„Die damals absehbare und jetzt eingetretene Katastrophe wollte ich mit meinen Aktionen verhindern“

Dokumentation: Die Einlassung der Angeklagten Myriam Rapp aus der Stuttgarter Bürgerbewegung gegen „Stuttgart 21“ (S21) bei ihrem heutigen Prozess im Amtsgericht Stuttgart. Myriam Rapp wird des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte während der Südflügel-Räumung am 13. Januar 2012 und während der Schlossgarten-Räumung am 15. Februar 2012 beschuldigt.

Die Probleme bei S21 sind so komplex , dass ich hier nicht alle erwähnen könnte. Ich beschränke mich hiermit auf das Thema Statik des Bahnhofstrogs:

Nach der Zerstörung des Mittleren Schlossgartens ließ die DB AG im vergangenen Jahr im Schlossgarten geologische Probebohrungen durchführen. Angeblich stieß man bei diesen Bohrarbeiten auf einen unterirdischen Hohlraum, eine sogenannte Doline. Doch diese Doline ist bereits seit 13 Jahren bekannt: Im Rahmen des 1. bis 5. Erkundungsprogramms wurden schon um das Jahr 2000 herum zahlreiche Probebohrungen im gesamten Mittleren Schlossgarten durchgeführt, ohne dass damals Bäume gefällt wurden. Bei diesen Bohrungen vor 13 Jahren fand man z.B. bei Bohrkern BK 11/100 eine solche große Doline. Die Probleme im Stuttgarter Untergrund sind also seit langem untersucht und bekannt.

Es liegt sogar ein ausführliches Baugrundgutachten aus dem Jahr 2003 vor, das den Baugrund für den S21-Bahnhofstrog und für den Nesenbachdüker ausführlich beschreibt. Ob die zusätzlichen Bohrungen aus dem Jahr 2012 wirklich notwendig waren, muss daher massiv bezweifelt werden Auf jeden Fall hätten für weitere Bohrungen keine Bäume gefällt werden müssen, was die zahlreichen Bohrungen von vor über 10 Jahren anschaulich beweisen. Das zeigt, dass die Abholzung der Parkbäume vor einem Jahr unnötig und voreilig war.

– Siehe dazu Bohrprofil BK 11/100 im Baugrund- und Gründungsgutachten von Smoltczyk & Partner, Anlage 2.1.79, Seite 79.

– Siehe Lageplan mit Lage der Erkundungspunkte im Mittleren Schlossgarten im Baugrund- und Gründungsgutachten von Smoltczyk & Partner, Anlage 1.2, Seite 71.

– Siehe Nennung der Dolinen-Problematik im Baugrund- und Gründungsgutachten von Smoltczyk & Partner u.a. auf Seite 20 und 50.

Seit 1994, also seit 19 Jahren, wird nun das Tunnelvorhaben S21 politisch vorangetrieben. Seit die 11. Planänderung im September 2012 vom Gemeinderat einstimmig zurückgewiesen wurde, ist die Statik des geplanten Bahnhoftrogs völlig ungeklärt – es gibt keine Lösung, wie man Stuttgart 21 statisch sicher bauen kann. Der geplante Tunnelbahnhof S21 ist also an dieser und vielen anderen Stellen technisch gescheitert.

Ich komme nun noch einmal auf die Zerstörung des Mittleren Schlossgartens und zu meinem Protest gegen die Baumfällarbeiten: Im Dezember 2012 hat Frau Staatsrätin Gisela Erler an den pensionierten Strafrichter am Landgericht, Dieter Reicherter, folgendes geschrieben:

„Am Ende möchte ich Ihnen [also Herrn Reicherter] aber zustimmen, dass sich die Befürchtungen leider bestätigt haben, dass die Baumfällungen zwar rechtlich zulässig und genehmigt, aber durch die Verzögerungen sachlich nicht geboten waren.“

Wir alle wissen, dass Frau Erler als Staatsrätin eine leitende Funktion innerhalb des Staatsministeriums hat. Das bedeutet, dass diese Äußerung stellvertretend für die Landesregierung steht. Die Landesregierung gesteht damit also ein, dass es mindestens zu dem Zeitpunkt falsch war, die Parkbäume zu fällen. Das ist eine entscheidende politische Aussage. Mit ihrer Aussage legitimiert Frau Erler unsere Protestaktion gegen die Parkzerstörung.

Die Tatsache der voreiligen und unnötigen Zerstörung gilt ebenfalls für den Südflügel: Wie der Schlossgarten stand auch der Südflügel unter Denkmalschutz, wie im Schlossgarten wurde am abgerissenen Südflügel bis heute nichts gebaut. Wie beim Schlossgarten war auch beim Südflügel schon vor einem Jahr klar, dass Stuttgart 21 technisch und finanziell scheitern wird. Jetzt steht das Ende des Tunnelprojekts unmittelbar bevor, das Baudenkmal Südflügel und das Naturdenkmal Schlossgarten jedoch sind unwiederbringlich zerstört.

Diese damals absehbare und jetzt eingetretene Katastrophe wollte ich mit meinen Aktionen verhindern.

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