Die erneute Verschärfung des Urheberrechts zielt nicht auf Google, es zielt auf uns
Die unter dem Siegel „Leistungsschutzrecht“ morgen auf Druck der Monopole durch das Parlament abgenickte weitere Verschärfung des Urheberrechts zielt nicht auf Google, sondern die unabhängigen Medien und ihre Nachrichtenagenturen, auch die von Radio Utopie. Wie wir darauf reagieren, habe ich bereits angekündigt: wir schmeissen die Monopole, Staatsmedien und Informationsindustrie aus Deutschland, Österreich und Schweiz aus unserer Agentur.
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Zuerst die Grundlage: Die geltende Verfassung der Republik, Artikel 5.
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
Seltsamerweise (bzw logischerweise) gibt es nun kein Gesetz des Staates, das dem Staat zwingend vorschreibt seine Gesetze auf Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen, bevor er sie beschließt. Bezeichnenderweise gibt es für den Staat, der kontinuierlich verfassungswidrige Gesetze beschließt und zynisch daraufhin weist, man könne ja dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, nicht einmal die zwingende Verpflichtung wenigstens 24 Stunden vor seinem Parlamentsbeschluss der Bevölkerung mitzuteilen, welches mutmaßlich verfassungswidrige weil verfassungsrechtlich ungeprüftes Gesetz er da überhaupt beschließen wird.
Morgen früh ab 09.00 Uhr wird die erneute Verschärfung des Urheberrechts durch das Parlament beschlossen. Der Gesetzentwurf steht, keine 24 Stunden vor diesem Beschluss, der Öffentlichkeit immer noch nicht zur Verfügung.
Derzeit auf der Webseite des Bundestages zu sehen ist der alte Gesetzentwurf des „Leistungsschutzrechts“. Gestern tagte der Rechtsausschuss des Parlaments. Er fasste den Beschluss für einen Änderungsantrag für den Gesetzentwurf. Es ist dieser Änderungsantrag, der nun morgen im Parlament eingebracht wird. Dieser Beschluss des Rechtsausschusses unseres Parlaments ist nicht öffentlich. Von mehreren Fraktionen aus dem Bundestag gegenüber Radio Utopie hieß es, „im Laufe des Tages“ – also des heutigen Donnerstags – würde der deutschen Öffentlichkeit der tatsächliche Gesetzentwurf zur Verfügung gestellt und damit mitgeteilt, wie das deutsche Urheberrecht in nicht einmal 24 Stunden aussehen wird.
Das neue Urheberrecht verbietet, z.B. unserer Nachrichtenagentur, bei Androhung massiver Zahlungsforderungen das Verbreiten von Meldungen. Bereits das Verwenden von Original-Überschrift und Textauszügen, bei Verlinkung auf die Quelle und Namensnennung der Quelle, steht damit faktisch unter Strafe. Vor dem nun gestern im Rechtsausschuss getroffenen Beschluss begann die typische Vernebelung durch die Monopole. Von einer „Entschärfung“ war die Rede, man habe sich mit Google geeinigt, „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ dürften verwendet werden.
Eine Täuschung. Hier der entscheidende Passus des morgen im Parlament beschlossenen Gesetzes:
„Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten.„
Die deutsche Gesetzgebung zwingt mich als Betreiber von Radio Utopie ein Gewerbe anzumelden wenn ich Werbung auf meine Seiten setze. Ergo bin ich, und damit ganz Radio Utopie, ein „gewerblicher Anbieter“. Der Passus „entsprechend aufbereitet“ ermöglicht es zudem jeder Anwaltskanzlei uns allein deshalb zu verklagen, weil wir nicht automatisiert arbeiten, sondern die Textauszüge von Artikeln per Hand auswählen. Zudem bedeutet „einzelne Wörter“ nicht Überschriften.
Die Regelung betrifft alle Veröffentlichungen die ein Jahr oder weniger zurückliegen. Dazu kommt die überhaupt nicht thematisierte, gefährliche Dreistigkeit des Staates in diesem Gesetz zu definieren, was ein Presseerzeugnis überhaupt ist. („bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen“).
Wie verkommen und wie zynisch die derzeitigen Stellvertreter des Volkes quer durch alle Parteien im Parlament agieren, machte stellvertretend F.D.P.-Rechtsexperte Manuel Höferlin deutlich: im Zweifel müssten eben „die Gerichte für Klarheit sorgen.“
Der Bundesrat ist nicht zustimmungspflichtig (der diesbezüglich geäußerte Rest ist Geschwätz). Das Datum des Inkrafttretens soll noch in den als Gesetzentwurf eingebrachten Änderungsantrag des Rechtsausschusses eingefügt werden. Zudem wurde bereits versucht den Gesetzentwurf am Mittwoch durch den Bundestag zu bekommen.
Bevor das Tauschen von Musik – das Kopieren einer Datei und deren Versand (!) – vor acht Jahren durch den Bundestag kriminalisiert wurde, trompetete es aus der Parteien-Kaste, man wolle genau das nicht tun. Internetnutzer, die von Musik „Vervielfältigungen nur in geringer Zahl und ausschließlich zum eigenen privaten Gebrauch“ machten, sollten nicht bestraft werden. Das war gelogen. Wie überhaupt alles gelogen war, was uns der Staat und seine Parteien-Kaste erzählt hat.
Einschätzung und Empfehlung
Es zählt kein Geschwätz, es zählt das Gesetz. Wenn dieses auslegbar ist, wird es ausgelegt. Und das heißt teure Gerichtsverfahren, für die mit Geld gegen die ohne.
Die erneute Verschärfung des Urheberrechts läuft schlicht auf folgendes hinaus: Ab morgen gibt es für unabhängige Journalisten (z.B. mit einem Archiv) keine Rechtssicherheit mehr. Monopole und das am Rockzipfel hängende Parlament zielen direkt auf die Vernichtung von Existenzen zwecks Aufrechterhaltung von Monopolen und Informationskontrolle. Sie zielen dabei nicht auf Google oder Google News, sondern maßgeblich auf die Nachrichtenagentur Radio Utopie, sowie auf Net News Express und Net News Global.
Es muss davon ausgegangen werden, dass die explizit durch C.D.U., C.S.U. und F.D.P. mit neuen Mitteln für Schikane und Ausplünderung ausgestatteten üblichen Anwaltskanzleien bereits auf der Lauer liegen. Es ist durchaus möglich, dass sie bereits am Samstag die ersten Briefe verschicken.
Unsere Empfehlung: schnellstmöglich reagieren. Den Hinweis darauf, sich mit den üblichen typisch deutschen zehn Jahren Verspätung effektiv zu organisieren, spare ich mir.
Es bleibt der Hinweis, dass jede etablierte Partei oder Organisation für unabhängige Medienschaffende effektiv wertlos ist. Auch keine einzige der sogenannten „Bürgerrechtsorganisationen“ oder angeblicher Vertreter einer de facto nicht mehr existierenden (bundesweiten) Bürgerrechtsbewegung hat angemessen öffentlich gemacht, dass es für das Verbot der Verwendung von Textauszügen bei Google News überhaupt keiner Gesetzesänderung bedurft hätte. Dafür hat das ausgerechnet ein Mitglied der Medienmonopolverbände getan, die „Grafschafter Nachrichten“, deren Geschäftsführer betonte, die „Inhalte der Zeitung seien durch das Urheberrecht bereits ausreichend geschützt, ein gesondertes Leistungsschutzrecht sei nicht erforderlich“. Ohne jetzt verklagt werden zu wollen, möchte ich noch einen Ausschnitt aus diesem bemerkenswerten Artikel der 139 Jahre alten Zeitung zitieren:
„Anstatt sich selbst kreativ und mutig auf die gewaltigen Herausforderungen einzustellen, die der Medienwandel mit sich bringe, machten es sich viele Verlage und ihr Verband allzu leicht, indem sie sich zurücklehnen, die Hand aufhalten und vom Erfolg anderer profitieren wollen.“
Und um dies einmal klarzustellen: nicht nur die Webseiten der Staatsmedien und Informationsindustrie haben von der Nachrichtenagentur Radio Utopie in Form von Besucherzahlen profitiert (über die Jahre sogar massiv); auch finden wir ständig kommerziell erstellte Artikel, in denen die Quellen und Informationen verwendet werden, die wir vorher über die Agentur verbreitet haben, auch aus dem internationalen / englischsprachigen Bereich.
Maßnahmen unsererseits
Wir nehmen unser Forum vom öffentlich zugänglichen Netz. Wir nehmen das Archiv der Nachrichtenagentur vom öffentlich zugänglichen Netz, ebenso die Suchfunktion. Wir schmeissen alle Medien aus den Staaten Deutschland, Österreich und Schweiz aus der Agentur, wenn sie nicht erwiesenermaßen und nachweisbar unabhängig sind bzw. es nachweisbar keine Möglichkeit gibt uns zu verklagen weil wir auf diese verlinken, ihre Überschriften und Textauszüge verwenden und ihnen Besucher auf ihre Webseiten bringen. Weitere Ausnahmen behalten wir uns vor, etwa staatliche Stellen.
Erklärung bezüglich der Medien in Österreich und der Schweiz: Wir müssen davon ausgehen, dass entsprechende vertragsrechtliche Regelungen zwischen den in diesen drei Ländern (nicht nur im Bereich Informationsmedien) eng verbundenen Monopol- und Lobbyorganisationen bestehen, die es erlauben würde uns in Deutschland zu verklagen, wenn wir eine österreichische Zeitung verlinken und deren Überschrift verwenden, weil diese wiederum Meldungen einer etablierten Nachrichtenagentur verwendet.
Unser Zeitungsarchiv nehmen wir nicht vom Netz. Es ist für uns nicht zumutbar Hunderte Artikel der letzten zwölf Monate nach zitierten Überschriften zu durchsuchen, u.ä.. Wer uns deshalb verklagen will: nur zu. Wir lassen es darauf ankommen und gehen bis nach Karlsruhe. Und wenn ich das sage, dann passiert das auch.
Stellungnahme
Ich habe dazu bereits alles geschrieben was zu schreiben war. Und das vor fast einem Jahr, am 6. März 2012 im Forum Radio Utopie. Da wir nun auch das Forum vom öffentlich zugänglichen Netz nehmen, hier die Dokumentation meines damaligen Statements (ich gönne mir Rechtschreibkorrekturen):
Vorsicht, BDZV und VDZ-Verleger: Wer nicht denken will, fliegt raus!
So, werter Verband Deutscher Zeitungsverleger VDZ und eingetragener allgemeinnütziger Verein Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. BDZV. Jetzt reden wir mal Klartext.
Sie haben keine Ahnung, warum die Regierung jetzt diesen Entwurf zum „Leistungsschutzrecht“ aus der Asservatenkammer der Hinterwäldler gezogen haben. Und 99 Prozent aller Internetnutzer und Medienmultiplikatoren auch nicht.
Dieses Gesetz ist keine Lex Google, sondern eine Lex Daniel Neun und seine Folgen. Es richtet sich gegen die drei existierenden unabhängigen Nachrichtenagenturen Net News Global, Net News Express und die Radio Utopie Nachrichtenagentur. NNG habe ich im Jahre 2008 von dessen Erfinder übertragen bekommen, umgebaut und zur ersten unabhängigen Agentur gemacht. Dann habe ich im Sommer 2009 etwas gemacht, was niemand heutzutage tut. Niemand, das bin ich. Ich habe sie verschenkt (was NNG heute noch für die Allgemeinheit und die Republik wert ist, diese Einschätzung liegt im Auge des Betrachters).
Dann habe ich Ende 2009 die nächste unabhängige Agentur konzipiert und aufgebaut: Net News Express. Aus NNE wiederum bin ich im Herbst 2010 ausgestiegen und überließ dem Besitzer alles. Auch was NNE noch für die Allgemeinheit und die Republik wert ist, auch diese Einschätzung liegt im Auge des Betrachters.
Im Herbst 2010 schließlich eröffnete ich die dritte unabhängige Nachrichtenagentur auf Radio Utopie.
Alle diese Agenturen bauen auf dem gleichen System auf, welches 2004 ein gewisser Udo Schreiber erfand: Nachrichten von Quellen weltweit zu bündeln und in einem Feed, der direkt auf die Quellen selbst verlinkt (von der New York Times bis zum Tagebuchschreiber). So filtern zumindest wir in der Radio Utopie Agentur aus der täglichen irrelevanten Müll-Flut der Staatsmedien, Informationsindustrie und auch des Boulevard-Markts der Marktradikalen in den unabhängigen Medien die relevanten Informationen und verbreiten diese über unsere Partnerseiten. Darunter sind übrigens auch jede Menge englischsprachiger Artikel, die vom deutschen „Leistungsschutzrecht“ nicht betroffen sind und deren Inhalte im deutschsprachigen Raum von Industrie und Staatspresse totgeschwiegen werden.
All diese Aufbauleistung hat mir niemand bezahlt. Ich tat alles freiwillig und damit aus echter Überzeugung, sowie in der Erkenntnis, in einem Land voller Schwachsinniger zu leben, die zu doof zum Lesen sind und keinen Respekt vor allem Guten, Schönen und Echten in der Welt haben, sondern sich lieber durch den Boulevard eines antidemokratischen, antigeistigen und antikulturellen Kapitalismus versauen lassen.
Ich werde Ihnen, werte Verleger, jetzt mal in kurzen Worten erklären, was dieses „Leistungsschutzgesetz“ für Sie für Folgen haben wird: sie und Ihre Schreibsklaven werden aus unseren Netzen und Strukturen rausfliegen. Sie werden im Zuge eines zweiten Buchdrucks, einer zweiten Aufklärung – die Sie nie begreifen werden – absaufen, untergehen und mit Wucht gegen die Wand fahren. Sie werden, genau wie die Musikindustrie und die Filmindustrie – mit denen ich schon vor Spionen, Regierungen und Bankern eine Rechnung offen hatte – den Selbstmord ihres Ausbeutungssystems beschleunigen und einer Kreativen Klasse, einem Kunstproletariat des 21. Jahrhunderts den Weg frei machen zu einer freien, fairen und gerechten Existenz, die eine neue Blüte der Menschheit möglich machen wird, wie sie sich eben nur die Freien, Fairen und Gerechten vorstellen können.
Für alle Anderen gilt die viel zu lange vergessene Grundregel von Geistonkel Joseph Beuys: Wer nicht denken will fliegt raus.
PS: Berlin ist arm und sexy, heisst es. Denken Sie mal drüber nach.
Wir versprechen, was wir halten und halten was wir versprechen. Wir sind die Macher, die Proletarier, die Arbeiter von Kunst und Kreativität. Wir sind die Könner.
Und wir knallen die Verlagslobby vom Platz. Wir machen sie alle fertig.