Agenda 2010, Kapitalismus und Gesellschaft: Die „Spieltheorie“ ist wieder Thema
Am 27. Oktober 2012 startete Radio Utopie die dreiteilige Artikelserie (Teil I, II, III) zur BBC-Filmreihe „The Trap“ aus dem Jahre 2007. Sie beleuchtete akribisch, wie zu Zeiten des Kalten Krieges von Mathematikern und Psychologen aus deren zutiefst düsteren Menschenbild heraus entwickelte Modelle der „Spieltheorie“ über Jahrzehnte benutzt wurden um ganze Staaten und Gesellschaften nach diesem Menschenbild zu transformieren.
Im Februar 2013 erschien das Buch „Ego: Das Spiel des Lebens“ von Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Obwohl dieses Buch exakt das wiederspiegelte, was BBC-Autor Adam Curtis schon vor über fünf Jahren ausführlich und mit einer Fülle von Interviews, Daten und Fakten recherchiert hatte, taten nun in Deutschland alle so, als hätten sie weder die BBC-Dokumentation gesehen, noch unsere Artikel dazu gelesen.
Vorne weg (oder sagen wir – unten drunter) bei den ängstlichen, geradezu panischen Hetztiraden gegen das Schirrmacher-Buch: die Verräter an allen ehemals klassischen linken, sozialistischen, sozialen, oder ganz einfach menschenfreundlichen Ideen, mithin Vertreter der heute etablierten Contralinken in Parteien, Gewerkschaften und allen anderen Organisationen, die dem internationalen Angriffskrieg des Totalen Kapitalismus in den letzten zwei Jahrzehnten gegen alle sozialen, zivilisatorischen und emanzipaorischen Errungenschaften nicht nur tatenlos zusahen, sondern aktiv beförderten und ihre Schäfchen unter solchen Topfdeckeln wie S.P.D., Die Linke, oder D.G.B. still, gefügsam und krachend verblödet hielten.
Warum taten das die etablierten Verräter der Contralinken? Weil sie selbst diesem Menschenbild der „Spieltheorie“ („game theory“) entsprechen und daran glauben.
Adam Curtis beschrieb schon 2007 in The Trap eine Gegenthese zu den jahrzehntelang angebeteten Modellen der Spieltheorie und ein ganz anderes Menschenbild und Erklärungsmuster für selbstsüchtiges, taktisches, egoistisches und antisoziales Verhalten. Die These der „Behavioral Economics“ (Verhaltensökonomie) besagt keinesfalls, dass der Mensch von Natur aus schlecht, ein etablierter Contralinker ohne Moral und Gewissen, ein Kollaborateur und Feigling vor der Autorität, ein Heuchler und Lügner ist, sondern dabei lediglich seinem Charakter folgt wenn er sich so verhält.
Der von S.P.D. und Bündnis 90 ab 1998 unter dem Stichwort „Agenda 2010“ und Gesetzen wie Hartz IV vollzogene, zielgerichtete Zerstörung von sozialer Gerechtigkeit, Gerechtigkeitsgefühl und gesellschaftlichem Zusammenhalt – zuerst in der Republik Deutschland und dann im Zuge eines nie gekannten totalen Kapitalismus, dem Euro-Kapitalismus, auf dem gesamten Kontinent – folgte den in den Bunkern des Pentagon in den 50ern entwickelten mathematischen Spieltheorie-Modelle. Die von Schröder und seinen damaligen Ministern wie Joschka Fischer und Jürgen Trittin propagierte „Neue Politische Ökonomie“ war in Wirklichkeit die ab Ende der 70er Jahre in Großbritannien unter Margaret Thatcher und später von Tony Blair umgesetzte und von extrem rechten und marktradikalen Denkern wie James M. Buchanan entwickelte “Public Choice”-Theorie. Diese wiederum basierte auf den spieltheoretischen Modellen, auf den Spielen von Mathematikern und Wissenschaftlern des U.S.-Militärs und ihrem bizarren, gespenstischen Bild des Menschen als einem ausschließlich von Selbstsucht und taktischem Verhalten getriebenen, fast roboterartigen Wesen.
Zur Adaption des marktradikalen und kapitalistischen Menschenbildes durch die „rot-grüne“ Schröder-Regierung dieser Artikel „Die Wirtschaftspolitik der ‘Neuen Mitte’ im Lichte von Public Choice- und Agenda-Theorie“ von Arne Heise aus dem Jahre 2003.
Und nun, bald zehn Jahre später, lese man sich dieses verwirrte Gesabbel von Joachim Petrick im „Freitag“ zu Frank Schirrmachers Buch „Ego:Das Spiel des Lebens“ durch. Oder diesen Artikel von Matthias Horx in der „Berliner Zeitung“, der beweist, dass Spieltheoretiker (oder sollen wir „player“ sagen?) nichts können außer von sich selbst auf andere zu schließen und die auch mit dem Begriff „Verschwörungstheoritker“ (übersetzt: Ketzer) genauso nackt, hässlich und gemein dastehen wie sie nun mal sind. Sie selbst, nicht die Menschheit, die sie versauen wollen. Oder diesen Artikel von Helmut Höge in der „Alten Welt“ (Name zum Schutz abgetakelter Parteizeitungen geändert), in dem sich dieser echauffiert, es habe doch da in 2012 mal eine Festschrift für den Wolfgang Pircher gegeben, da sei das schon auch irgendwie Thema gewesen:
“ Schirrmacher hat diese für sein Thema wichtige Aufsatzsammlung nicht erwähnt, warum weiß ich nicht, das läßt sich aber rauskriegen.“
DHAHAHAHA. Jaaa, Herr Höge, „recherchieren“ sie mal. Immer feste. Sie schaffen das. DHAHAHAHAA.
Ich habe in die teilweise Übersetzung der Filmreihe „The Trap“ einigermaßen viel Zeit und Arbeit investiert. Gelohnt hat es sich für mich.
Auch wenn heutzutage nur die Mehrheit der Bevölkerung noch verstehen wird, was ich mit „gelohnt“ meine; aber ganz bestimmt nicht der Abfall von „Entscheidern“, Kadern, Funktionären, Bossen und Bonzen, samt ihren elenden, verabscheuungswürdigen Dienern, die an der Aufgabe, das Volk nach ihrem eigenen kapitalistischen Menschenbild zu versauen, kläglich gescheitert sind.
Alle pseudopolitischen Partei-Saurier, Helfershelfer der Banken und des Kapitals, werden scheitern, da sie weiter Psychologie und Menschenbild des Kapitalismus folgen und nicht begreifen, dass sie damit gegen manche Menschen nie gewinnen werden.
(….)
Artikel zum Thema:
18.11.2012 BBC-Filmreihe “The Trap” (III): Die Freiheit von Berlin oder Der “Kampf der Zivilisationen”
„Unsere Regierung verlässt sich auf ein vereinfachtes, wirtschaftliches Modell von menschlichen Wesen. Es erlaubt der (sozialen) Ungleichheit zu wachsen und offeriert nichts Positives angesichts der reaktionären Kräfte, die sie geholfen hat weltweit zu erwecken. Wenn wir jemals dieser beschränkten Weltanschauung entkommen wollen, müssen wir die progressiven positiven Ideen der Freiheit wieder entdecken und erkennen, dass Isaiah Berlin sich geirrt hat: Nicht alle Versuche die Welt zu verbessern führen in die Tyrannei.”
29.10.2012 BBC-Filmreihe “The Trap” (II): Der einsame Roboter – der genetisch programmierte Homo Oeconomicus
Diese “Revolution” in Großbritannien wurde nach der gleichen Theorie umgesetzt, nach der bereits Majors 1979 ins Amt gekommene Vorgängerin Margaret Thatcher gehandelt hatte: der “public choice”-Theorie. In Deutschland kennt man diese Theorie unter anderem Namen: “Neue politische Ökonomie”. Im Mittelpunkt des Geschehens: der “Homo Oeconomicus”.
27.10.2012 BBC-Filmreihe “The Trap”: Wie Psychologie und Menschenbild des heutigen Kapitalismus erfunden wurden
Um durch die Verarbeitung und Zuordnung dieser Informationen potentielle Handlungen des Gegners voraussagen zu können, benutzte das Pentagon die Mitte der 40er Jahre entwickelte “game theory” (“Spieltheorie”): mathematische Modelle, nach denen das Verhalten von Kontrahenten während einer spielerischen Auseinandersetzung wie z.B. einem Pokerspiel analysiert, eingeordnet und prognostiziert werden sollte.