Bundesverfassungsgericht: Sitzblockierer weiter in „Antiterrordatei“, entspricht dem Grundgesetz

Die Verfassungsrichter von Karlsruhe überlassen Militär, Geheimdiensten und Polizei die Definition von „rechtswidriger Gewalt“ als Terrorismus.

Das Bundesverfassungsgericht hat heute, nach sechseinhalb Jahren, ein Urteil zur gemeinsamen und international angebundenen „Antiterrordatei“ von Militär, Spionen und Polizei gesprochen (nach zwei Stunden wurde das Urteil sogar ins Internet gestellt). Im “Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern”, beschlossen vom Parlament am 1. Dezember 2012, heisst es in § 2:

„Die beteiligten Behörden sind verpflichtet, bereits erhobene Daten nach § 3 Abs. 1 in der Antiterrordatei zu speichern, wenn sie gemäß den für sie geltenden Rechtsvorschriften über polizeiliche oder nachrichtendienstliche Erkenntnisse (Erkenntnisse) verfügen, aus denen sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Daten sich beziehen auf

1.
Personen, die

a)
einer terroristischen Vereinigung nach § 129a des Strafgesetzbuchs, die einen internationalen Bezug aufweist, oder einer terroristischen Vereinigung nach § 129a in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 1 des Strafgesetzbuchs mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland oder
b)
einer Gruppierung, die eine Vereinigung nach Buchstabe a unterstützt,

angehören oder diese unterstützen,
2.
Personen, die rechtswidrig Gewalt als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwenden oder eine solche Gewaltanwendung unterstützen, vorbereiten, befürworten oder durch ihre Tätigkeiten vorsätzlich hervorrufen“

In § 3 des Gesetzes werden umfangreichste Spionagemaßnahmen bzw „Datensammlungen“ gegen Personen verfügt, die

„nach § 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie zu Kontaktpersonen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie von der Planung oder Begehung einer in § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a genannten Straftat oder der Ausübung, Unterstützung oder Vorbereitung von rechtswidriger Gewalt im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 2 Kenntnis haben,

Das kann jeder Stuttgarter Klavierlehrer sein.

Dazu die Republikleerer des 1. Senats aus Karlsruhe in ihrem heutigen Urteil 1 BvR 1215/07 :

„Hinsichtlich der Begriffe der rechtswidrigen Gewalt und des vorsätzlichen Hervorrufens solcher Gewalt lässt sich eine Verfassungswidrigkeit wegen Stimmengleichheit im Senat nicht feststellen; nach Auffassung der vier Mitglieder des Senats, die die Entscheidung insoweit tragen (§ 15 Abs. 4 Satz 3 BVerfGG), ist die Verwendung dieser Merkmale mit dem Grundgesetz vereinbar, sofern den Merkmalen keine übermäßig weite Bedeutung beigelegt wird.“

Im Klartext: die Richter des 1. Senats haben hinsichtlich dieser Frage in einer Kampfabstimmung 4 : 4 entschieden. Da für die Erkennung von Verfassungswidrigkeit aber eine Stimmenmehrheit im Senat erforderlich ist, bleibt es dabei:

Grundsätzlich haben also laut dem Verfassungsgericht z.B. Spione und V-Leute des Verfassungsschutzes, Soldaten des M.A.D., Auslandsagenten des B.N.D., genauso wie Polizisten nicht nur das Recht, sondern die Pflicht nicht nur jeden Schotterer und Sitzblockierer in die „Antiterrordatei“ einzugeben und damit als „Terroristen“ zu brandmarken, sondern auch alle Personen die Schottern oder Sitzblockaden „unterstützen, vorbereiten oder davon Kenntnis besitzen“. Das können Abgeordnete, Anwälte, Eltern, Freunde oder alle Nichtparanoiden auf Facebook sein, an deren Pinnwand dann und da das und das schon mal gestanden hat.

Dass dies alles jetzt zwar den „Sicherheitsbehörden“ – dieser Sammelbegriff für Soldaten, Agenten bis hin zum Verkehrspolizisten zieht sich durch das gesamte Urteil – mit dem Segen des Bundesverfassungsgerichts legal ist, aber ganz bestimmt nicht umgesetzt wird, wissen die Richter von keinem anderen als den „Sicherheitsbehörden“ höchstselbst.

„Das Bundesverfassungsgericht hat verfassungsrechtlich unbeanstandet gelassen, dass die Strafgerichte im Zusammenhang mit dem Nötigungstatbestand (§ 240 StGB) bei der strafrechtlichen Beurteilung von Blockadeaktionen für die Bejahung einer Gewaltanwendung schon die körperliche Kraftentfaltung durch Anbringung von mit Personen verbundenen Metallketten an den Pfosten eines Einfahrtstors genügen ließen, weil die Ankettung der Demonstration eine über den psychischen Zwang hinausgehende Eignung gab, Dritten den Willen der Demonstranten aufzuzwingen (vgl. BVerfGE 104, 92 <102>). Laut Auskunft der Sicherheitsbehörden in der mündlichen Verhandlung wird das Merkmal rechtswidriger Gewalt in der Praxis jedoch enger verstanden.

Wieso eigentlich noch Gewaltenteilung, wenn sich sowieso alle so gut verstehen – ausgenommen mit dieser doofen Bevölkerung, natürlich?

Am Ende heben dann die Gewaltensammler von Karlsruhe § 2 Satz 1 Nr. 2 des „ATDG“ („Antiterrordateigesetzes“) doch noch auf. Aber nur wegen dem Begriff „befürworten“. Das wäre dann potentiell jedes via Raummikrofon (Handy) mitgehörte Kneipengespräch gewesen.

Weitere Aspekte des Urteils werden ggf noch beleuchtet.

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