Spionage-Affäre: B.N.D. versucht indirekt ex-Kanzleramtsminister de Maiziere ins Spiel zu bringen
Der Bundesnachrichtendienst sondert in einer Erklärung Bläschen zum XKeyscore-Programm ab und verweist hinsichtlich des in 2002 geschlossenen Geheimdienstabkommens mit den U.S.A. auf dessen „Konkretisierung“ um 2007. Die Spione bringen damit indirekt den derzeitigen Verteidigungsminister und möglichen Nachfolger von Kanzlerin Merkel ins Spiel, der bereits unter Beschuss steht: Thomas de Maiziere.
Ergänzung 15.20 Uhr: Und siehe da – auch Frank-Walter Steinmeier verweist auf seinen Amtsnachfolger im Kanzleramt.
Das vom damaligen Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier am 28. April 2002 für die Regierung von Deutschland bewilligte „Memorandum of Agreement“ bezüglich der Kooperation von National Security Agency und Bundesnachrichtendienst, von dem die Merkel-Regierung im Juni angeblich erst durch die Presse erfuhr, ist von der Regierung Merkel und ihrer „großen“ Koalition mit der S.P.D. (2005-2009) „konkretisiert“ worden. Das ließ nun der Bundesnachrichtendienst an die etablierte Presse durchsickern. Der Spionagedienst verlautbarte des Weiteren, er habe „seit 2007“ Daten an die N.S.A. weitergeleitet. Den genauen Zeitpunkt der „Konkretisierung“ des Abkommens zwischen U.S.-Regierung und der Merkel-Regierung nannte der B.N.D. nicht.
Interessant dabei: Bewilligte das Geheimabkommen in 2002 der damalige S.P.D.-Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier, von dem der F.D.P.-Vorsitzende Phillip Rösler sagt er habe diese Vereinbarung „offenbar selbst seiner Partei verschwiegen“, so wird die „Konkretisierung“ logischerweise der um das Jahr 2007 amtierende Kanzleramtsminister bewilligt haben. Kanzleramtsminister von Merkel war zwischen 2005-2009 der spätere Innenminister und heutige Verteidigungsminister Thomas de Maizière.
Einer der ersten Amtshandlungen des damaligen Innenministers de Maiziere war 2009 erst die Versetzung von ex-B.N.D.-Präsident August Hanning, dem damaligen Innenstaatssekretär, in den einstweiligen Ruhestand und – als Hanning aufmuckte – dessen sofortiger Rausschmiss. Das brachte de Maiziere, nun, bei ein paar Leuten eine Menge Respekt ein und erzeugte im Apparat bis heute nachhängende emotionale Labilitäten.
Weitere Punkte, die es bei der Person de Maiziere zu berücksichtigen gilt:
Als am 17.November 2010 de Maiziere zu Beginn der Innenministerkonferenz in Hamburg eine „allgemeine Terrorwarnung“ aussprach und im Zuge des zeitweiligen „Ausnahmezustands“ der Bevölkerung der Zugang zum Parlament verboten wurde (die Reichstagskuppel wurde gesperrt), machte de Maiziere etwas für deutsche Politiker sehr, sehr Ungewöhnliches: er weigerte sich unter Bedrohungslage Gesetzesänderungen zu protegieren. Konkret lehnte er die – explizit aus den U.S.A. – geforderte erneute Einführung der zuvor als verfassungswidrig verbotenen Vorratsdatenspeicherung von IT-Versorgern und Geheimdiensten in Deutschland ab, zum damaligen Zeitpunkt. (19. November 2010, Kleiner Terror-Test für Demokratie-Attrappen)
Später stellte sich heraus, dass die Warnungen vor dem Schrecken („Terrorwarnungen“) vom Bundeskriminalamt und dem Federal Bureau of Investigation gekommen waren, zu Beginn der Innenministerkonferenz in Hamburg, kurz vor einem gemeinsamen Gipfel der U.S.A. und der “Europäischen Union” in Lissabon und kurz vor dem gleichzeitig dort stattfindenden “historischen” Gipfel des Nordatlantikpaktes. (20. November 2010, “Ausnahmezustand” vor USA, EU und Nato-Gipfel: BKA und FBI hinter “Terrorwarnung”)
Auch soll hier folgendes nicht unerwähnt bleiben: Dass deutsche Soldaten nicht zum zweiten Mal innerhalb von 70 Jahren in Libyen einfielen (die Sondereinsätze und Ausbildungsprogramme lassen wir hier mal galant beiseite) ist auch dem damaligem Verteidigungsminister de Maiziere in 2011 zu verdanken. Am 23. März 2011 unterstellte de Maiziere vier deutsche Kriegsschiffe wieder seinem Befehl und zog diese aus der Operation Active Endeavour und den Invasionsstreitkräften der N.A.T.O. ab. Ebenfalls setzte er die Beteiligung der Bundeswehr an der A.W.A.C.S.-Luftüberwachung aus. (23. März 2011, Libyen-Krieg: Regierung zieht deutsche Soldaten aus Awacs-Operationen und Seeblockade der Nato ab)
Aktuell wäre anzumerken, dass die Bundeswehr und ihr engstens auf dem Schoß hockender Bundesnachrichtendienst überall auf dem Planeten ihre „Ausbilder“ und „Berater“ geparkt haben. Aber das ist, man sollte es kaum glauben (und im von Häuptlingen ohne Indianer übersäten Bundeswehr-Apparat schon gar nicht), immer noch ein Unterschied zu Kampftruppen. De Maiziere hat den Abzug der Kampftruppen der Bundeswehr aus ihren kleinen Landgut im Mittleren Osten angekündigt. Auch das könnte der einen oder anderen „informellen“ Lady Mcbeth, in Afghanistan oder anderswo, missfallen.
De Maiziere ist ein konservativer Knochen, keine Frage. Aber er hat einen graden Rücken. Das macht ihn, bei aller politischer Gegnerschaft, in der von Krümmlingen übersäten Republik zu einem Ausnahmefall.
Sollte die nun erfolgte Verlautbarung des B.N.D. ein kleiner Versuch sein, dem sowieso schon schwankenden Verteidigungsminister (und möglichen Nachfolger Merkels als Kanzler) de Maiziere noch einen letzten Schubs zu geben? Immerhin war dieser so bescheuert, sich in seiner Verzweiflung wieder einmal auf das Militärmärchen vom in Militärstützpunkten irgendwie ungesehen, naja, höhö, jaja, 16 Fahrzeuge und eine Garage abbrennenden Linksextremen einzulassen. Natürlich hielten vor allem und zuerst die Prothesen aus „Die Linke“ zu diesem Schwachsinn die Schnauze.
Golem.de verwies nun in seinem Artikel nicht auf die ominöse „Konkretisierung“ des Abkommens zwischen U.S.-Regierung in den U.S.A. und mutmaßlicher U.S.-Regierung in Deutschland. Dafür aber brachte das Portal wörtliche Auszüge aus der Erklärung des B.N.D.:
„XKeyscore ist ein wichtiger Baustein für die Auftragserfüllung des BND. Der BND nutzt das Programm an einer Außenstelle und ausschließlich für die Aufklärung ausländischer Satellitenkommunikation“
Weiter hieß es, der Bundesnachrichtendienst nutze XKeyscore zur „Erfassung und Analyse von Internetdaten“. Der B.N.D. sprach im Zuge dieser Weitergabe von Daten, angeblich „aus der Aufklärungsarbeit des BND in Afghanistan und Nordafrika“, von einem „mehrstufigen Computerverfahren“, was sicherstellen solle, usw.
Konkret sagt der B.N.D. damit gar nichts, bis auf das (für Nachdenker geparkte) indirekte Schnitzeljagd-Portiönchen Richtung Thomas de Maiziere. Für mich ein weiterer Hinweis, dass die gesamte Spionage-Affäre von den politisch relevanten 0,01 Prozent vollkommen über die Köpfe… vollkommen über die Schädel der restlichen 80 Millionen geführt wird, die weiterhin keinen blassen Dunst davon haben was hier eigentlich vor sich geht.
Ergänzung 15.20 Uhr
Zu Beginn dieses Artikels mir noch nicht bekannt: Frank-Walter Steinmeier erklärt sich generös bereit im „Parlamentarischen Kontrollgremium“ aussagen zu müssen und gibt dazu folgendes Statement ab:
„Ich gehe davon aus, dass diese Bereitschaft auch auf Seiten der Bundeskanzlerin und (… ) von Thomas de Maizière besteht.“
Steinmeier, vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder zu dessen Leiter im Kanzleramt (1998-2005) erwählt, war zwar von 2005-2009 unter Kanzlerin Merkel Außenminister, aber bis 2009 nicht einmal Abgeordneter des Bundestages. Was viele bis heute nicht begreifen: Minister werden nicht gewählt. Sie werden ernannt. Sie müssen nicht einmal vom Parlament bestätigt werden. Das führt natürlich in Versuchung. Konsequenterweise spielt Steinmeier, nach seiner Selbsternennung zum Größten Kanzlerkandidaten aller Zeiten (GröKaZ) am 7. September 2008, und nach seiner Selbsternennung zum Größten Fraktionsführer aller Zeiten (GröFaZ) am 27. September 2009 um 18.34 Uhr, bis heute auf Sitz, Platz und Sieg. Und zwar für sich selbst. So hat er es gelernt, so hat er es gemacht, so ist er.
Und wenn er nicht zurückgetreten wird, dann macht er einfach weiter. Auch die nächsten vier Jahre.
Das hat er mit dem Bundesnachrichtendienst gemeinsam. Mindestens das.