An den Finanz- und Wirtschaftsminister des Landes Baden-Württemberg Herrn Dr. Nils Schmid – persönlich –
Dokumentation: Offener Brief der Stuttgarter Parkschützer, der Juristen gegen Stuttgart 21 und des Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 an den Finanzminister von Baden-Württemberg. Geschrieben von Dr. Eisenhart von Loeper, Rechtsanwalt und Sprecher vom Aktionsbündnis gegen S 21.
– Die Neue Lage seit dem 12. Dezember 2012 bei „Stuttgart 21“
– Was bedeutet das unstreitige Milliarden-Finanzierungsfiasko der Bahn für das Land?
– Welche strafrechtliche Relevanz hätte eine Unterzeichnung des Gestattungsvertrages mit der Deutschen Bahn AG zum Rosensteinpark?
Sehr geehrter Herr Finanzminister Dr. Schmid,
unseren „AUFRUF zum Innehalten und Klären, statt rücksichtslos zu zerstören“ vom 14. November 2012 haben Sie ja leider nicht beantwortet. Vielleicht lag es ja an der Gewichtigkeit der von uns zum unerlässlichen Erhalt des Rosensteinparks vorgetragenen Gründe, vielleicht aber auch an dem Geständnis der Deutschen Bahn AG – viele sprechen von ihrem Offenbarungseid -, das seit dem 12. Dezember 2012 eine zweifellos dramatisch neue Lage geschaffen hat.
Genau darauf möchte ich Ihre Aufmerksamkeit nun lenken und Sie kurzfristig um ein persönliches Gespräch bitten. Für uns im Aktionsbündnis – unterstützt namentlich vom Arbeitskreis der Juristen zu Stuttgart 21 – ist die neue Situation wie folgt gekennzeichnet:
Erstens – das Geständnis der Bahn: Am 12. Dezember 2012 hat die Deutsche Bahn AG offenbart, dass der viel beschworene Kostendeckel für Stuttgart 21 um – derzeit – mindestens 2,3 Milliarden Euro überschritten wird. Also hat sie ihre Projektpartner und die Befürworter des Projekts massiv getäuscht und den Finanzierungsvertrag vom 2. April 2009 unredlich zustande gebracht.
Zweitens – der Finanzierungsvertrag: Bahnchef Rüdiger Grube hatte sich nach dem 12. Dezember zunächst noch geklammert an eine angeblich aus dem Finanzierungsvertrag begründete „Ausführungsverpflichtung“ zu Stuttgart 21. Inzwischen aber will er mit den Projektpartnern einen neuen Finanzierungsvertrag vereinbaren. Damit räumt er ein, dass nicht einmal die Bahn als Bauherrin sich noch auf den Finanzierungsvertrag von 2009 stützen will und dessen „Sprechklausel“ daher das Land und die anderen Partner auch zu keiner zusätzlichen Finanzierung verpflichten kann.
Drittens – die Wirtschaflichkeit: Zwar will der Vorstand der Deutschen Bahn AG sich jetzt nur noch mit einer geringen Rendite des Projekts zufrieden geben und „nur“ 1,1 Milliarden Euro selbst übernehmen. Das Aktienrecht und der Finanzierungsvertrag aber binden ihn wie auch den Aufsichtsrat der Bahn an die Wirtschaftlichkeit ihres Handelns; das hier beigefügte Gutachten des Anwaltskollegen Arne Maier erhärtet diese Tatsache. Würden die Bahn-Verantwortlichen diese Pflichten missachten, wäre der Straftatbestand der Veruntreuung gegeben. Ich bin überzeugt, dass der Aufsichtsrat diese Bürde nicht auf sich nehmen wird.
Viertens – die Planrechtfertigung: Das Finanzierungsfiasko von mindestens 1,2 Milliarden Euro entzieht dem Projekt Stuttgart 21 zugleich die Planrechtfertigung, da auch die Projektpartner Bund, Land und Stadt Stuttgart keine weiteren Kosten übernehmen wollen. Jedes weitere Geld in das allein schon finanziell gescheiterte Projekt wäre eine Fehlinvestition und zugleich eine strafbare Veruntreuung fremden Vermögens. Die Juristen zu Stuttgart 21, denen bekanntlich auch ehemalige Strafrichter angehören, werden dafür sorgen, dass niemand sich darüber hinweg mogelt.
Fünftens – die Mängel des Projekts: Die in meinem Brief vom 14. November genannten schweren Funktions- und Rechtsmängel des Projekts zeigen zudem, dass es für die Bahn inzwischen keine Alternative zum Ausstieg mehr gibt. Deren Vorstand wie auch Sachverständige von Land und Stadt wissen ja längst, dass das Gleisvorfeld wegen des langfristig bleibenden Verkehrsbedarfs für den Kopfbahnhof gar nicht entwidmet werden kann. Wenn es aber deshalb nicht mit Immobilien bebaut werden kann, muss die Bahn der Stadt nicht nur beim Ausstieg, sondern auch bei einer Umsetzung von Stuttgart 21 etwa 730 Millionen Euro erstatten. Dies erhöht das Finanzierungsdefizit von 1,2 auf nahezu 2 Milliarden Euro und macht S 21 erst recht unsinnig.
Sechstens – die Vertragspflichten: Das Geständnis der Deutschen Bahn AG vom 12. Dezember hat die Projektpartner jeder Förder- und Ausführungspflicht aus dem Finanzierungsvertrag von 2009 enthoben. Dies folgt aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und auch aus Paragraph 2 Absatz 2 des Finanzierungsvertrags, in dem es wörtlich heißt: „Kann nach dem 31. 12. 2009 die Finanzierung nicht sichergestellt werden, wird das Projekt qualifiziert abgeschlossen.“ Die nähere Umsetzung wird sogar vertraglich vorgegeben, so dass genau darüber verhandelt werden sollte.
Siebtens – der Gestattungsvertrag: Diese neue Lage zu ignorieren widerspräche dem Finanzierungsvertrag. Würden nun also Sie, sehr geehrter Herr Minister, den Gestattungsvertrag für die Rodung großer Teile des Rosensteinparks unterzeichnen, verstießen Sie nicht nur gegen das Empfinden und Rechtsbewusstsein sehr vieler Menschen. Vor einem solchen Schritt möchten wir Sie auch deshalb warnen, weil Sie sich vom Vorwurf eines täterschaftlichen Beitrags zur Veruntreuung fremden Vermögens nur dann befreien können, wenn Sie Ihre Unterschrift unter diesen Vertrag verweigern.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Eisenhart von Loeper
Rechtsanwalt und Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S 21