War die deutsche Gladio ein Baphomet? Teil IV
Spuren im MFS der DDR nach dem Buch von Tobias von Heymann „Die Oktoberfest-Bombe“.
Erste Vorbemerkung:
Nach meiner Meinung lügt Andreas Kramer, dass sich die Balken biegen und trotzdem bin ich der Meinung, dass seine Offenbarungen auf einen wahren Kern beruhen. Es macht wenig Sinn sich mit Andreas Kramer zu beschäftigen, viel sinnvoller ist es zu versuchen seinen Vater Johannes Kramer aufzuhellen. Zu diesem Zweck habe ich die Leser weit in die jüngste deutsche Geschichte zurückgeführt. Wer einen Mann, der zehn Jahre nach dem Oktoberfestanschlag pensioniert wurde, aufhellen will, der muss die Geschichte der Zeit verstehen, in der dieser Mann lebte und wirkte.
Der Schlüssel zur Aufklärung des Oktoberfestanschlages dürfte der Fall Heinz Lembke sein. Nur die Spuren seines Falles müssen richtig gelesen und gewertet werden. Der Schlüssel zum Verständnis der damaligen Vorgänge ist der faschistische Terror in Italien, welcher im Gegensatz zu dem in Deutschland – auch bezüglich seiner Strukturen – (teilweise) aufgehellt wurde.
Der Leser muss die damalige Gesinnung einiger Personen im BND verstehen lernen. Gerhard Wessel war 1980 Vergangenheit. Sein „kleiner Staatsstreich“ kann uns nur zeigen, wes Geistes Kind dieser ehemalige Nazi war. Er war der Boss, mit allen Freiheiten die so eine Stellung mit sich bringt. Doch wie dachten seine Untergebenen und was war damals im BND möglich und was nicht?
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Zu den „italienischen“ Spuren:
Der ehemalige Fremdenlegionär, Söldner und V-Mann des Bundeskriminalamtes Joachim Fiebelkorn war Leibwächter des in Bolivien lebenden ehemaligen BND-Mitarbeiters und Gründer des Technischen Dienstes, dem Vorläufer der SBO, Klaus Barbie, sowie enger Vertrauter des italienische Neofaschist und mutmaßlichen Terroristen Stefano delle Chiaie.
Laut Stasi Akten trafen sich am 13. Juli 1980 in Rom Karl-Heinz Hoffmann und Joachim Fiebelkorn, also wenige Tage vor dem Anschlag in Bologna und einige Wochen vor dem Oktoberfestanschlag.
Da wir nicht wissen, was die beiden Herren miteinander zu besprechen hatten, sollten wir diesen Fakt lediglich zur Kenntnis nehmen und verschwörerische Schlussfolgerungen vermeiden.
Fiebelkorn geriet später in den Verdacht am Anschlag in Bologna beteiligt zu sein. Er hatte (angeblich) ein Alibi, war an einem Staatsstreich in Bolivien beteiligt. Merkwürdig, schaue ich mir die zeitlichen Abläufe an, dann hatte er für mich kein wirklich belastbares Alibi.
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Zweite Vorbemerkung:
Die mutmaßliche Hierarchie des neofaschistischen Terrors.
Anders als in Deutschland waren die neofaschistischen Terroristen in Italien straff organisiert.
Der Cercle Violet war lediglich ein politischer Gesprächskreis, der angebliche politische Fehlentwicklungen aufzeichnete. Er – oder eines seiner Mitglieder – gab keine konkreten Anweisungen.
Diese kamen mutmaßlich von einer pseudo-Presseagentur in Lissabon, der Aginter Press, die selbst Staatsstreiche initiierte und in Italien von Stefano delle Chiaie vertreten wurde.
Die Loge P 2 war nach meiner Überzeugung lediglich ein ausführendes Organ, welches sich unter anderem der italienischen Gladio bediente.
Völlig anderer Meinung ist der ehemalige Ex-ND Agent Elio Ciolini.
Nach seiner Version wünschte der Großmeister der Loge P 2, Licio Gelli , auf der Tagung des „Exekutivkomitees der Freimaurer“ in Monte Carlo am 11.4. 1980 ein „Ablenkungsmanöver“. Mit der Ausführung dieses Ablenkungsmanövers sei Stefano Delle Chiaie beauftragt worden, in dessen Auftrag die Bombe von Joachim Fiebelkorn im Bahnhof von Bologna gelegt wurde..
Ich halte Ciolini für einen Desinformanten im Auftrag der Aginter Press, der Licio Gelli und die P 2 opferte, als es juristisch für Stefano delle Chiaie eng wurde, welcher 1987 festgenommen sich vor Gericht verantworten musste.
Sei es wie es ist. Elio Ciolini hat vermutlich ungewollt dem neofaschistischen Terror in Italien ein Ende bereitet. Die italienische Justiz war reformiert und machte vor nichts mehr halt, auch nicht vor einer Loge P 2, in der in Italien alle versammelt waren, die Rang, Namen und Geld hatten. Gladio oder die Chefs der italienischen Nachrichtendienste waren für diese reformierte Justiz kein wirkliches Problem mehr.
Noch etwas muss der Leser wissen.
In Italien darf ein Vorbestrafter noch nicht einmal Gemüse auf dem Markt verkaufen. Wer immer in Italien im Umgang mit Sprengstoff ausgebildet werden will, bedurfte einer besonderen Genehmigung. Auch Soldaten, Offiziere oder ND-Agenten. Neofaschisten, welche wegen Gewalttätigkeiten vorbestraft waren oder auch nur im Verdacht einer strafbaren Handlung standen, bekamen diese Erlaubnis nicht.
Ohne Erlaubnis gab es keine Sabotageausbildung, auch nicht für Angehörigen der Gladio, es sei denn, der Ausbilder wollte unbedingt ins Gefängnis.
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Am Freitag, den 12. Dezember 1969 um 16:37 Uhr explodierte in der Banca Nazionale dell‘Agricoltura (Landwirtschaftsbank) an der Piazza Fontana in Mailand eine Bombe, tötete 17 Personen und verletzte 88.
Der erste Verdacht fiel auf die Südtiroler Separatisten, weshalb die Polizei alle deutsch sprechenden Personen im Bereich der Piazza Fontana und des Doms einsammelte.
Darunter auch Touristen. Sie alle hatten ihren Personalausweis oder ihren Reisepass nicht dabei, weil dieses Dokument von den Hotels einbehalten und erst mit Zahlung der Rechnung wieder ausgehändigt wird. Unter den Festgenommenen befand sich auch einer meiner Freunde.
32 dieser deutsch sprechenden Festgenommen landeten in zwei großen Gemeinschaftszellen des Polizeipräsidiums. Diese Zellen wurden mir wie folgt beschrieben:
„In der Ecke lag etwas Stroh. Pritschen gab es nicht. Lediglich drei oder vier Stühle, mit einem Drahtgeflecht als Sitzfläche. Ich erspare mir Einzelheiten zur sanitären Einrichtung und dem Essen. Lediglich eine lustige Episode in diesem juristischen und menschlichem Trauerspiel. Einmal in der Woche gab es rohe Eier. Diese brieten sich die Gefangenen auf dem Drahtgeflecht der Stühle.“
Keiner von ihnen wurde zur Sache vernommen oder einem Richter vorgeführt. Nach etwa 14 Tagen kam ein deutsch sprechender Priester und danach ging alles sehr schnell. Die Gefangenen wurden auf freien Fuß gesetzt und erhielten ein kleines Kärtchen auf dem (wörtlich übersetzt) zu lesen war: „Folge der Straße“.
Dies ist ein Landesverweis, verbunden mit einer vierjährigen Einreisesperre.
Der Ärger für die Freigelassenen begann im Hotel. Meist waren Gepäck und Wertsachen verschwunden oder nicht mehr auffindbar. Das hinderte die Hotels nicht den Zimmerpreis für die gesamte, gebuchte Zeit zu verlangen.
Die deutschen Inhaftierten waren vergessen worden, da der Verdacht gegen die Südtiroler Separatisten schnell fallen gelassen wurde. Die Spur führte zu dem Neofaschisten Stefano delle Chiaie.
Die unmittelbaren Täter wurden gefasst und rechtskräftig verurteilt. Bei Stefano delle Chiaie reichte es nur zu einer Verurteilung 1. Instanz. Seine Berufung ist immer noch offen, weshalb er nach wie vor ein freier Mann ist.
Dieses skandalöse, polizeiliche Vorgehen, in Italien zur damaliger Zeit durchaus üblich, veranlasste mich an dem Fall dran zu bleiben, weshalb ich glaube, über diesen Fall besser informiert zu sein, als das MfS.
Die Leser werden meine Verwunderung verstehen, als ich bei Heymann lesen musste, dass laut Stasi Unterlagen die festgenommenen, neofaschistischen Bombenleger ausgesagt hätten, dass sie gute Beziehungen zu einer Einheit der deutschen Bundeswehr unterhielten.
Dies sagten sie nach meiner Erinnerung nicht aus. Sie behaupteten, dass sie von Offizieren der Bundeswehr auf einem Truppenübungsplatz in Sachen Sabotage ausgebildet wurden. Eine entsprechende Anfrage der italienischen Justiz an die deutschen Behörden leitete die damalige italienische Regierung entweder nicht weiter oder diese wurde von der Bundesregierung blockiert. Ich weiß es heute nicht mehr.
Stefano delle Chiaie hatte Beschützer und auf deren Dienstausweisen standen fast alle Namen der nationalen Nachrichtendienste der NATO. Er war kein kleiner Befehlsempfänger, wie die Bosse der Loge P 2 und wurde selbst im Bonner Verteidigungsministerium empfangen, nach einem Besuch in einer Panzerfabrik, wo er den neuen – noch streng geheimen Leopard I besichtigen durfte, um danach die Heeresoffiziersschule zu besuchen.
Stefano delle Chiaie war der Pate der Schatten SBO, die unter anderem von Lisabon aus geleitet wurde, von einer Pseudo-Presse-Agentur, der Aginter Press, welche von ihm und dem Gründungsmitglied der OAS, Yves Guérin-Sérac, unter dem Schutz des damaligen portugiesischen Diktators Oliveira Salazar, gegründet wurde.
Damals gab sich Aginter Press noch mit kleinen Anschlägen zufrieden. 11 Jahre später initiierte sie schon Staatsstreiche und verfügte über ein weltweites Netz von verdeckten Residenturen. Der italienische Senator Giovanni Pellegrino schrieb in seinen Untersuchungsbericht:
“ … Aginter Presse war in Wirklichkeit … ein Informationszentrum direkt an der CIA und dem portugiesischen Geheimdienst … spezialisiert auf provokative Operationen. …“
Wie das ARD Fernsehmagazin Kennzeichen D aufdeckte, wurde Aginter Press unter anderem von FJS bzw. der CSU nahen Hanns-Seidel-Stiftung finanziell mit Bargeld unterstützt.
Die Kontakte zwischen der Terrororganisation und FJS vermittelten der geschäftsführende Herausgeber des Bayernkuriers Marcel Hepp und Joachim Schilling, der Leiter des römischen Büros der Seidel-Stiftung, glaube ich diesem Fernsehbericht.
Ein Mann aus der unmittelbaren Umgebung von FJS (Dieter Huber) fungierte als Geldbote, wenn der Chef das Geld nicht persönlich überbrachte, gegen Empfangsquittung. Dies bedeute, dass FJS abrechnen musste.
Bei wem?
Kennzeichen D nannte den BND als Geldquelle. Gut möglich, die Gelder für internationale Subversion kamen von der CIA und nicht aus dem Bundeshaushalt.
Ich bin trotzdem etwas anderer Meinung, in welcher mich sogar die MfS Unterlagen bestätigen. Vor FJS und der Hanns-Seidel-Stiftung kamen Gelder mutmaßlich von der Münchener Burschenschaft „Danubia“.
Die Danubia im feinen Bogenhausen, welche der bayerische Verfassungsschutz als „rechtsextremistische Organisation“ bezeichnet, hat nicht nur eine rechtsgerichtete Aktivitas, sondern auch „Alte Herren“, die es unter anderem im BND weit gebracht haben.
Einige dieser „Alten Herren“ dieser Burschenschaft wurden mir sehr häufig genannt, wenn ich nach jenen Geldern des Technischen Dienstes forschte, die der Beschlagnahme des Vereinsverbotsverfahren entgingen.
Aus den wenigen Millionen DM des Jahres 1952 waren Anfangs der Achtziger ein Vermögen von geschätzten 120 Millionen DM geworden.
Schon möglich, dass FJS das Geld, welches er in Italien übergab, von einem BND Mitarbeiter erhielt. Ich unterstelle, dass dieser bei der Geldübergabe nicht den BND vertrat, sondern die Kassenwarte vorstehender Vermögensmasse.
Trotzdem gehe ich nachfolgend von der Theorie des ARD Magazins „Kennzeichen D“ aus und frage:
Unterstellt, die Vermutung von Kennzeichen D ist richtig, brauchen wir dann wirklich auch noch Beweise dafür, dass der Verdacht der Ausbildung von italienischen Neofaschisten als Saboteure durch den BND nicht abwegig ist?
Aus den MfS Unterlagen ergeben sich weitere Spuren, nach denen neofaschistische Terroristen angeblich in Deutschland – genauer in der Nähe von München – und von Deutschen auf Sardinien ausgebildet wurden. Es ist wohl reiner Zufall, dass der BND in München Pullach residiert und auf Sardinien bei Sassiri eine Residentur unterhält, in der Nähe eines NATO Truppenübungsplatzes.
Allerdings ist in unmittelbarer Nähe auch ein Ausbildungszentrum der NATO für Spezialkräfte, in dem der BND nicht das Sagen hatte.
Ach ja, Stefano delle Chiaie tauchte einige Zeit in Spanien unter, wo ihn Franco vor einer Auslieferung bewahrte. 1975 starb der Diktator. Spanien wurde zur Demokratie und Chiaie flüchtete nach Südamerika. Die spanische Polizei fand Waffenlager in der Art, wie sie auch bei einem Heinz Lembke gefunden wurden. D.h. Waffen und Sprengstoff in Kisten und nicht in speziellen Behältnissen, wie bei der SBO üblich, vergraben.
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Bevor ich mit Hilfe der bei der BStU gefundenen Unterlagen auf den Fall Heinz Lembke eingehe, eine kurze Nachhilfe in Sachen SBO Depots.
Ganser behauptete, dass Lembkes Depots in etwa denen der SBO glichen. Zu dieser Schlussfolgerung kam er auf Grund der in den Depots gefundenen Waffen.
Diese Schlussfolgerung ist Unfug. In einem Waffendepot befinden sich nun einmal Waffen, Sprengstoff und militärisches Gerät.
SBO Depots in Deutschland waren eindeutig auf Grund ihrer Lage und auf Grund der Art wie sie angelegt waren, als solche zu identifizieren.
Um dies dem Leser deutlicher zu machen: Eine vergrabene Kiste muss in der Regel ausgebuddelt werden, wenn einer an ihren Inhalt will. SBO Depots waren sehr tief vergraben. Wollte eine Quelle an den Inhalt, grub sie bis zum Deckel, nahm diesen ab und entnahm dem Depot das Gewünschte. Deckel wieder drauf. Loch zu – fertig. Dieses Depot musste im Falle eines Krieges auch von einem Dritten gefunden werden und dies ging damals – ohne GPS – nur, wenn die Stelle eindeutig beschrieben werden konnte.
Jede SBO Quelle hatte ein persönliches Depot, das vom Verbindungsführer und dessen Vorgesetzten in regelmäßigen Abständen – wenn auch sehr oberflächlich – kontrolliert wurde.
Daneben gab es zentrale Depots, deren Lage nur dem Verbindungsführer und etwa bis 1975 auch einem Depotverwalter (einer Quelle) bekannt waren.
Heinz Lembkes Depots waren keine SBO Depots, wenn auch Daniele Ganser das Gegenteil behauptet.
Auch die in den Siebzigern vom MfS aufgefangenen Funksprüche, welche erst einige Jahre später entschlüsselt werden konnten, widerlegen meine Behauptung nicht.
In diesen Funksprüchen wurden die Agenten (Quellen) der Gruppe 27 aufgefordert Depots anzulegen.
Dies ist reines Funkmanöver-Geschwätz, denn ein angelegtes Depot hatte jede Quelle noch vor ihrer ersten Schulung.
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Trotzdem ist der Fall Lembke viel interessanter, als sich dies die meisten Leser vorstellen können.
Sie sollten sich nur von einem weiteren Unfug gedanklich befreien, der darin besteht, das immer wieder behauptet wird: „… der Verdächtige war Mitglied der XY Gruppe…“
Bullshit, mehr nicht.
Für Rechtsradikale bedeuten die Organisation der sie angehören sehr wenig. Wichtig ist allein die Ideologie und die Zielsetzung. Dies gilt insbesondere für rechtsradikale, terroristische Organisationen.
Ein Musterbeispiel ist Stefano delle Chiaie, der wechselte seine eingesetzten „Hilfsorganisationen“ wie andere Leute ihre Hemden.
Ausgerechnet die Unterlagen des MfS machen uns klar, wie hoch der Grad der Vernetzung unter den rechtsradikalen Organisationen war, trotz aller Rivalität und Konkurrenz.
Allein die Wehrsportgruppe Hoffmann unterhielt nach diesen Unterlagen Kontakte zu über 80 anderen, rechtsradikalen Organisationen im In- und Ausland.
Es ist also unwichtig, welcher Organisation ein rechter Terrorist angehörte. Das Verbindende war/ist die Gesinnung und die Zielsetzung. Mit anderen Worten, ein Rechtsradikaler hat keine Probleme mit einer staatlichen Organisation, wenn deren Zielsetzung mit der seinigen identisch ist, zusammen zu arbeiten. Noch heute wird dieses Wissen beim Anwerben von V-Leuten benutzt und damit die V-Leute dies auch glauben, hilft der Gesinnungsgenosse im Staatsdienst, wenn Hilfe notwendig ist. Auf diese Art werden ganze rechtsradikale Organisationen staatlich alimentiert.
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Heinz Lembke und der BND – eine spekulative Theorie:
Unterstellt. der zitierte Bericht von Kennzeichen D ist richtig und unterstellt die MfS Unterlagen lügen nicht, dann kann meines Erachtens folgendes unterstellt werden:
Wo es eine Abteilung gibt, die terroristische Subversion Rechtsradikaler verdeckt finanziert, wo ausländische Terroristen als Saboteure ausgebildet werden, dort finden sich auch unschwer Schreibtische von Rechtsradikalen, zumal diese Bundesbehörde mit Ehre aus der Organisation Gehlen hervorging, deren erster Chef und deren späterer Präsident Gerhard Wessel ihr Handwerk im Heeresnachrichtendienst „Fremde Heere Ost“ lernten und in der ein Massenmörder wie Klaus Barbie viele Jahre auf der Mitarbeiterliste stand.
Während in Bologna und München die Bomben hochgingen, initiierten Klaus Barbie und Stefano delle Chiaie einen erfolgreichen Putsch in Bolivien, zusammen mit Agenten der DINA, des Nachrichtendienstes des Augusto Pinochet und der Alianza Anticomunista Argentina, die 70 Agenten entsandte, darunter Pierluigi Pagliai, einen Italiener, den selbst die CIA als „Folterer“ bezeichnet und der in Italien im Verdacht steht am Bologna Anschlag beteiligt zu sein.
Die Präsidentin des Landes beabsichtigte das Amt dem Wahlsieger, einem linksliberalen Politiker, zu übergeben. Dies reichte als Grund für den Putsch.
Der Leser sieht an diesem kleinen Exkurs: Klaus Barbie hat auch ohne Technischen Dienstes und BND Karriere gemacht.
In Deutschland kommandierte er noch etwa 2.000 SBO Agenten, meist ehemalige Angehörige der SS und der Waffen SS, bevor 1952 die Frankfurter Polizei kam. Nun initiierte er schon Staatsstreiche.
„Okay, Jungs, das war es, geht nach Hause und seit brav“, waren bestimmt nicht die Abschiedsworte, die seine SBO Agenten zu hören bekamen.
Sie machten weiter, nun unter anderen Bezeichnungen oder versuchten als „Geschäftsleute“ aus ihrem im Technischen Dienst erworbenen Wissen Kapital zu schlagen.
In dieser Situation wäre es doch Verantwortungslos, wenn Klaus Barbies ehemaliger Haufen sich selbst überlassen bliebe, oder?
Desaktivierte Strukturen benötigen einer gewissen Nachsorge, damit nicht einzelne Cowboys Dummheiten machen und zudem sind dies ja alles ganz ordentliche Jungs, die man vielleicht im Kampf gegen die kommunistische Gefahr noch brauchen kann.
Der größte Teil der Ausrüstung dieser 2.000 Mannen war eingezogen worden, doch es fehlten noch erhebliche Teile der militärischen Ausrüstung. Auch um deren Verbleib musste sich einer kümmern.
Bis zu diesem Punkt sind dies alles noch völlig normale Gedankengänge der Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes, der für die Abwicklung eines solchen „Haufens“ die Verantwortung übernommen hatte.
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Doch dann kam ein Willy Brandt und mit ihm eine neue Ostpolitik, deren Ziel die Entspannung war. Dies bedeutete Gefahr für den eigenen Arbeitsplatz, denn der BND ist ein Kind des Kalten Krieges.
Diese neue Politik roch daher für einige im BND nach Verrat und nach Arbeitsplatzverlust. Keiner musste damals in den BND gehen, um zu hören:
„Man müsse sich doch nur die Langhaardackel der APO (Außerparlamentarische Opposition), diese Brandstifter der Baader Meinhof Bande und diese Kriminellen der autonomen Gruppen/ Zellen anschauen, sowie die Namen die sie sich geben. Rote Armee Fraktion, Kommando … Die suchen den bewaffneten Konflikt und für diesen müssen wir gerüstet sein und dürfen uns nicht alleine auf diese sozialliberale Regierung verlassen. …“
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Gedanklich sind wir nun bei dem, was wohl tatsächlich passierte.
Heinz Lembke glaubte bis kurz vor seinem Suizid, dass er ordentlicher Depotverwalter der SBO ist.
Für diese Theorie gibt es viele Indizien. Das wichtigste lieferte uns das MfS, mit seiner Funkortung. Danach befand sich eine Sende-Empfangseinheit bei den aufgefangenen Funksprüche an die Gruppe 27 in unmittelbarer Nähe von Lembkes Haus.
Das zweite wichtige Indiz finden wir in der Fähigkeit des MfS teile dieses Funkverkehrs zu entschlüsseln.
Jede SBO Gruppe und davon gab es einmal 75, verschlüsselte anders. Nur bei der Gruppe 2 (Mittler Neckarraum) und der Gruppe 27 (Lüneburger Heide) wurden – angeblich, irrtümlich – die gleichen Kodierungsunterlagen ausgegeben, was die Entschlüsselung durch das MfS ermöglichte.
Lachen darf ich doch, oder?
Dieser angebliche Irrtum ist schlichter Unfug. Nur was will einer im BND machen, der eigene Wege geht, wenn man einen SBO Agenten führt, der gar kein SBO Agent ist und der so gerne mitfunken will?
Heinz Lembke bekam als angebliche Gruppe 27 vermutlich die Kodierungsunterlagen der im fernen Schwabenland stationierten Gruppe 2. Damit wurden gleich zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen.
Lembke war zufrieden und die reguläre SBO Gruppe 27 hatte keine Chance den Funkverkehr mit der „Schatten 27“ zu verstehen.
Diese Theorie macht sogar die blödsinnige Anweisung – Depots anzulegen – verständlich. Entweder als Witz (unter Freunden) oder als Mitteilung: „Es kommt weiterer Nachschub. Buddle mal vorsorglich Löcher.“
Diese Theorie gibt einen Hinweis auf den mutmaßlichen Täter, denn dieser war entweder ganz oben in der BND Hierarchie angesiedelt, da er Zugriff auf die Kodierunterlagen zweier Gruppen haben musste oder aber er war eine Zeitlang Verbindungsführer/Ausbilder der SBO Quellen der Gruppe 2.
Dies ist noch lange nicht das Ende der Indizienkette.
Ehemalige Agenten, besonders wenn sie Schläfer waren, bergen große Nachteile. Erscheint bei ihnen Jahre später eine Person und sagt: „Ich bin vom BND, es geht weiter“, dann werden sie, mit der richtigen politischen Gesinnung, nicht fragen, sondern den Weisungen des angeblichen BND Mannes folgen.
Auf diese Weise wurden schon ganze Agentennetze übernommen. Etwas fachliches Blah-Blah, etwas internes Wissen, genügen völlig, um den Dienstausweis zu ersetzen.
Es gibt im Fall von Heinz Lembke einige Indizien, dass er genau in diese oben beschriebene Situation geriet.
Das wichtigste Indiz ist die Masse an Waffen und Sprengstoff die er deponierte. Rechnen wir noch die später gefundenen Depots von Peter N. teilweise hinzu, einem ehemaligen NPD Bundesvorsitzenden, dann erscheint die Schlussfolgerung zulässig, dass Lembkes Waffen und Sprengstoffvorräte jene Bestände waren, die beim Technischen Dienst nicht mehr aufgefunden werden konnten.
Wo immer diese Restbestände lagerten, sie kamen nicht von selbst zu Herrn Lembke. Irgend eine Person hatte sie gesucht und gefunden und zu Herrn Lembke gebracht.
Vermutlich hat Heinz Lembke diese Waffen viele Jahre verwaltet, ohne dass einer seine Depots kontrollierte und dies brachte ihn auf die Idee, den Gesinnungsgenossen auszuhelfen.
Unmittelbar nach dem Oktoberfestanschlag sagten die Zeugen Raymund Hörnle und Sibylle Vorderbrügge aus, dass ihnen ein Gesinnungsgenosse mit Namen Heinz Lembke, ein Förster, Waffen, Munition und Sprengstoff angeboten und von Waffendepots erzählt habe. Die beiden Zeugen waren mit Gundolf Köhler befreundet.
Erst als Lembkes Depot gefunden wurden, interessiert sich die Strafverfolgungsbehörde für diese Aussage. Merkwürdig, illegaler Besitz von Waffen und Sprengstoff ist strafbar. Die Aussage der Zeugen macht deutlich, dass Waffen und Sprengstoff angeboten wurde, was den Tatbestand des Handelns erfüllt. Wer immer es unterlassen hat zu ermitteln, hat sich der Strafvereitelung strafbar gemacht, es sei denn, ein netter Herr vom Verfassungsschutz, BND oder einer anderen Behörde hätte solche Ermittlungen verhindert.
Heinz Lembke hat in der Untersuchungshaft lange Zeit jegliche Kooperation mit den Ermittlungsbehörden abgelehnt, gerade so, als habe er von diesen nichts zu befürchten. Erst im Oktober 1981 ändert er seine Meinung und kündigt an, zu beabsichtigen „umfangreiche Aussagen über seine Hintermänner zu machen“. In der Nacht vom 1. zum 2.11.1981 erhängt er sich mit einem Kabel in seiner Zelle unter Zurücklassung eines handgeschriebenen Abschiedsbriefes. Am 2.11. sollte er vernommen werden.
Betrachten wir uns dieses Verhalten genauer.
Erst eine – „ihr könnt mich“ Haltung – dann ein überdeutliches Signal zur Kooperation und kurz vor dem Schwur ein Suizid.
Es ist das typische Verhalten einer Person, die davon ausgeht, dass sie keine Probleme zu erwarten hat, gerade so, als käme demnächst der große Bruder, der den Spuk beendet.
„Im Falle einer Festnahme Nerven bewahren und den Mund halten, wir holen euch raus“, bläuen die Ausbilder in den Nachrichtendiensten jungen Agenten ein, bevor diese zum ersten Mal einen brisanten Auftrag erledigen.
Diese junge Agenten haben die gleiche – „ihr könnt mich“ Haltung – nach einer Festnahme.
Doch die Retter kommen nicht. Die Ungeduld wächst und dann wird Druck gemacht, man signalisiert überdeutlich seine Kooperation in der Hoffnung: „Nun müssen sie mich aber herausholen.“
Doch sie kommen nicht. Es kommt bei dem Festgenommen zum psychischen Zusammenbruch und wenn er kein Verräter sein will, zum Suizid.
In jedem Nachrichtendienst ist dieses Verhalten bekannt, weshalb jeder Agent vor dem Einsatz eine Notfallnummer auswendig lernt, die er offenbaren und mit deren Hilfe er die Retter herbeizitieren kann.
Jeder deutsche SBO Agent (Quelle) kannte diese Notfallnummer. Nicht aber Heinz Lembke. Verständlich, denn er glaubte ja nur der SBO anzugehören, ohne dass er ihr tatsächlich angehörte.
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Vielleicht ist ein Psychologe unter den Kommentarschreibern und erläutert Vorstehendes genauer und fachlich kompetenter.
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Es gibt noch einige kleinere Indizien, welche ich weg lasse, um mich der Frage zuzuwenden, ob ein solches Mitarbeiterverhalten im BND damals grundsätzlich möglich gewesen wäre. Dazu ein Beispiel:
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Unmittelbar nach der Wende lernte ich ein Ehepaar aus der DDR kennen. Er war in der „A“ Kaserne Offizier, seine Frau in der daneben liegenden „B“ Kaserne beschäftigt.
Er wusste nicht was seine Frau in der B Kaserne beruflich machte. Sie nicht, was ihr Mann in der A Kaserne machte.
(Ich habe beide Kasernen anonymisiert, damit nicht einer in den Kommentaren schreibt: „.. ja, aber in der B Kaserne wurde ein ganz geheimes Projekt betrieben…“)
Wenn es so war, dann wusste dieses Ehepaar davon nichts. Es geht mir nur die allgemeine Geheimhaltungspflicht bei der NVA, welche bis in die Ehe hinein wirkte, selbst wenn beide Eheleute in der NVA dienten. So schlimm ist die Bundeswehr nicht.
Doch im BND gelten solch strenge Geheimhaltungsregeln ebenfalls. Ein BND Mitarbeiter sollte sich, wenn er Betrunken ist, nicht von seiner Frau abholen lassen, solange noch Kollegen mit am Tisch sitzen, da diese beim Abholen diese Kollegen sehen kann und er sich ein Disziplinarverfahren einfängt. (Diesen Fall gab es tatsächlich.)
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Unter dem Deckmantel einer solchen Geheimhaltung ist alles möglich. Unwissenheit kann ebenso hinter einer solchen Geheimhaltung verborgen werden, wie ein „Abweichendes Verhalten“.
Der Fall Lembke macht klar, dass mutmaßlich sich nicht jeder im BND korrekt verhielt, weshalb in diesem Punkt den Kramer Offenbarungen zugestimmt werden kann.
Papi Kramer kann, wie der Sohn behauptet, durchaus seinen eigenen Weg gegangen sein, bis hin zum Bau von Bomben.
Und, der Fall Lembke macht weiter klar, dass diese Person im BND offenbar glaubte, dass Waffen und Sprengstoff noch gebraucht werden. Daran, dass diese Person dem BND zeitweilig angehörte, bestehen für mich keinen Zweifel, denn nur ein Angehöriger der 12 C konnte an die Funk-Kodierungsunterlagen der Gruppe 2 kommen.
Zusammen ergeben die Erkenntnisse aus der Finanzierung der Neofaschisten mit denen des Falles Lembke das Bild eines Nachrichtendienstes, in dem zumindest Einzelne nicht auf dem Boden dieses Staates standen.
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Doch waren es wirklich nur Einzelne?
Kennzeichen D spricht vom „rechten Flügel“ des BND.
Mir persönlich ist nur die CSU Seilschaft im BND als eigenständig operierende Verbindung bekannt. Die Nazis im BND waren/sind nach meinen Wissen mehr oder weniger isolierte Einzelgänger.
Trotzdem stellt sich die Frage, ob „der Schwanz nicht mit dem Hund gewedelt hat“ oder anders gefragt:
„Wäre es möglich, dass eine Person oder wenige Personen an den richtigen Stellen im BND diesen mit Hilfe der Geheimhaltung für ihre Zwecke instrumentalisierten?“
Bevor ich auf die Frage eingehe, muss ich die Leser bitten einiges verinnerlichtes „Wissen“ erneut über Bord zu werfen. Wie zum Beispiel:
Das Märchen vom BND.
„Den BND“ gibt es nicht. Er ist eine Mammutbehörde mit über 6.000 Mitarbeiter und einem breiten Aufgabenspektrum.
Es gibt auch nicht „den Nachrichtendienstler“. Jeder Agent ist ein Mensch in seinem Widerspruch, der seine Erziehung, Ausbildung, sein Weltbild mit in den Dienst einbringt, ebenso wie seine Fertigkeiten, seine Fehler und seine Defizite.
Über allem thront eine unbarmherzige, dämlich, stupide Dienstordnung, mit Grundsätzen und einer Logik, die kein Mensch versteht.
Vor einiger Zeit wollte ich dies Wilhelm Dietl erklären, der arbeitete über zehn Jahre für den BND und begreift diesen Laden heute noch nicht.
Der BND nimmt für sich zum Beispiel in Anspruch einen ehemaligen Mitarbeiter verraten zu dürfen, wehe aber der ehemalige Mitarbeit verrät in Reaktion darauf den BND oder Dienstgeheimnisse.
Wenn ein Leser glaubt, er habe dies verstanden, dann kann ich ihn nur beglückwünschen. Wilhelm Dietl hat diese Logik nicht verstanden und ich verstehe sie auch nicht.
Im Falle Norbert Juretzko legte der BND dem Gericht Unterlagen vor, die den Verrat sensibler Quellen ermöglichten und begründete dies mit einer Güterabwägung. Das eingeklagte Geld sei wichtiger als der Quellenschutz, zumal der Dienst nicht glaube, dass den Quellen heute noch Ungemach drohe.
Wer diese Logik auch nicht verstanden hat, sollte weiter lesen, denn wir kommen mit Hilfe der Stasi Unterlagen zu einem Musterbeispiel dieser Logik.
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Im Teil III hatte ich berichtet, dass es mir 1974 gelang ein internes BND Buch als Raubkopie zu kaufen und ich mir damals die Frage stellte, ob jemand will, dass sich geheimes Wissen verbreitet.
Das MfS beschaffte sich unter anderem durch einen IM in West-Berlin von der „NSDAP Ortsgruppe“ eine Bombe und stellte fest, dass diese der Bombe des Oktoberfestanschlages ähnlich war.
Jahre nach dem Oktoberfestanschlag benutzte die „Hepp-Kexel-Gruppe“ Bomben in alten Feuerlöschern, die der Oktoberfestbombe glichen. Auch in der Braunschweiger WSG tauchten derartige Bauartgleiche Bomben auf.
Damit ist meine Frage aus dem Jahr 1974 beantwortet.
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Nach MfS Unterlagen baute die italienische SID (Servizio Informazioni Difesa), ein Nachrichtendienst der in den Jahren 1965 bis 1977 bestand, einen „Schattengeheimdienst“ auf, der zu einigen NATO Einrichtungen gute Beziehung gehabt haben soll. Die drei Chefs der SID waren glühende Verfechter der „Strategie der Spannung“, weshalb die Information des MfS durchaus stimmen kann.
1978 behauptete die Zeitschrift „Giorno“, dass terroristische Neofaschisten Beziehungen zum „extremen Flügel des BND“ unterhielten.
Die Münchner Burschenschaft „Danubia“ soll nach den MfS Unterlagen Foren und Attentate in Italien mitfinanziert haben. Das MfS beruft sich dabei auf Erkenntnisse des italienischen Staatsschutzes.
Weiter behauptet das MfS, dass die italienischen Neofaschisten von der Merex AG mit Waffen und Sprengstoff versorgt wurden.
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Gegründet wurde die Merex AG von Gerhard Mertins und Otto Skorzeny. Mertins ein strammer Schweizer Rechter und Skorzeny Hitlers „Lieblings-SS-Mann“.
Wie eng die Beziehungen zwischen der Merex AG und dem BND waren, zeigt ein „Spiegel“-Bericht aus dem Jahr 1975, der auf der Einlassung des Geschäftsführers der zwischenzeitlich nach Bonn umgezogenen Gesellschaft, Günther L., basierte.
„…die Zusammenarbeit ging so weit, dass die Merex-Sekretärinnen in den Jahren 1965 bis 1967 zweimal wöchentlich die Geschäftspost der Firma fotokopieren und an den BND schicken mussten…“
„…1969 verschafften sich BND-Mitarbeiter Einblick in ein Steuerstrafverfahren gegen die Merex AG. In einem Bericht an den Chef des Bundeskanzleramtes vom August 1969 gab der Dienst zu, dass der BND versucht habe bei der Bonner Steuerfahndung „die Einstellung der Ermittlungen gegen die Merex AG“ zu erreichen…“
Nun kommt die Logik des BND ins Spiel. Beim Geschäftsführer der Merex erschienen vor der Anklageerhebung zwei Herren vom BND und versuchten ihm klar zu machen, dass es für ihn günstiger wäre den Mund zu halten.
Man muss diese Aufforderung ganz langsam verarbeiten, denn sie bedeutet: „Gehe lieber wegen Waffenhandel in den Knast, als uns zu verraten.“
Der angeklagte Geschäftsführer hielt sich nicht an diese Logik. Redete und wurde frei gesprochen. Die Bundesregierung musste an ihn bzw. an die Firma eine Entschädigung in Millionenhöhe bezahlen, da das Gericht zur Überzeugung kam, dass in der Merex nichts lief, ohne Wissen und Billigung des Bundesnachrichtendienstes.
Dieses Beispiel hat uns die Logik der Mitarbeiter des BND hoffentlich klar gemacht und dieses Beispiel macht uns weiter klar:
Stimmt die Behauptung des MfS, wonach die Merex AG Waffen und den Sprengstoff für die italienischen Neofaschisten lieferten, dann hat der BND von diesen Lieferungen gewusst, denn nach Feststellungen eines Gerichtes lief in der Merex nichts, ohne Wissen und Billigung des Bundesnachrichtendienstes.
Wir sehen, dass ein „rechter Flügel im BND“ – wie von Kennzeichen D behauptet – durchaus denkbar ist.
Hinter dieser Logik steht ein Zwang zum blinden Gehorsam und zur Loyalität auch im Falle der Not. Quasi die Aussage: „Selbst wenn sie dir den Kopf abschlagen, der BND wird dies eines Tages an dir oder deinen Angehörigen wieder gut machen. Du hast nur den Mund zu halten.“
Abenteuerlich?
Keineswegs, es ist die Logik und der Anspruch auf Loyalität der Mafia und es war die Logik und der Anspruch der SS.
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Für den, der sich in der Geschichte des neofaschistischen Terrors auskennt, bringen die aufgezeichneten Spuren mehr Erkenntnisse, als der durchschnittliche Leser ahnt, da ohne jegliches Hintergrundwissen nur die Spur selbst sichtbar ist. Eine Darstellung, was alle italienischen Spuren zusammen aussagen, würde den Rahmen eines Artikels sprengen. Ich müsste mit dem OSS Offizier Jesus James Angleton beginnen, der mit seinen autonomen Polizeizellen den „Aufstand“ der Kommunisten in Italien nieder schlagen ließ und dabei den Grundstein für den „Schwarzen Terror“ lieferte. Die amüsante Seite dieses „Aufstandes“ kennen die älteren Jahrgänge unter den Lesern sicherlich noch in Form der Spielfilmstaffel „Don Camillo und Peppone“, welche nur vier Jahre nach dem angeblichen Aufstand gedreht wurde und mehr Realität zeigt, als die amtlichen Berichte.
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Zu den Kramer-Offenbarungen:
Der Wahrheitsgehalt väterlicher Erzählungen über ihre berufliche Tätigkeit, wenn die Faktoren Übertreibung in Form der Selbsterhöhung, der Selbstüberschätzung und des Alkohols ins Abzug gebracht wurden, ist oft sehr gering.
Wir kennen alle die Rentner, welche zum Beispiel als Pförtner bei einer Firma arbeiteten, doch nach ihren Erzählungen tatsächlich die Firma leiteten. Gerade so, als mussten sich die Geschäftsführer, bevor sie aufs Firmengelände fahren durften, sich vom Pförtner jeden Morgen sagen lassen – was sie zu tun und zu lassen hatten.
Zudem unterstelle ich Andreas Kramer, dass er Wissenslücken mittels Angelesenem und eigenen Interpretationen versuchte zu schließen.
Nach Abzug all dieser Faktoren bleibt überraschend viel von den „Kramer-Offenbarungen“ übrig.
Mir nichts dir nichts konnte ein Andreas Kramer nicht wissen, dass sein Vater beim BND und dort für die SBO zuständig war. Sein alter Herr hatte also geredet. Es gibt weitere Details, die nur dem Wissenden etwas sagen und die machen klar, dass es sich lohnen könnte die Person Johannes Kramer aufzuklären.
Zum Beispiel:
Glaube ich Andreas Kramer, dann trug der Vater immer noch eine Bundeswehruniform, obwohl er längst dem BND angehörte und er unterstand auch noch dem Kommando eines Bundeswehroffiziers. Ob dies tatsächlich der NATO Oberbefehlshaber war, möchte ich bezweifeln.
Grundsätzlich gilt, dass ein Soldat oder Offizier – auch wenn er nur zum BND versetzt wurde – mit der Versetzung nur noch für den BND arbeitet und den Weisungen seines dortigen Vorgesetzten untersteht. Mit der Bundeswehr oder ihren Einrichtungen hat er nichts mehr zu tun.
Also lügt Andreas Kramer in diesem Punkt?
Das wäre zu Kurz gesprungen. Denn es gab in der SBO einen Ausnahmefall. Die SBO benötigte im Falle eines Krieges die Hilfe der Bundeswehr, weshalb es eine Verbindungsstelle zur Bundeswehr gab.
Dies konnte für einen Offizier bedeuten: Versetzung zum BND – Ausbildung und Verwendung bei der SBO – zurück zur Bundeswehr als Verbindungsoffizier. Nach einigen Jahren zurück zum BND.
Diese SBO Verbindungsoffiziere hatten wenig zu tun und deshalb Narrenfreiheit. Fern jeglicher Kontrolle durch Bundeswehr oder BND.
Und diese Verbindungsoffiziere hatten tatsächlich ab und an Kontakt zu den höchsten NATO Spitzen. So wie ein Pförtner zu seinem Geschäftsführer.
Mit diesem Hintergrundwissen unterlegt, erscheinen in diesem Punkt die Kramer Offenbarungen plausibel, nach Abzug vorstehend genannter Faktoren.
Und sie passt sogar in den Fall Heinz Lembke. Waffenlager der SBO wurden in der Regel in unmittelbarer Nähe von Truppenübungsplätzen angelegt. Dies hatte gleich mehrere Vorteile. Der wichtigste Grund war wohl der: Wurden sie von der „Besatzungsmacht“ gefunden, so konnte diese nicht direkt aus dem Fund auf die Existenz der geheimen SBO schließen.
Wurden solche Depots in Friedenszeiten zufällig gefunden, dann konnte die Bundeswehr behaupten, dass die Waffen ihr gehörten. Auf diese Weise kamen sie zum SBO Verbindungsstab und zurück zur SBO, die sicherlich den Verlust eigener Waffen bemerkte, nicht aber Waffen der alten SBO des Technischen Dienstes, weshalb der Verbindungsoffizier mit solchen ihm übergebenen Waffen tun und lassen konnte, was immer er wollte.
Vielleicht erinnern sich einige Leser. Ich hatte ehemalige Überrollagenten der Gruppe 2 aufgefordert sich zu melden, da es ein Gerücht gibt, dass temporär eine Person mit dem Decknamen „Cello“ Verbindungsführer/Ausbilder in dieser Gruppe war. Der Hintergrund ist sehr einfach. Ich wollte wissen, ob Johannes Kramer Mitte der Siebziger dieser Mann war, da dann klar gewesen wäre, wie der Funkkode dieser Gruppe zur angeblichen Gruppe 27 kam.
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Der Artikel ist sehr lang geworden, weshalb ich an dieser Stelle den Teil IV beende.
Ich habe die wichtigsten Spuren und ihre Hintergründe dargestellt, sie nicht aber miteinander verbunden. Dies überlasse ich den Lesern, da eine Vielzahl logischer Verbindungsmöglichkeiten denkbar sind und bin gespannt, auf die Schlussfolgerungen in den Kommentaren.
Nur so viel als weitere Erklärung:
Hat der BND oder die Bundeswehr italienische SBO Agenten in Sachen Sabotage ausgebildet, ohne dass diese eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der italienischen Behörden hatten und waren darunter verurteile Terroristen, dann wäre dies in Italien Beihilfe zum Mord, welche nicht verjährt ist.
Bis etwa 1991 hat die CIA beim BND eine Vielzahl von ein- oder ausgehenden Telefongesprächen mitgeschnitten. Die Akten mit diesen Mitschnitten fallen entweder unter den „Nazi War Criminal Disclosure Act“ aus dem Jahr 1998 oder aber – nach 50 Jahren unter das allgemeine Informationsfreiheitsgesetz. In spätesten 6 Jahren kann die Wahrheit der Aussage der Mailänder Terroristen von jedem Journalist in Washington D.C. überprüft werden. Ich bin mir daher fast sicher, dass in Italien der Oktoberfestanschlag aufgeklärt wird und nicht in Deutschland.
Die Fantasie der Leser ist nun gefordert, denn einen Teil V wird es nicht geben. Am Wannsee ist es schöner und gesünder, als vor der Tastatur.
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Anmerkungen:
Bitte aber kein solchen Bullshit wie die Sache mit dem Herrn Engert. Dieser Kölner Verfassungsschützer hatte zwei Rechtsradikale zum Oktoberfest eingeladen und sich mit ihnen an der Stelle verabredet wo später die Bombe hoch ging. Diese Stelle war der Haupteingang zur Theresienwiese. Ein beliebter Treffpunkt für Leute ohne Ortskenntnis.
Aus diesen Einladungen folgern nun einige Leute, dass Gundolf Köhler gezielt, mittels Einladung, zum Explosionsort gelockt wurde. Bullshit, die Bombe ging um 22.19 Uhr hoch, kurz vor Feierabend.
Wer sich zum Oktoberfest einladen lässt, eine lange Anreise in Kauf nimmt und sich mit dem Einlader um diese Zeit treffen will, ist ein Idiot, den ich gerne zum Essen in ein gutes Restaurant einlade, nach Feierabend (der Küche des Restaurants) versteht sich.
Oder den Blödsinn mit der BND Verbindungsstelle 61. Es gibt halt auch Ex-Offiziere, die in ihrer Freizeit Paintball mit Militärwaffen spielen. (Wo steht es, das Offiziere gebildete Menschen sein müssen?) Wäre an der Geschichte etwas dran, dann wäre dieser „Hitler-Fan“ angeklagt.
Und bitte keine Mordtheorien im Falle Lembke. Wenn schon Mordtheorien, dann im Falle des rechtsradikalen Walter Kexel. Der war mit 14 Jahren Freiheitsstrafe gut weggekommen und erhängte sich nach der Urteilsverkündung trotzdem. Warum?
Er brachte nach meinen Informationen die Feuerlöscherbombe mit eingefrästen Sollbruchstellen in die Gruppe, welche erst nach dem Oktoberfestanschlag gegründet wurde. Der Terrorismus der Gruppe richtete sich gegen US-Einrichtungen.
Er suchte die Waffenbrüderschaft mit der RAF und hätte damit die schöne Strategie der Spannung obsolet gemacht. Ach ja, er wollte einen neuen Faschismus, ohne die Ikonen Hitler und Himmler. Irgendwie habe selbst ich in seinem Fall das Gefühl, dass er störte oder einfach zu viel wusste. So richtig getrauert um ihn haben wenige im rechtsradikalen Lager.
Noch etwas zu Karl Heinz Hoffmann. Tobias von Heymann fand in der BStU die Kopie eines neun Seiten umfassenden Anti-Bekennerschreiben der WSG Hoffmann, mit einer Vielzahl von Details, welche damals in der Öffentlichkeit nicht bekannt waren. Die Ermittlungsakten kannte Karl-Heinz Hoffmann noch nicht. Er gibt zu allem Unfug Erklärungen ab, nicht aber zu diesem Schreiben. Warum?
Nur zur Erinnerung:
„Laut Stasi Akten trafen sich am 13. Juli 1980 in Rom Karl-Heinz Hoffmann und Joachim Fiebelkorn, also wenige Tage vor dem Anschlag in Bologna und einige Wochen vor dem Oktoberfestanschlag.“
Glaube ich Elio Ciolini, dann „benötigten Licio Gelli und seine Loge P 2 ein Ablenkungsmanöver, da ihnen die Ermittler näher kamen.“ Ablenkung nur in Italien oder auch in Deutschland? Wenn auch in Deutschland – wer war dann der ausführende Arm in München?
Glückwunsch an Andreas Kramer. Diesen möglichen Zusammenhang hatte ich bisher nicht gesehen, da die vier mutmaßlichen Ausführenden von Bologna namentlich bekannt sind. Zwei von ihnen hatten – wie auch Joachim Fiebelkorn – in Bolivien am Staatsstreich teilgenommen. Nur einen konnte die italienische Justiz in Gewahrsam nehmen, den anderen erschossen italienische ND-Agenten bei der Festnahme in Bolivien. Welch ein Zufall? Fiebelkorn wurde von deutschen Behörden gedeckt. Der Vierte von den Franzosen. Er war Leibwächter eines französischen Präsidenten und hätte diesen in Verlegenheit bringen können. Leibwächter bekommen halt so manches mit, was der Bewachte ungern in der Presse lesen würde.
Die Leser sehen, es gibt viel Spielraum für Theorien. Die aufgezeigten Spuren müssen nur verknüpft werden.