Dokumentation „Project Cheonan Ship“ Militär blockt landesweite Aufführungen

Politischer Filmemacher aus Südkorea veröffentlicht brisanten Film um zum erneuten Nachdenken und Diskussionen anzuregen – der ungelöste Fall der „Cheonan“ holt die Regierung unerbittlich ein

Als ausgenutzter Spannungsfall des Untergangs der „Cheonan“, einem Kriegsschiff Südkoreas in eigenen Hoheitsgewässern, wurde vor drei Jahren ein Krieg auf der koreanischen Halbinsel provoziert und für den Wahlkampf in Seoul ausgeschlachtet. Sechsundvierzig Soldaten auf dem Kriegsschiff der südkoreanischen Marine mit einhundertundvier Mann Besatzung kamen damals ums Leben.

Eine Untersuchungskommission, zusammengesetzt aus prowestlich orientierten Staaten – Südkorea, U.S.A. mit den Anhängseln Kanada und Australien, Grossbritannien und Schweden – kam ohne Beweise zu dem Schluss, dass nur Nordkorea als Verursacher der Tragödie in Frage kommt.

Bis heute liegen die Untersuchungsberichte der Sprengstoffexperten aus Moskau auf Anordnung des damaligen Präsidenten Medwedew im Kreml im Tresor mit dem Vermerk „top secret“ (Russlands Trumpfkarte: Cheonan-Bericht unter geheimen Verschluss), die anschliessend unabhängig von der ersten Kommission von der südkoreanischen Regierung in Erwartung einer Bestätigung ins Land geholt wurden. Diese Hoffnungen wurden von den Russen enttäuscht (Russland kommt zu dem Schluss: Südkorea hat Kriegsschiff Cheonan selbst versenkt).

Nun teilte am 8.Mai 2013 das südkoreanische Verteidigungsministerium mit, dass über eine einstweilige Verfügung und davon unabhängig über den Weg der Verleumdungsklage der Familienangehörigen der ums Leben gekommenen Seeleute die Aufführung einer Dokumentation des Produzenten Chung Ji-young über das Unglück vom 26.März 2010 von der Regierung gerichtlich verboten werden soll.

Eine landesweite Ausstrahlung in den Kinos steht bis jetzt nicht auf dem Programm.

Der Dokumentarfilm „Project Cheonan Ship“ unter der Regie des unabhängigen Filmemacher Baek Seung-woo ist „irreführend, weil darin behauptet wird, dass die Cheonan als Folge einer Kollision oder durch Auflaufen sank und das könnte zu Verwirrung in der Öffentlichkeit führen. Es ist unsere Position, dass der Film nicht im Kino oder auf DVD-Format oder im Internet gezeigt werden darf“,

so ein Beamter des Verteidigungsministeriums.

Die Familien werden zu der Klage von der Regierung gedrängt und es wird ihnen juristische Unterstützung geboten um auf diesem Weg die Aufführungen zu verhindern:

„Es ist rechtlich nicht möglich, dass das Verteidigungsministerium und die Marine verleumdet werden können und es ist rechtlich unklar ob der Film den Verteidigungsminister und Chef der Navy persönlich diffamiert.“

Der Filmmacher Chung Ji-young (Jeong Ji-young) erklärte zu dieser Drohung:

„Wenn der Film offiziell nicht durch die Kinos verbreitet wird werde ich ihn auf diesem Weg veröffentlichen: Ich bin bereit, einen Vortragssaal oder eine öffentliche Halle zu mieten. Wenn jemand aufgrund einer einstweiligen Verfügung ein Verbot der Veröffentlichung erwirken sollte, werde ich ihn dennoch aufführen: Ich kann zwei, drei Jahre warten, bis die Gerichtsverfahren vorbei sind.“

Dank der Veranstalter eines Filmfestivals in Südkorea konnte trotzdem eine Premiere gefeiert werden.

Zum 14.Jeonju International Film Festival (JIFF), das vom 25.April bis 3.Mai 2013 stattfand, machte das Werk erwartungsgemäss die grössten Schlagzeilen, berichtete Hollywood Reporter. Die Uraufführung fand in einem lokalen Theater am 27. April 2013 statt (Foto auf Yonhap). Anschliessend erfolgte eine Diskussionsrunde mit dem Publikum. Chung Ji-young beantworte anschliessend auf die Frage eines Reporters zu dem sensationellem Interesse und kontroversen Meinungen: „I feel, is really worth it.“

„Im Gegensatz zu der Erwartung, dass dies eine argumentative und provokative Geschichte ist, erweckt das „Projekt Cheonan Schiff“ den Eindruck eines wissenschaftlichen Dokumentarfilms von einem Gelehrten wegen seiner konsequenten Ruhe und Analyse der Geschichte“,

sagte einer der JIFF-Geschäftsführer, Kim Youngjin, der für die Programmauswahl der eingereichten Beiträge zuständig ist.

Am 29.April 2013 veröffentlichte die Zeitung The Kyunghyang Shinmun ein Interview mit Chung Ji-young, der auch „Unbowed“ (ein Film über den Obersten Gerichtshof) drehte und im Jahr 2012 den Film „National Security“ produzierte, der auf den Memoiren von Kim Geun-tae, ein ehemaliger demokratischer Aktivist und Politiker und anderen Folteropfern basierte, die grausam von einem Polizeiinspektor im Jahr 1985 gequält wurden.

Chung Ji-young erinnerte daran, dass das Ziel seiner Dokumentation nicht Antworten zu geben ist sondern um ein Gefühl mit der Bevölkerung zu teilen:

„Als der Vorfall das erste Mal bekannt wurde spürte ich eine Menge Frustration darüber, wie er von der Regierung und den Medien behandelt wurde.“

Der Film „Project Cheonan Ship“ fasst verschiedene Verdachtsmomente in Bezug auf den Untergang dieses südkoreanischen Marineschiffs zusammen im Gegensatz zur Aussage der Regierung, dass die „Cheonan“ von einem Torpedo der nordkoreanischen Armee getroffen wurde. Er weist darauf hin, dass die allgemeine Stimmung in der Gesellschaft kritisch gegenüber der offiziellen Darstellung eingestellt ist.

Im letzten Teil des Dokumentarfilms wird gezeigt, dass Shin Sang-Cheol, einer der Experten der Untersuchungskommission der oppositionellen Demokratischen Partei, die am 30.April 2010 dass Schiff untersuchten, wegen Verleumdung von der Navy verklagt wurde, nachdem er öffentlich Bedenken gegen die Erklärung der Regierung zum Untergang zum Ausdruck gebracht hatte. Shin Sang-Cheol (Shin Sang-Chul) sagte vor drei Jahren zu seinen Ergebnissen:

„Ich konnte nicht das geringste Anzeichen einer Explosion feststellen. Die Matrosen sind durch Ertrinken gestorben. Ihre Körper waren unversehrt. Wir haben nicht einmal tote Fische im Meer gefunden“

und führte die Beschädigungen am Rumpf durch Aufsetzen auf ein Riff zurück:

„Es war das Äquivalent eines einfachen Verkehrsunfalls auf dem Meer“.

Unmittelbar darauf wurde Shin wegen „eingeschränkter Kompetenz, einem Mangel an Objektivität und wissenschaftlicher Logik sowie des bewussten Erzeugens von öffentlichen Misstrauens“ aus der Untersuchungsgruppe entfernt.

Der Film kritisiert, dass jeder, der eine Frage an die Regierung über die Beschreibung des Vorfalls aufwirft als Sympathisant des Nordens angesehen werden würde.

„Ein Zweifel ist ein Ausgangspunkt der Kommunikation, die in unserer Gesellschaft nicht exisistiert“,

so Chung Ji-young.

Der unabhängige Filmemacher Baek Seung-woo wurde von Chung Ji-young als Regisseur engagiert, der das Angebot sofort annahm, das „Project Cheonan Ship“ zu machen. Baek ging der Frage zu den Ursachen und anschliessenden Untersuchungsergebnissen intensiv nach und sagte, dass er während des gesamten Prozesses des Filmemachens einen starken Druck spürte:

„Von Anfang an war es eine grosse Belastung, da der Untergang der Cheonan ein Vorfall war, den jeder in Korea kennt aber nicht für jeden leicht verständlich ist. Ich wollte es möglichst auf die einfachste Weise erklären, aber je mehr ich recherchierte, desto schwieriger war es für mich. Ich machte einfach weiter, halb im Zweifel und halb im Glauben, dass ich Recht hatte.“

Mit dem Sperren der Dokumentation erreicht die Regierung wie stets in solchen Fällen das Gegenteil ihrer Vertuschungsaktion. Das Interesse der Öffentlichkeit wurde erheblich geweckt.

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Quellen:

http://www.hollywoodreporter.com/news/project-cheonan-ship-filmmakers-spill-448003

http://english.chosun.com/site/data/html_dir/2013/05/08/2013050801033.html

http://english.khan.co.kr/khan_art_view.html?code=710100&artid=201304291413397