U.S.-Texte über „Vereinigte Staaten von Europa“ aus dem 18. und 19. Jahrhundert
Vorbemerkung
Morgen, am 19. Juni des Jahres 2013, besucht der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Barack Obama, die Hauptstadt der Berliner Republik. In vielen Staaten auf den Kontinenten Europa, Afrika, Asien oder Amerika, ob Griechenland, Türkei, Brasilien oder Syrien, sind Krisen oder gar Krieg ausgebrochen. In den Staaten des „Alten Europa“, wie der damalige Verteidigungsminister der U.S.A. Donald Rumsfeld in 2003 Deutschland und Frankreich angesichts ihrer Weigerung sich an der zweiten Invasion in Asien zu beteiligen bezeichnete, werden seit wenigen Jahren urplötzlich Demokratie, Souveränität und Verfassung seitens Regierungen, etablierten Parteien und Bankern gemeinsam, koordiniert, offen und so dreist in Frage gestellt, als ob ein kollektiver Staatsstreich gegen Dutzende von Demokratien das Selbstverständlichste der Welt sei und dieses Vorhaben außerdem schon seit langem bekannt.
Nun, zumindest Letzterem kann nicht in Gänze widersprochen werden.
Diese Sammlung von Texten aus verschiedenen Jahrhunderten, mehrheitlich aus dem 19. Jahrhundert und geschrieben in den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch aus dem Vereinigten Königreich und Frankreich, soll und wird einen Eindruck davon vermitteln, wie sehr die Menschen des 21. Jahrhunderts immer noch betrogen werden. Nach Weltkriegen, Revolutionen, sowie Aufstieg und Zerfall all der Imperien allein im 20. Jahrhundert, hat sich im sogenannten „Westen“ der Staaten auf den Kontinenten Nordamerika, Europa und Teilen Asiens die herrschende Gesellschaftsstruktur im Kern genauso wenig verändert, wie die Lügen, die zu ihrer Aufrechterhaltung erzählt werden; ebenso wenig haben sich die vermeintlich großen Menschheitsentwürfe verändert, die den einfachen, oft uninformierten Menschen zur Ablenkung von ihrer täglichen Last durch die sie beherrschende und ausbeutende Nomenklatura verkauft werden.
Geschrieben für eine kleine, wohlhabende Klientel von Zeitungskäufern, fehlt nun diesen mehrheitlich im 19. Jahrhundert veröffentlichten Presseartikeln die im 21. Jahrhundert mittlerweile übliche Heuchelei und kodierte Tarnsprache der kontrollierten „Medien“. Weit vor der rasanten technologischen Entwicklung von Kommunikationsmitteln und informellen Produktionsmitteln, und weit entfernt von dem Bewusstsein einmal weit entfernt auf einem anderen Kontinent in Echtzeit mitgelesen zu werden, beschreiben diese Texte des 19. Jahrhunderts unverblümt das Projekt der „Vereinigten Staaten von Europa“ als das, was es heute ist.
Manch einen wird es dabei schaudern. Und angesichts der gespenstischen Parallelwelt von 19. und 21. Jahrhundert kalt den Rücken herunterlaufen.
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Es wird dem Militärkommandeur der Revolutionäre in den britischen Kolonien auf dem nördlichen Teil des Kontinents Amerika und späteren ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, George Washington (1732 – 1799), folgendes Zitat zugeschrieben.
„Ich bin ein Bürger der großartigsten Republik der Menschheit. Ich sehe die menschliche Rasse wie eine riesige, durch brüderliche Bande vereinte Familie. Wir haben das Saatgut der Freiheit gestreut, die, nach und nach, in der ganzen Welt aufgehen wird („spring up“). Eines Tages, nach dem Modell der Vereinigten Staaten von Amerika, werden die Vereinigten Staaten von Europa entstehen. Die Vereinigten Staaten werden für alle ihre Nationalitäten Gesetze erlassen.“
Laut dem langjährigen Redakteur der französischen Zeitung „Le Monde“, André Fontaine, schrieb George Washington diesen Text in einem Brief an Marquis de La Fayette, der auf der Seite der Kolonisten im u.s.-amerikanischen Unabhängigkeitskrieg kämpfte und anschließend eine nicht unerhebliche Rolle in der Französischen Revolution von 1789 spielte.
Fontaine verwendete das Zitat von Washington am 29. November 2001 in seinem Artikel „Lebewohl Vereinigte Staaten von Europa: Es lebe die Europäische Union!“. Obwohl nicht im 18. oder 19., sondern kurz nach Beginn des weltweiten Krieges am Anfang des 21. Jahrhunderts geschrieben, soll dem die Hutschnur bereits mit beiden Händen umklammernden Leser folgende Zeilen daraus nicht verborgen bleiben:
„Eine einzige Währung, eine kleine, aber separate Armee, das virtuelle Verschwinden von Grenzen, die stetige Ausdehnung der Kooperations-Bereiche; die Fusion von Banken und Industrie-Gruppen – nach und nach kommt Europa zusammen. Dies ist sicher kein romantischer Prozess. Aber die Tatsache, dass er mit so wenig Trara stattfindet, so wenig Wellen schlägt, könnte auch der Beweis sein, wenn es weitere Beweise benötigt, wie notwendig er ist.“
Anderthalb Jahrhunderte zuvor. 13. Mai 1848.
Nach der dritten französischen Revolution ist in Frankreich die Zweite Republik ausgerufen (diese wird nach kurzer Zeit einen, sogar für deutsche Verhältnisse, geradezu legendären Selbstmord hinlegen, indem sie sich per Volksabstimmung.wieder in ein Kaiserreich verwandelt). In fast allen Ländern Mitteleuropas erheben sich die Bevölkerungen gegen die feudalen Monarchien und Fürsten und fordern Republik, Demokratie, Unabhängigkeit.
In New York erscheint im Magazin „The Living Age“ der Artikel „The London Times praising America“. Im Artikel wird ausführlich das eigene föderale politische System der Staaten und ihrer Union gelobt, der Vereinigten Staaten von Amerika.
„Wenn ein ähnliches System von erlaubter Selbstverwaltung, in Unterordnung unter einen obersten legislativen Kopf, in der Lombardei und in Polen verfolgt worden wäre, glauben wir nicht, dass selbst der Umstand eines tyrannischen Monarchen als zentraler Kopf, in jedem Falle, die Unabhängigkeitserklärung hervorgerufen hätte die nun erfolgt ist. Die spanischen Monarchen hatten keine loyaleren Untertanen als die baskischen Provinzen; die Treue der Tiroler zu Österreich ist sprichwörtlich; denn erstere lebten praktisch unter dem Schatten ihrer eigenen fueros und den Letzteren hatte man nicht das altertümliche Grundgesetz geraubt. „
Hierzu eine kleine Erläuterung: Der Autor dieses am 13. Mai 1848 im New Yorker „The Living Age“ erschienenen Artikels verwendet hier tatsächlich das deutsche Wort „Grundgesetz“. Er bezieht sich damit auf Verträge im „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ (dessen Anspruch war „auferstandenes“ Reich und Nachfolger des untergegangen Römischen Reiches zu sein) wie dem Friedensabkommen von 1648 nach dem 30-jährigen (Religions-)Krieg. Die Grundgesetze im „Ersten Reich“, wie es später okkulte und faschistische Gruppen des 20. Jahrhunderts nannten, beinhalteten keine Rechte für dessen Untertanen, sondern regelten im Kern Auseinandersetzungen der feudalen und klerikalen Schichten im Kontext des schwachen „zentralen Kopfes“, des Kaisers. Eine Zentralmacht existierte nicht. (Nur ein Beispiel: Im 13. Jahrhundert stritten sich ein Fürst in Cornwall und ein König in Kastilien um die Ehre „deutsch-römischer Kaiser“ zu sein.)
„Das Reich“ war eine Ansammlung von selbstständigen, kleinen Gebieten, vielfach Städte, die alle mehr oder weniger feudal strukturiert waren, aber für ihre Untertanen einen entscheidenden Vorteil besaßen: die Möglichkeit durch einen einfachen Fußmarsch in ein anderes Gebiet zu flüchten, wenn man es sich mit den Autoritäten des vorhergehenden verscherzt hatte. Viel der über die Jahrhunderte innerhalb dieses Vielvölkergebildes (mit seiner quasi-religiösen Amtssprache Latein) entstanden Kunst und Kultur, auch die deutsche, ist diesem Umstand zu verdanken.
Mit dem Einmarsch des Kaisers von Frankreich, Napoleon, am 13. November 1805 in Wien und am 27. Oktober 1806 in Berlin zerfiel das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“, dessen einstige formale Ausdehnung gewisse „pro-europäische“ und reichsrömische Nostalgiker vielleicht als „Kern-Europa“ betiteln würden. (Die im Artikel erwähnte „Treue“ der Untertanen der Grafschaft Tirol zum Kaiserreich Österreich mag mit den Erfahrungen der Tiroler mit dem vom französischen Kaiser Napoleon zum König beförderten Kurfürsten von Bayern liegen und soll hier ebenfalls nicht weiter kommentiert werden.)
Als nun 13. Mai 1848 im New Yorker „The Living Age“ der zitierte Artikel „The London Times praising America“ erscheint, sind die Vereinigten Staaten von Amerika gerade einmal 72 Jahre alt, Unabhängigeitskrieg und Revolutionswirren inklusive. Auf dem Kontinent Europa ist das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ verschwunden. In dessen ebenfalls losen Nachfolgekonstrukt „Deutscher Bund“ sind, wie überall auf dem Kontinent, Revolutionen und Aufstände gegen die Fürsten, Bischofstümer, feudalen Herrscherfamilien und Monarchien, etc, pp, im Gange, im Kaiserreich Österreich-Ungarn, im Königreich Preussen (das seine Truppen am 18. März sogar zeitweise aus Berlin zurückziehen musste), im Großherzogtum Baden, usw, usw. Das ist der historische Hintergrund, vor dem nun der Artikel des New Yorker „Living Age“ bezüglich des beworbenen Prinzips einer „erlaubten Selbstverwaltung, in Unterordnung unter einen obersten legislativen Kopf“ der U.S.A. weiter fortfährt:
„Die Römer verstanden dieses Prinzip und ließen den Gemeinden ihres eigenen enormen Imperiums die volle Freude ihrer eigenen Institutionen und verwalteten deren Angelegenheiten. Das war der Grund für die erstaunliche Dauer ihrer Herrschaft und die allgemeine Zufriedenheit ihrer Untertanen. (..)
Wenn es irgendeine Wahrheit in diesen Spekulationen gibt, der Aufgabe die wir eher angedeutet als erklärt haben, wird der gute oder schlechte Erfolg der beispiellosen Bewegung, die derzeit in Europa vonstatten geht, in großem Maße davon abhängen, inwieweit die verschiedenen Nationen die darin engagiert sind Erfolg in der Versöhnung haben und die Prinzipien berücksichtigen die wir beschrieben haben – die von Selbstverwaltung, die wahre Pflege der Freiheit, und die von nationaler Einheit, dem besten Garanten von Frieden, Zivilisation und sozialem Fortschritt.
Es ist unmöglich im Vorfeld darzulegen, inwieweit in welchem Umfang es in jedem einzelnem Fall möglich sein wird das zu tun; aber die Tendenz des Versuchs, wenn auch unvollkommen entwickelt, geht in die richtige Richtung: die ideale Perfektion wäre ein Utopia,
´Wo die (Kriegs)Trommel nicht mehr geschlagen und die Schlachtfahne eingerollt wird, im Parlament der Menschheit, der Föderation der Welt.´“
Diese letzten Zeilen, im Original „Where the drum should throb no longer, and the battle flag be furled, In the parliament of man, the federation of the world“, entnimmt dieser Artikel aus 1848 dem sechs Jahre zuvor veröffentlichten Gedicht „Locksley Hall“ von Alfred Tennyson, Es gilt bis heute als Inspiration der Verfechter einer Weltregierung und beeinflusste den auf die Interaktion von Ökonomie und Krieg von Großmächten spezialisierten Strategen Paul Kennedy zu seinem anderthalb Jahrhunderte später, im Jahre 2006, in den U.S.A. erschienen Buch „The Parliament of Man: The Past, Present, and Future of the United Nations“ („Das Parlament der Menschheit: Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Vereinten Nationen“)
Der Artikel fährt fort:
„Angenommen, diese europäischen Nationen haben ihre Regierungen geklärt und dann als Ganzes eine föderale Union gebildet, in der Frieden und freier Handel perpetuiert sein sollten, wie sie es zwischen unseren Staaten sind. Und dann angenommen, die Vereinigten Staaten von Amerika würden eingeladen von den Vereinigten Staaten von Europa sich anzuschließen, nicht in politischer Beziehung, sondern auf der Basis von Frieden und freiem Handel. Wir wünschen unsere Leser auf solche eine Frage vorzubereiten. Es wird vielleicht nicht bald passieren, aber fast alle Christen glauben, dass eindeutig in der Bibel offenbart wurde dass es sich so begeben wird.
Dem Leser, mutmaßlich bereits einigermaßen konsterniert, ist diesbezüglich dennoch der Wikipedia-Eintrag zur „Vier-Reiche-Lehre“ empfohlen. Und der Suchbegriff „Daniel 9“. Bitte bringen Sie vorher Ihre Sitzlehnen in eine aufrechte Position.
Zum Abschluss dieser kleinen Textandacht aus der ehrenwerten Gesellschaft vergangener (und späterer) Jahrhunderte noch der 1899 erschienene Text „The United States of Europe“ von einem der seinerzeit prominentesten Journalisten des britischen Imperiums aus 1899: William Thomas Stead.
Die ganze Paneuropa-Prosa dieser erhabenen Lyrik, obgleich der Fülle geschuldet nur in mageren Auszügen präsentiert, soll durch ketzerische Anmerkungen nicht unterbrochen werden.
„Ich hatte das gute Glück vor zwei Jahren in Berlin zu sein. Eine großartige Hauptstadt ist immer eine großartige Inspiration. Und Berlin, mit seinen heroischen Assoziationen von vergangenen Kriegen, ist inspirierender als die meisten der jüngeren Städte der Welt. Aber was mich an diesem Besuch am Meisten beeindruckt hat, war das neue Gebäude des Reichstags,welches noch nicht fertiggestellt war als ich das letzte Mal in Deutschland war. Es war nicht das Gebäude selbst – obwohl es imposant ist, wenn auch ziemlich gedrungen („squat“), mit noblen Reiterstandbildern, kühn gen Himmel stehend – sondern das politische Faktum, welches es repräsentierte.Hier unter einem Dach, um dieselbe Tribüne, versammeln sich in friedlicher Debatte die Repräsentanten von genauso vielen Staaten, wie sie nun die Anarchie Europas bilden.
Es ist heutzutage Mode von Sprache zu sprechen, als wäre es ein Band, was enger ist als alle anderen. Aber der Glaube an die Einheit des Vaterlandes aufgrund seiner gemeinsamen Sprache ist fast ein Jahrhundert alt und lange nachdem Arndt die Idee in Verse gegossen hatte, bekämpfte der Deutsche den Deutschen mit der größten Gleichgültigkeit gegenüber der deutschen Sprache. Die intensive Individualität des Deutschen, seine Tendenz eine besondere Theorie des Universums nur für seinen eigenen Gebrauch aus dem eigenen Bewusstsein zu entwerfen, machte die deutschen Rassen zum unlenkbarsten Material für Imperium-Building („empire-building“) auf dem Kontinent. Sie bekämpften einander für die Liebe Gottes; sie kämpften für den Ehrenplatz; sie waren fähig einander für eine Theorie irregulärer Verben zu bekämpfen. Sie waren geteilt und unterteilt und wieder neu eingeteilt in Königreiche, Fürstentümer, Herzogtümer und alle Arten von kleineren Staaten. ..
Nicht einmal der konstante Druck ausländischer Gefahr war erfolgreich darin die zentrifugalen Tendenzen des deutschen Genius zu überwinden. Wieder und wieder hatten die weiseren Köpfe von ihnen mehr oder weniger aufwendige Pläne ersonnen um die deutsche Einheit sicherzustellen. Nach dem Fall Napoleons war das Beste was man tun konnte der Bund, der in seiner beratenden Tatenlosigkeit fast so provozierend war wie das europäische Konzert heute. Aber der Bund starb als die Schwerter gekreuzt wurden, um von den nord- und süddeutschen Bünden nachgefolgt zu werden, die wiederum ihrerseits verschwanden als die Siege über Frankreich es dem Preussischen König möglich machten sich im Palast von Versailles zum deutschen Imperator („emperor“, Kaiser) auszurufen. Seitdem ist das vereinigte Deutschland im Frieden gewesen. Deutschland ist eine Einheit geworden, und der Reichstag, obwohl schmerzlich abgelenkt durch die zellteilende / spalterische („fissiparous“) Tendenz des deutschen Parlamentarier-Menschen („the German parliamentary man“), ist das Parlament des vereinigten Imperiums gewesen.
Wie lang wird es dauern, fragte ich mich, als ich durch das Gebäude des Reichstags wanderte, bevor das vereinigte Europa sein Parlaments-Haus hat und die Europäische Föderation für sich ein Hauptquartier findet und eine lokale Unterkunft für eine permanente repräsentative Versammlung?
Was Deutschland getan hat, möge Europa tun.“
Wie wir alle wissen, fehlten in diesem wohlwollenden imperialistischen Vorschlag von 1899 zwei Silben, um ihn zu einer Prophezeihung zu machen: nämlich „es“ und „an-„. Bezeichnenderweise ging William Thomas Stead vorher 1912 mit der „Titanic“ unter.
Möge es in dem Bewusstsein, dass große Kraft auch große Verantwortung mit sich bringt, der zweiten Demokratie und der effektiv ersten Republik auf deutschem Boden anders ergehen.
Auf dass dieses 21. Jahrhundert in so guter Verfassung wird wie wir sind.