Brief an Frau Anne Will
Sehr geehrte Frau Will,
gestern habe ich Ihre Sendung zum Thema „Allahs Krieger im Westen – wie gefährlich sind radikale Muslime“ gesehen und fühle mich als Forscher und Autor im Bereich des Völkerrechts und Terrorismus gezwungen, einige Zeilen an Sie zu richten. Ich komme aus einem jüdischen Elternhaus; meine Eltern stammen aus Deutschland und konnten sich Gott sei Dank vor dem Dritten Reich in Sicherheit bringen.
Ich selbst bin in Palästina geboren und kenne daher aus eigener Erfahrung eine gemischte Gesellschaft, in der Juden, Christen und Muslime friedlich zusammenlebten. Sensibel für Antisemitismus reagiere ich daher empfindlich auch auf die andere Seite dieser Medaille, die Islamophobie, und wenn heutzutage die Muslime verleumdet werden und Terrorismus mit dem Islam verknüpft wird. Schon im Titel Ihrer Sendung ist eine Schmähung des Islam erkennbar, denn völlig falsch ist es, von „Allahs Kriegern“ zu sprechen, denn Allah/Gott befehligt schließlich keine „Soldaten“, die Bundeswehr dagegen sehr viele. Solche sensationslüsternen Titel, die dem Feindbild „Islam“ Vorschub leisten, sollten Sie, liebe Frau Will, unterlassen.
Darüber hinaus möchte ich Ihnen eine ganz einfache Frage stellen: Wie viele deutsche Bürger kamen bis heute durch sog. „Allahs Krieger“ ums Leben? Sie müssen nicht lange suchen, Frau Will, denn die Zahl ist gleich null, und deshalb finden Sie auch nirgends eine Statistik. Auch weltweit ist Terrorismus, so schrecklich der Verlust von Menschenleben auch ist, eine völlig übertriebene Bedrohung, die dazu dient, die weltweiten Kriege zu rechtfertigen. Terror ist im Vergleich zum Krieg wie ein Nadelstich zu einer Verstümmelung. Jeden Tag sterben mehr Kinder weltweit an vermeidbaren Krankheiten, nur darüber redet keiner – denn davon fühlt sich die so aufgeklärte westliche „Werte“gemeinschaft nicht bedroht.
Dass es in Deutschland keinen „islamistischen Terrorismus“ gibt, liegt ganz einfach daran, dass Muslime, wie alle anderen auch, hier friedlich leben, lernen, arbeiten, eine Familie haben und das Leben genießen wollen. Auch jene, die über die deutsche Außenpolitik gegenüber arabischen Ländern sehr empört sind, gehen höchstens auf Demos oder unterschreiben Petitionen. Diese Binsenwahrheit sollten Sie einmal zur Sprache bringen, nämlich dass die Muslime hier in Deutschland eine sehr friedliche Minderheit darstellen, und dass die Behauptung, es bestünde hier eine terroristische Gefahr durch Muslime, einfach nicht stimmt. Muslime in Deutschland sind Opfer, keine Täter. Das muss gesagt werden. Als Jude muss ich heute die Würde der Muslime gegen Vorurteile schützen. Und das sollte jeder anständiger Mensch auch tun.
Mit freundlichen Grüßen,
Elias Davidsson