DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (X): Kein Pelzmantel der Geschichte
13.11.2011, I : Aufprall am Grundgesetz und radikaler Strategiewechsel
14.11.2011, II : Gänsemarsch der Tontauben
16.11.2011, III : Schicksalstag 9.November – Chronologie einer Zeitenwende
27.11.2011, IV : Sollen sie doch Geld drucken
15.01.2012, V : 9.Dezember – Der Große Bluff der “zwei Europas”
16.01.2011, VI : Der “Fiskalpakt” fliegt auf
18.01.2012 VII : Die Betrogenen der Betrüger – Das “EU-Parlament”
20.01.2012 VIII: ESM und “Fiskalpakt” – die epischen Witze der Kanzlerin
03.03.2012 IX: Wie erwartet – Antidemokraten fordern EU-Präsidenten und “europäische Verfassung”
Die Kürzung des 7-Jahres-Etats der E.U.-Organe markiert einen Wendepunkt in der über zwanzigjährigen Geschichte des zunehmend autoritären Staatenbundes.
Am 22./23. November 2012 war der gemeinhin als „Gipfel“ bezeichnete Regierungsrat („Europäische Rat“) des 1992 gegründeten Staatenbundes „Europäische Union“ (E.U.), mit einer Einigung auf einen neuen Siebenjahresplan des Haushaltsbudgets der eigenen Organe gescheitert. Am 28. November stellten dann E.U.-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und in der üblichen Gletscher-Taktik am 6. Dezember E.U.-Ratspräsident Herman van Rompuy hintereinander als vermeintlich jeweils sensationelle Neuigkeiten die gleichen Pläne vor, die sie zusammen mit anderen Führungsfunktionären wie dem Direktor der Zentralbank des Euro-Systems, E.Z.B.-Präsident Mario Draghi, und dem damaligen Leiter der „Euro-Gruppe“ Jean-Claude Juncker sowie anonymen Rechtskanzleien und Beratern gemeinsam entwickelt hatten. Es solle eine „echte Wirtschafts- und Währungsunion“ geben.
Der mit annähernd einer Billion Euro staatlicher Gelder aus den E.U.-Mitgliedsstaaten prall gefüllte Fonds des „Europäischen Stabilisierungsmechanismus“ (E.S.M.) solle direkt Subventionen und Geschenke an die international verflochtenen Banken ausbezahlen dürfen. Die E.U.-Mitgliedsstaaten sollten entsouveränisiert und für die (und von den Banken übernommenen) Schulden der Banken die „Ausgabe gemeinsamer Schuldtitel“ der E.U.-Mitgliedsstaaten initiiert werden. Für diesen Initiierungsprozess eines sowohl endlosen, wie ausweglosen langen Marsches in die antidemokratische kapitalistische Knechtschaft, unter maximal heuchlerischen und zynischen Geschwätzes über „Europa“ und „den Euro“, hätten demnach die Staaten, Völker, Demokratien gefälligst „Haushaltsdisziplin“ zu wahren. Übersetzt hieß das eine Fortführung, Eskalation und Institutionalisierung dessen, was seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages Ende 2009 und der danach so plötzlich-unvorhergesehenen „Euro-Krise“ geschehen war: Massenarmut, Massenelend, Massendemonstrationen, Einsturz der Lebensqualität und sämtlicher Standards der Mehrheit der Bevölkerungen, Raub der Rechte an sozialer Grundsicherung und demokratischer Partizipation, bei gleichzeitiger Explosion der kapitalistischen Profite, äußerer Kriegführung, inneren Spannungsfällen und anhaltender Destabilisierung der Gesellschaft.
So die Pläne der Nomenklatura. Und was war? Nichts.
Am 13./14. Dezember scheiterte der E.U.-Regierungsrat, auf dem diese Pläne beschlossen werden sollte, erneut. Und er scheiterte jämmerlich. Alles wurde verschoben, in den Sommer, nach der für die kapitalistischen Mathematiker und ihre bereits in sich zusammengefallenen Modelle unkalkulierbaren Parlaments- und Präsidentenwahl in Italien und kurz vor der Parlamentswahl in Deutschland.
Gestern nun der Versuch, wenigstens einen neuen Siebenjahresplan für den E.U.-Haushalt zustande zu bringen. Was war das Ergebnis? Der erste Rückschritt für den bislang als unantastbar geltenden Brüsseler Apparat und seine Myraden von Profiteuren. Die Verpflichungsermächtigungen von derzeit 993,6 Milliarden Euro (Siebenjahresplan Anfang 2007 – Ende 2013), also die Ermächtigungen für Ausgaben in allerlei Programmen, die teilweise nicht voll ausgeschöpft werden, sinken in 2014 bis 2020 auf 960 Milliarden Euro . Die tatsächlichen Zahlungsermächtigungen aber, der eigentliche Haushaltsetat, sinken um satte 34 Milliarden Euro auf 908,4 Milliarden Euro.
Was den „Widerstand“ oder die „Drohung“ aus dem Parlamentsplacebo in Straßbourg angeht: der kann getrost vernachlässigt werden. Die Zustimmung zum E.U.-Haushalt ist eine Formsache, vorher darf noch ein bisschen gejammert werden, um die Wahlbeteiligung an der unnützesten aller Wahlen, der E.U.-Parlamentswahl in 2014, nicht allzusehr zu beschädigen.
Der britische „Telegraph“ schrieb gestern, wenn auch von einem marktradikalen Standpunkt aus, unter der Überschrift „Der Wahnwitz stoppt“ („The folly stops“) in einer zutreffenden Einschätzung:
„Nach den Standards, nach denen diese Dinge traditionell vonstatten gehen, repräsentiert der sich abzeichnende E.U.-Budget Deal eine deutliche Verschiebung in Schwergewicht und Momentum.“
Es ist sowohl bezeichnend, als auch entlarvend dass in dieser gesamten historischen Phase der Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Kapitalismus fast alle etablierten Kräfte der selbstbezeichneten Sozialisten, Linken, Sozialdemokraten und Progressiven auf der Seite des Kapitalismus spielen. Damit ruinieren diese Kräfte nicht nur sich selbst, sondern auch die Idee eines europäischen Staatenbundes
„als enge, auf Dauer angelegte Verbindung souverän bleibender Staaten enge, auf Dauer angelegte Verbindung souverän bleibender Staaten…in der die Völker – das heißt die staatsangehörigen Bürger – der Mitgliedstaaten die Subjekte demokratischer Legitimation bleiben“,
wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Lissabon-Vertrag am 30. Juni 2009 eingegrenzt und vorgeschrieben hat.
Überall auf dem Kontinent haben die Menschen den Betrug, den Raubzug der sogenannten „Pro-Europäer“ satt. Nirgendwo, in keinem einzigen Mitgliedsstaat der „Europäischen Union“ findet sich noch eine Mehrheit die dumm genug wäre noch mehr Souveränität, Freiheit und anderes im (Verfassungs)Recht garantiertes immaterielles und materielles Eigentum zum Fenster der Geschichte hinaus zu werfen als bereits geschehen. Stattdessen wird jetzt zurückbezahlt.
In den Niederlanden wird (von konservativer Seite aus) ein Referendum zum Verbleib im E.U,-Staatenbund forciert. In Italien fordert Kollege Beppe Grillo aus der 5-Sterne-Bewegung in seinem „Brief an die Italiener“ eine Volksabstimmung zum Verbleib im Euro-Finanzsystem. In der Republik Deutschland, in der alles gefühlt zehn Jahre und real fünf Jahre später begriffen wird als in irgendeiner anderen Demokratie auf dem Planeten, geht derweil alles weiter wie bisher.
Wie bisher? Nicht ganz. Den Hohen Herrschaften von Brüdern und Schwestern in der Ehrenloge ist schon mal der Mantel gereicht worden.
Und der Pelzmantel der Geschichte wird es nicht sein.