Während die Vereinigten Staaten von Amerika die Kriegstrommeln schlagen wegen der atomar bestückten Langstreckenraketen Nordkoreas und des Iran – die diese gar nicht besitzen – bleibt Washington erstaunlich ruhig angesichts des Einstiegs des jüngsten Mitglieds in den Atomklub der Großen – Indien.
Im Januar enthüllte Delhi eine neue Rakete mit 800 km Reichweite, die von Unterseebooten aus abgeschossen wird, mit der Bezeichnung K-15. Zwölf dieser strategischen atomar bestückten Raketen werden auf dem ersten von einer Serie im eigenen Land gebauter atomar betriebener Unterseebote namens „Arihant“ stationiert. Indien arbeitet auch an einer weiteren von Unterseebooten abgefeuerten Rakete, der K-5, mit einer Reichweite von rund 2.800 km.
Diese neuen Atom-U-Boote und ihre Raketen werden Indien die Fähigkeit verleihen, viele hochwertige Ziele auf dem ganzen Erdball zu treffen. Gleichermaßen ist von Bedeutung, dass sie Indiens Triade von Atomwaffen komplettieren, die durch Flugzeuge, Raketen und jetzt zur See befördert werden, wo sie unverletzlich sein werden gegenüber einem vernichtenden Erstschlag entweder aus Pakistan oder China.
Letzten Februar wurde bekannt, dass Indien schnell eine neue dreistufige Langstreckenrakete, die Agni-VI, entwickelt. Es heißt, dass diese mächtige Rakete bis zu zehn unabhängig voneinander steuerbare Atomsprengköpfe (MIRVs) tragen kann.
Es wird angenommen, dass die Reichweite der Agni-VI mindestens 10.000 km beträgt, so dass China, Japan, Australien und Russland von ihr getroffen werden können. An einer neuen Rakete mit 15.000 km Reichweite, die Nordamerika treffen kann, wird im Rahmen des zivilen indischen Weltraumprogramms gearbeitet. Indien entwickelt auch präzise Marschflugkörper und miniaturisierte Atomsprengköpfe, die in deren geringen Durchmesser passen.
Mit diesen wichtigen strategischen Entwicklungen überholt Indien die Atommächte Frankreich, das Vereinigte Königreich, Nordkorea und Pakistan, und wird etwa über die gleiche Schlagkraft verfügen wie Israel und China und nicht zu weit hinter den Vereinigten Staaten von Amerika und Russland liegen.
Delhi sagt, dass es eine atomare Triade braucht wegen der wachsenden Bedrohung durch China, dessen konventionelle und atomare Kräfte gerade rapid modernisiert werden.
Ich habe über das Wettrüsten zwischen Indien und China seit den späten 1990ern berichtet. China hat Pakistan in seiner Rolle als hauptsächliche atomare Bedrohung Indiens ersetzt. Dennoch bleiben die atomaren Kräfte Indiens und Pakistans in einem besorgniserregenden Alarmzustand mit nur 3-5 Minuten Vorwarnzeit im Fall eines Angriffs, was die Waffenstillstands- bzw. Kontrollinie in Kaschmir zur gefährlichsten Grenze der Erde macht.
Die Bush-Administration begann in aller Stille Indiens Atomprogramm mit atomarem Treibstoff zu unterstützen, als spaltbares Material in Indien knapp war. Einiges an hochentwickelter Technologie aus den Vereinigten Staaten von Amerika und von Indiens zweitgrösstem Waffenlieferant Israel hat ebenfalls Delhis atomare und Raketenprogramme gefördert.
Wie ich vor Jahren nach einem seiner großen Atomtests schrieb, spürt Indien sein “nukleares Viagra.“ Die meisten Inder sind sehr stolz auf ihre strategischen Atomprogramme, die sie in den exklusiven Klub der großen Mächte bringen.
Allerdings freuen sich nicht alle Inder so darüber, vor allem die auf der Linken, die fragen, wie ihr Land, in dem ein Drittel der ärmsten Menschen der Welt leben, es sich leisten kann, zig Milliarden für hochentwickelte Waffen auszugeben, darunter Unterseeboote, Flugzeugträger und Langstreckenraketen.
Nach Angaben der Weltbank existieren 32,5% der Inder unter dem internationalen Armutsniveau von $1,25 am Tag, und 68,7% mit weniger als $2 am Tag. Hilfsorganisationen sagen, dass 33% der indischen Kinder unterernährt sind.
Delhi macht langsame Fortschritte bei der Reduzierung von Armut und Krankheiten und beim Versuch, das schädliche Kastensystem abzuschaffen, dass ein Viertel der Inder zu einem Leben im Elend zwingt.
Jetzt, so die Kritiker, ist keine Zeit, sich groß als Weltmacht aufzuspielen, während Mutter Indien noch immer auf Lehmfüssen steht.
Die Bush-Administration bemerkte überhaupt nicht, dass Indiens neu gewonnene Position als größere Atommmacht eines Tages die Vereinigten Staaten von Amerika herausfordern könnte. Bush & Co wollten Indien zu einem Konkurrenten Chinas aufbauen, das für die harte Rechte der Republikaner ein ständiger Feind ist. Die heutigen Republikaner denken ähnlich.
Indien ist eine große Demokratie, in der Politiker, nicht Generäle, die Politik bestimmen. Es ist ein zuverlässiger Freund der Vereinigten Staaten von Amerika, in denen jetzt mehr als eine Million Inder leben. Wird schon sein, aber wir haben gesehen, dass es in der Weltpolitik keine ständigen Freunde gibt, sondern nur ständige Interessen.
Eines Tages könnte Indien mit den Vereinigten Staaten von Amerika um Einfluss in Hinblick auf Erdöl aus dem Mittleren Osten und Zentralasien konkurrieren, sowie um die Kontrolle der lebenswichtigen Seerouten des Indischen Ozeans. Heute jedoch nicht, wo alle Augen auf dem Winzling Nordkorea und dem maroden Iran ruhen.
Orginalartikel THE NUCLEAR NEW-BOY WE SHOULD BE WATCHING IS INDIA 2013 vom 27. April 2013