Computerexperte und Open Source-Aktivist Aaron Swartz beging Selbstmord

Öffentliche Dokumente gehören ins Öffentliche Netz – ein weiterer sinnloser Tod, den die US-Regierung mit ihrem Cyberwar- und Security-Wahn auf dem Gewissen hat

Am Freitag, den 11.Januar 2013 nahm sich Aaron Swartz in New York im Alter von sechsundzwanzig Jahren das Leben.

Swartz war Mitbegründer des sozialen Netzwerks und Nachrichten-Website Reddit, arbeitete an der technischen Umsetzung für Creative-Commons-Lizenzen, war Gründer und Geschäftsführer von Demand Progress im Jahr 2010 – eine Organisation von Rechtsanwälten und Bürgerrechtlern, die sich mit Internetkampagnen auf Änderungen der Politik für bürgerliche Freiheiten, Bürgerrechte und Verwaltungsreform in den USA konzentriert und die in den vergangenen Monaten durch ihre Arbeit weltweite Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gegen die SOPA/PIPA-Zensurgesetze erfahren hatte.

Neben vielen weiteren Arbeiten war Swartz Mitentwickler des Creation- und Hosting-Service Jottit.

Darüberhinaus wirkte Swartz als Teammitglied und technischer Berater bei der Entwicklung von Change Congress – eine Organisation gegen Korruption, Lobbyismus, Geldannahme von PACs und für Transparenz des US-Repräsentantenhauses sowie Unterstützung der Finanzierung öffentlicher Projekte. Change Congress setzt sich darüberhinaus für ein faireres, bürgerbezogenes Wahlrecht ein.

Im Jahr 2007 begann das FBI Swartz zu überwachen, was dieser durch den Freedom of Information Act später 2009 herausfand. Grund dafür war das Kopieren von achtzehn Millionen Gerichtsseiten des Obersten Verfassungsgerichtes und Bundesgerichten der USA im Wert von 1,5 Millionen Dollar. Antragsteller zahlen im Durchschnitt für den Erhalt einer Seite acht Cent, die in der PACER-Datenbank der US-Regierung archiviert sind. Zugang dazu verschaffte sich der Computerexperte mit einem kleinen PERL-Script über eine der siebzehn ausgewählten Bibliotheken, die Anschluss an PACER mit dem Experiment Government Printing Office erhalten hatten und lud diese auf Amazon EC2 Cloud Computing Service mit dem Bibliothekscomputer hoch. Die so „gekaperten“ Daten der 19856160 Seiten schenkte Swartz public.resource.org , aktuell zeigt sich diese zum Gedenken an Aaron so:
public.resource.org

When the right to communicate was imperiled by tyrants and profiteers, the Postmaster General changed his frank from “Free, B. Franklin” to “Be Free, Franklin.”

Aaron Swartz made our world more free. Be Free, Internet. Thank you, Aaron, for what you gave us.

Am 11.Januar 2011 wurde Swartz wegen Verletzung des Computer Fraud and Abuse Act wegen des Downloads von Artikeln in akademischen Journalen von JSTOR (Journal STORage) verhaftet. Vier Millionen Fachzeitschriften sollen angeblich über eine offene Verbindung am Massachusetts Institute of Technology (MIT) aus dem Archiv heruntergeladen worden seien.

Die Anklagepunkte enthalten dreizehn Verstösse, darunter Verletzung der Website-Bedingungen, teilen der heruntergeladenen Dateien über Peer-to-Peer-Netzwerke, Gewinnung von Informationen aus einem geschützten Computer.

Fünfunddreissig Jahre Gefängnishaft und eine Million Dollar Geldstrafe hatte Swartz im schlimmsten Fall bei einer Verurteilung zu erwarten.

Der angestrengte Gerichtsprozess, der im nächsten Monat beginnen sollte, erscheint durch gewisse Interessensvertreter forciert zu werden, denn zum Einen hatte Swartz als Stipendiat des Safra Center for Ethics der Harvard University legalen Gastzugang zu den Artikeln.

Zum Anderen hat nicht JSTOR die Klage eingereicht. Heidi McGregor, die Vizepräsidentin für Marketing und Communications des Unternehmens teilte mit, dass man sich mit Swartz intern gütlich geeinigt hatte, nachdem das Herunterladen dieser riesigen Anzahl von Daten von den IT-Experten bemerkt wurde und Swartz als Urheber identifiziert wurde. JSTOR war mit der Zusicherung zufrieden, dass der Inhalt nicht verwendet, kopiert, übertragen und verteilt würde, so McGregor und dass die Anklage von der Staatsanwaltschaft der US-Regierung erhoben wurde.

David Segar, Geschäftsführer von Demand Progress erklärte: „…Es ist noch seltsamer, weil das mutmassliche Opfer keine Ansprüche gegen Aaron erhoben und erklärt hat, keine Verluste oder Schäden zu haben und die Regierung gebeten hat, keine Verfolgung einzuleiten.“

Strafverteidiger Max Kennerly hat auf seinem Blog unter dem am 19.Juli 2011 begonnenen Beitrag „Examining The Outrageous Aaron Swartz Indictment For Computer Fraud“ interessante juristische Argumente gegen die Anklage der US-Regierung zusammengetragen:

[Update: January 12, 2013. RIP, Aaron Swartz. He was 26. Cory Doctorow eulogizes him. The expert who was going to testify on Swartz‘s behalf has posted his conclusions, conclusions that to me are damning to the U.S. Attorney‘s office.

MIT‘s network was extraordinarily open by design: „In short, Aaron Swartz was not the super hacker breathlessly described in the Government’s indictment and forensic reports, and his actions did not pose a real danger to JSTOR, MIT or the public. He was an intelligent young man who found a loophole that would allow him to download a lot of documents quickly. This loophole was created intentionally by MIT and JSTOR, and was codified contractually in the piles of paperwork turned over during discovery.“]

Wie in dem Fall Bradley Manning wird von der US-Regierung versucht, ein Exampel der Macht zu demonstrieren und intellektuelle, selbstbewusste und erfolgreiche Personen auszuschalten, die sich nicht diktatorischen Strukturen beugen. Vor allem dann, wenn sie sich für das öffentliche Interesse und das Recht auf Transparenz behördlicher Vorgänge einsetzen.