„Der typische S21-Politiker stellt sich dumm und blind für die Zukunft“

Die Rede von Parkschützer Matthias von Herrmann am 10. Juni 2013 auf der 175. Montagsdemo der Bürgerbewegung gegen das urbane Städtebauprogramm „Stuttgart 21“

Die Montagsdemo ist zurück am Bahnhof – zurück an unserem leider ziemlich ramponierten, aber trotzdem noch gut funktionierenden Kopfbahnhof und in unmittelbarer Nähe von Schlossgarten-Brache und Bahn-Murks. Dies alles ist ein Sinnbild für das Prinzip Stuttgart 21: Auf der Grundlage unglaublicher Versprechen und beliebig geschönter Zahlen wurden von der Politik und von der Bahn Entscheidungen getroffen, die mit der Realität nichts gemein haben. Die Wirklichkeit sieht anders aus, aber das will von den verantwortlichen Politikern und von den Entscheidungsträgern bei der Bahn keiner wissen. Sie verweigern es, die Realität wahrzunehmen!

All diejenigen jedoch, die 1 und 1 zusammenzählen und die geschönten Zahlen und absurden Versprechen kritisieren, werden verspottet und kriminalisiert. So funktioniert das Prinzip Stuttgart 21, hier genauso wie bei den Flughäfen in Frankfurt und Berlin, bei der Elbphilharmonie in Hamburg oder beim Gezi-Park in Istanbul.

Und selbst jetzt, da bei Stuttgart 21 horrende Mehrkosten und untragbare technische Mängel amtlich sind, leben die verantwortlichen Politiker in vollständiger Realitätsverweigerung. In ihrer Welt scheint es weder Konsequenzen noch Verantwortung zu geben. Der typische S21-Politiker stellt sich dumm und blind für die Zukunft – er ist ein echter Zukunftsverweigerer!

Das Motto der heutigen Demo lautet „Nix tun kann jeder, Herr Kretschmann“. Damit meinen wir: Wahlversprechen von „Politikwechsel“ braucht niemand, wenn am Ende nur die Politiker ausgewechselt werden; für uns gilt vielmehr: An ihren Taten werden wir die Politiker messen!

Für uns ist entscheidend, was die Grünen, Roten, Schwarzen tatsächlich tun – jetzt, in diesem Sommer, in den Monaten vor dem Wahltag! Uns interessiert, wie diejenigen, die jetzt im Amt sind, die politische Verantwortung nutzen, die ihnen von uns übertragen ist. Und ganz konkret: Wie geht eine grün-rote Regierung mit unserem Landeshaushalt um? Verweigert die Landesregierung auch hier die Realität?

Für den Landeshaushalt von Baden-Württemberg tragen Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein Finanzminister Nils Schmid die Verantwortung. Beide haben schon oft betont, das Land werde für S21 keine Mehrkosten übernehmen. Gut so. Andererseits geht die Bahn aber genau davon aus, dass Kretschmann und Schmid am Ende doch die Mehrkosten zahlen: Die Bahn interpretiert den Finanzierungsvertrag nämlich so, dass das Land sich an den Mehrkosten beteiligen muss, ob Herr Kretschmann will oder nicht.

Und beide Vertragspartner, Land und Bahn, handeln nach dem Prinzip Stuttgart 21: Jeder tut so, als wäre die jeweils eigene Interpretation die einzig denkbare, als wären alle Fragen geklärt, als gäbe es keine Unstimmigkeiten. Das enorme Kostenrisiko von weit über 2 Milliarden Euro Mehrkosten wird einfach ignoriert, nach dem Motto „die Mehrkosten fallen ja erst in ein paar Jahren an“, also wenn die heute Verantwortlichen längst ihre Abfindungen und Pensionen genießen.

Solch ein Verhalten nach dem Prinzip Stuttgart 21 dürfen wir den Herren nicht durchgehen lassen!

Verantwortliche Haushaltspolitik sieht anders aus Herr Schmid! Wenn Sie Ihre Verantwortung für den Landeshaushalt ernst nehmen, dann können und müssen Sie jetzt für Klarheit sorgen: Es ist höchste Zeit, dass die Landesregierung eine sogenannte negative Feststellungsklage bei Gericht einreicht.

Herr Kretschmann, Sie legen Wert darauf, dass das Land gegenüber der Bahn nicht erpressbar werden darf – das haben Sie immer wieder gesagt. Spätestens jetzt müssen Sie auch handeln, damit das Land wirklich nicht erpressbar wird. Der Landeshaushalt braucht Planungssicherheit. Dies bedeutet, dass wir eine juristisch verbindliche gerichtliche Klärung benötigen, wer die horrenden Mehrkosten für den Tunnelbahnhof tragen soll.
Eine Feststellungsklage dient also dazu, dass das Gericht feststellt, wie die Sprechklausel im S21-Finanzierungsvertrag zu interpretieren ist. Eine solche Klage schafft Rechtssicherheit und Planungssicherheit für den Landeshaushalt.

Unsere Forderung lautet also: Reichen Sie eine Feststellungsklage bei Gericht ein, Herr Kretschmann und Herr Schmid! Nur so kann die Landesregierung jetzt klären, ob das Land am Ende doch für S21-Mehrkosten in die Haftung genommen werden kann. Herr Finanzminister, Herr Ministerpräsident, wenn Sie Ihr Amt und Ihre Verantwortung ernst nehmen, dann müssen Sie jetzt für juristische Klarheit sorgen. Reichen Sie eine Feststellungsklage gegen die Bahn ein!

Wir als gesamte Bewegung gegen Stuttgart 21 werden die Landesregierung und die beiden Parteien Grüne und SPD so lange an diese Forderung erinnern und so lange öffentlich nachbohren, bis eine Feststellungsklage tatsächlich eingereicht ist. Und wenn wir während des gesamten anstehenden Wahlkampfes das Thema reiten müssen … denn wir machen Stuttgart 21 zum unbequemen Wahlkampfthema!

Oben bleiben!

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