich weigert, genau dies zu tun: zu regieren. Gerieren wäre das richtige Wort, oder kurz Herumeiern.
Und jetzt, Herr Kretschmann, kommen wir zu Ihnen.
Stichwort Volksabstimmung: Da meldet sich doch letzte Woche unsere sogenannte Staatsrätin für Bürgerbeteiligung zu Wort, um zu sagen, dass die Volksabstimmung auch bei Kosten von über 6 Milliarden gelte, da diese Zahl ja von den S21-Gegnern schon genannt worden sei. Da kann man nicht mehr lachen, da muss man schon ja fast weinen: Den Bürgern, die den Projektbetreibern geglaubt haben, wird jetzt von der Abteilung Bürgerbeteiligung vorgehalten, dass sie sich haben betrügen lassen, dass man ihr Votum aber behält für einen Fall, über den sie nie abgestimmt haben? Das ist nicht nur keine Bürgerbeteiligung, das ist jenseits der Demokratie; mit dieser Option zur Bürgerausschaltung hätte Frau Erler beste Chancen gehabt, Bürgerbeteiligungsbeauftragte bei Silvio Berlusconi zu werden.
Selbst Professor Wieland, der die SPD bei der Volksabstimmung beraten hat, macht klar, dass die Landesregierung an die Volksabstimmung nicht mehr gebunden ist und also nicht verpflichtet, unter diesen völlig veränderten Voraussetzungen weiter am Possentheater S21 teilzunehmen und sich alles gefallen zu lassen. Im Finanzierungsvertrag heißt es klar, dass es ohne Zustimmung des Lenkungskreises, d.h. aller Projektpartner, keine Änderungen geben darf, die zu Mehrkosten führen, insbesondere ist der Lenkungskreis nicht verpflichtet, die nun geoffenbarten Mehrkosten abzusegnen. Wenn das Projekt sich im Rahmen der gesicherten Finanzierung nicht realisieren lässt, muss es abgewickelt werden.
Allerdings muss es jemanden geben, der die Bahn in die Pflicht nimmt, der sich nicht ein X für ein U vormachen lässt, sondern der für sein Land und seine Bürger mit Haltung und Rückgrat einsteht. Herr Kretschmann, lassen sie sich nicht weiter für dumm verkaufen und beenden Sie die Zerstörung Stuttgarts durch die Wahn-Bahn. Stoppen sie die regelmäßigen Zahlungen des Landes für dieses Projekt.
Wenn Merkel vor einiger Zeit sagte, dass, wenn Stuttgart 21 nicht gebaut würde, Großprojekte in Deutschland nicht mehr möglich seien, meinte sie damit: Wenn es nicht mehr möglich ist, Großprojekte, so dumm und schlecht und unnötig sie auch seien, gegen den Willen einer aufgeklärten Bürgerschaft im Sinne ihrer schwarzen Seilschaften und deren Filz-Spezerln durchzupeitschen, dann lohnt sich das Lügen, Vertuschen und Verdummen, ja der ganze Aufwand nicht mehr. Zeigen sie ihr, dass sie in diesem Sinne Recht hatte.
Regieren Sie endlich, solange sie noch an der Regierung sind. Wenn angesichts der offenbaren Mehrkosten Peter Hauk meint dies sei ein guter Tag für Baden-Württemberg, so ist klar: Hauk und Strobl haben gut feixen, wenn Sie, Herr Kretschmann, Ihre Regierungszeit nicht nützen und Gefahr laufen,in die Geschichte Baden-Württembergs einzugehen als der erste Ministerpräsident, der seine Amtszeit verschlafen hat.
Ende letzten Jahres hat Nils Schmid noch auf Marktplatz gesagt, ja, er vertraue der Bahn und ihren Kostenberechnungen. Bei allen Skandalmeldungen zu S21 haben wir nie ein Sterbenswörtchen von ihm gehört. Rütteln sie ihn wach aus seinem Dornröschenschlaf. Bringen Sie ihm bei, dass es Aufgabe des Finanzministers ist, über die Finanzen zu wachen und nicht sich von verantwortungslosen Bahn-Managern Märchen erzählen zu lassen und dafür teuer zu bezahlen.
Die Grube-Kefer-Bahn hat ihre sogenannten Projektpartner jahrelang und bis zum heutigen Tage über Kosten und Risiken im Unklaren gelassen bzw. getäuscht, teilweise gar mit Wissen des Bundesverkehrsministers Ramsauer. Wie wir in der FAZ vor kurzem lesen konnten, hat Bundesverkehrsminister Ramsauer laut Geißler gar mit dafür gesorgt, dass bei der Schlichtung keine realistischen Zahlen von Seiten der Bahn vorlagen.
Herr Kretschmann, wer so mit sich umgehen lässt, wird irgendwann zu Recht übergangen. Stehen Sie auf, handeln Sie, steigen Sie aus!