Dem Verfassungsgericht der Vereinigten Staaten von Amerika wurde die Grundsatzentscheidung zur rechtlichen Grundlage gleichgeschlechtlicher Ehen vorgelegt. Die ersten Anhörungen fanden dazu in den vergangenen Tagen statt.
Der Fall bietet die willkommene Gelegenheit, Antonin Scalia loszuwerden obwohl noch kein Urteil zur causa „Same-sex Marriage“ gefällt wurde. Auf den Richter als ausgemachten Sündenbock der Nation wurde sicher nicht zufällig die Treibjagd eröffnet, um ihn zum Rücktritt zu bewegen. Sämtliche Medien, angefangen von den etablierten bis zu den unabhängigen lassen sich vor den Karren derjenigen einspannen, die unaufhörlich die Bürgerrechte der U.S.A. aus den Angeln heben wollen. Zwei in diesem Jahr mit knapper Mehrheit gefällte Urteile gegen uferloses Ausspionieren von Bürgern durch Strafverfolgungsbehörden, die die Handschrift Scalias trugen, wurden bis auf eine Handvoll Bürgerrechtsplattformen völlig medial ignoriert.
Am 28.März 2013 veröffentlicht The New Yorker als Glosse die Entscheidung von Antonin Scalia, „mit sofortiger Wirkung“ vom Obersten Gerichtshof zurückzutreten und die Vereinigten Staaten für immer zu verlassen:
„Ich will nicht in einem kranken Land leben, das anscheinend auf eine Art und Weise zu leben gedenkt, die krank ist.“
Dem dienstältesten und konservativ-reaktionärem Richter des Obersten Gerichtshofs wurde in dem zugespitzten „Witzbeitrag“ in den Mund gelegt, dass er eine Flucht nach Kanada erwogen hatte, aber dort würde es „nicht nur die Ehe zwischen Homosexuellen sondern auch das nationale Gesundheitssystem geben, das fast genauso teuflisch ist“ und weiter schrieb der Autor, dass die Tatsache, dass die Nationen auf der ganzen Welt abweichend von der Norm in der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen wie Dominosteine umfallen, würde ihn (den Richter) nicht vom Verlassen der Vereinigten Staaten abhalten: „Es gibt viele andere Länder, die immer noch das Gefühl haben wie ich es habe. Ich werde in den Iran gehen, wenn es sein muss.“
Im Iran wurden in den vergangenen Jahren homosexuelle Männer durch den Strang zu Tode verurteilt, darunter befanden sich auch Jugendliche. Videos der Vollstreckung als abschreckendes Beispiel wurden in das Internet gestellt. Die Anspielung darauf ist nicht witzig auch wenn Pressefreiheit herrscht.
Dass er laut der Satire in der Zeitung seine Robe auf den Tisch knallte und seine Kollegen als Tiere bezeichnete, jeden von ihnen verdammt und zur Hölle wünscht zeigt die Stimmungsmache gegen den Richter.
Scalia ist der dienstälteste Richter und wurde vor über fünfundzwanzig Jahren von Ronald Reagan an das Supreme Court berufen.
In dem Artikel „Injustice Scalia Should Resign!“ vom 6.März 2013 wird seine unrühmliche Rolle bei der Präsidentenwahl im Jahr 2000 und zum aktuellen Voting Rights Act beschrieben.
Es gibt in einer sich entwickelnden Gesellschaft selten eine klare Unterscheidung in Schwarz und Weiss. Es gibt Fälle, in denen sich bestehende Gesetze als antiquiert erweisen – oder als letzter Schutz vor den bezahlten Handlangern der internationalen legalen Raubritter, die die Republik mit aller Macht in einen Polizeistaat transformieren.
So hat Antonin Scalia, der strikt gegen Änderungen der „Constitution“ ist und sich an die bestehenden Rechtstexte der Gründungsväter hält, mit seinem Konservatismus den Fall „Hamdan v. Rumsfeld“ massgeblich geprägt. Das Oberste Gericht urteilte, dass die U.S.-Regierung kein Recht hat, Sondergerichte in Form von „Militärkommissionen“ für ungesetzliche Kombattanten einzusetzen.
Ein weiteres Urteil unter dem Einfluss des kontroversen Richters ist die Verhinderung des Flaggenschändungsergänzungsartikels (flag burning amendment), was dazu führte, dass bis heute die U.S.-amerikanische Flagge als Ausdruck der freien Meinungsäusserung ohne Strafverfolgung verbrannt werden kann.
Vor zwei Monaten unterband er in dem Fall United States v. Antoine Jones, No. 10-1259 die Spionage durch GPS-Verfolgung ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl (Oberster Gerichtshof der USA zur heimlichen GPS-Ortung).
Erst vor sechs Tagen, am 26.März 2013 sorgte Antonin Scalia mit einem Urteilsspruch im Fall „Florida v. Jardines, 11-564“ (Court: Drug dog sniff is unconstitutional search) dafür, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht ohne einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss in die Häuser der Bürger eindringen können und stärkte so den 4. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Es war eine knappe Entscheidung, vier Richter stimmten gegen das Urteil, fünf dafür.
„Die Polizei kann nicht ohne einen Durchsuchungsbeschluss, der auf einen glaubwürdigen Grund besteht, auf dem Rasen oder im Garten herumhängen oder vielleicht in die Fenster des Hauses spähen um Beweise zu erhaschen. Und die Beamten hier hatten alle ihre Füsse auf dem Gelände – die Veranda ist das klassische Beispiel für einen Bereich, der eng mit dem Leben des Hauses verbunden ist… Wir denken, eine typische Person wäre „sehr beunruhigt“, dort einen Fremden mit oder ohne Hund beim Beobachten vorzufinden. Die Polizei kann bei abweichender Meinung auf dem Weg der Sammlung von Beweisen machen was sie will solange sie nicht vom grundsätzlichen Pfad abweicht, im Gebrauch der Baseball-Analogie, so lange sie sich auf dem Weg bewegt, der normalerweise verwendet wird, um sich einer Tür zu nähern, wie ein gepflasterter Weg. Von diesem Aussichtspunkt können sie vermutlich in das Haus mit einem Fernglas ohne Straflosigkeit spähen. Das ist nicht das Gesetz, das der Staat einräumt.“
Mit der weiteren Aushöhlung der Bürgerrechte verliert die gesamte Gesellschaft ihre Freiheiten, ihre Pluralität. Alle „anti-government“-Bewegungen werden schon jetzt beobachtet, infiltriert, zersetzt, benutzt – angefangen von Tierschutz-, Umweltschutzbewegungen, Friedensaktivisten, Künstlern, Demonstranten gegen soziale Ungerechtigkeiten und eben auch Gruppen für die Verteidigung der Rechte von Minderheiten wie Einwanderer und Homosexuelle.
Harte „Kotzbrocken“ wie ein Scalia werden in den Gerichten mit der Lupe zu suchen sein, die durchaus in Zukunft nicht unbedingt mit besseren Akteuren besetzt sein werden. Die reaktionärsten religiösen Fanatiker, die sich einen Dreck um verfassungsmässig geschützte Rechte scheren, sitzen in allen Startlöchern um die relevanten Posten zu bekleiden und ein finsteres Zeitalter einzuläuten.
Jede gleichgeschaltete Jagd in den Medien auf eine wenn auch umstrittene oder unsympathische Person sollte nach den Ursachen derselben hinterfragt werden.
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Quelle: http://www.newyorker.com/online/blogs/borowitzreport/2013/03/bitter-scalia-leaves-us.html