„Weil diese Waffen massenhaft töten können, ohne zwischen Soldat und Kind zu unterscheiden, hat die zivilisierte Welt ein Jahrhundert daran gearbeitet, um sie zu verbieten.“
Warum muss der Präsident eine Rede für Drittklässler halten?
Am Dienstagabend – halleluja! – trat er zurück vom Abgrund des Kriegs, aber in seiner Rede an die Nation verwendete er die meiste Zeit für die Rechtfertigung seiner bisherigen Aggression gegenüber Syrien, indem er sich insbesonders über die eine abscheuliche Abweichung der Regierung Assad von den zivilisierten Normen des Krieges ausliess.
Der immer wirksame Trick der Kriegpropaganda besteht darin, dass man ein Beispiel bösen Verhaltens des ins Visier genommenen Feindes herausklaubt, und die Empörung dagegen mobilisiert, dabei nie, auf keinen Fall sein eigenes Verhalten betrachtet und in unserer Ignoranz als Klan oder Nation oder was immer uns zusammenhält denjenigen vernichtet, der besagtes Böses begangen hat.
Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt, gerade nachdem wir unsere Angst-und-Schrecken-Bombenkampagne gegen den Irak begonnen hatten, schrieb ich: „Die Pro-Kriegs-Logik macht eine mysteriöse Transformation durch – von einem moralischen Absolutismus, der Saddam verdammt, zu einem moralischen Relativismus, der den Einsatz von MOABs („Mutter aller Bomben“) und Daisy Cutters („Gänseblümchenschneider“ – beide besonders zerstörerische Bomben) und sogar Atombomben, falls nötig, rechtfertigt, um ihn loszuwerden. Einige der nettesten Menschen, die du gerne treffen möchtest, haben kein Problem mit dem Abschlachten von Zivilisten.“
Barack Obama in seiner Rolle als Präsident straft also sowohl seine eigene Intelligenz als auch – nehme ich an – die seiner meisten Wähler Lügen, wenn er uns auffordert, bei dem Spiel mitzuspielen. Giftgas ist in der Tat ein grauenhaftes Übel (wobei weiterhin nicht sicher ist, wer es in der Damaszener Vorstadt Ghouta eingesetzt hat), aber was für ein Trick, an die ganze Empörung über „Männer, Frauen und Kinder, die in Reihen liegen, getötet mit Giftgas, andere mit Schaum vor dem Mund, nach Atem ringend, ein Vater, der seine toten Kinder an sich klammert und sie anfleht, doch aufzustehen und zu gehen“ zu appellieren – und dann diese Empörung als Vorwand zu benutzen, Gegenaktionen unsererseits zu rechtfertigen, die gleich rücksichtslos den selben Menschen die Hölle bescheren.
So gut wie jeder Aspekt moderner Kriegsführung passt in die Beschreibung, die Obama als eine Art von „roter Linie“ für schlimmes Verhalten anführte: der Gebrauch von Waffen, die massenhaft töten, keinen Unterschied machen zwischen Soldat und Kind. Immerhin sind wir das Land, das Atomwaffen entwickelt und im folgenden halben Jahrhundert $5,5 Billionen ausgegeben hat, um ein Wettrüsten mit der Sowjetunion und zu guter Letzt mit niemandem zu veranstalten. Wir entwickeln noch immer weitere Generationen von „taktischen“ Atomwaffen und bluten mehr als $30 Milliarden jährlich in diesen Wahnsinn.
Die Sache ist die, Herr Präsident, ja, ja, wir fühlen die Empörung über Syriens schrecklichen Bürgerkrieg, und, nein, wir sind nicht damit zufrieden, nichts zu tun angesichts dieses oder irgendeines anderen Massakers, das auf dem Planeten stattfindet, begangen von Verbündeten oder denen, die als Feinde vorgegeben werden. Aber wir haben genug von den albernen „Lösungen,“ verkündet von Tyrannen und Präsidenten, die nichts tun, als die Hölle des Krieges zu perpetuieren und die versteckten Interessen der Unternehmen zu füttern, die davon profitieren. Ihre Entscheidung, vom Abgrund einer Intervention „Light“ in Syrien zurückzutreten, ist es wert, gefeiert zu werden, aber ersparen Sie uns das „God bless America“ (Gott segne Amerika), das gestützt wird durch Tomahawk-Raketen und letztendlich Atomwaffen, und sagen Sie couragiert dem Land und der Welt, wie wir die Führung übernehmen werden, um den Krieg selbst zu beenden.
Sarah van Gelder schrieb letzte Woche im Yes!Magazine: „Anstatt einen Angriff auf Syrien zu führen, könnten die Vereinigten Staaten von Amerika eine ‚Koalition der Willigen’ anführen beim Wiederaufbau des ramponierten Fundaments des Internationalen Rechts.“
Van Gelders ausgezeichneter Essay über Alternativen zu militärischen Schlägen in Syrien weist auf eine profunde Fehlerstelle in der öffentlichen und politischen Vorstellung hin: Wenn es Probleme gibt, ist die einzige angemessene – „reale“ – Reaktion darauf eine gewalttätige. Wenn du dem Bösen nicht zeigst, wer der Boss ist, dann pass auf, Schlappschwanz!
Und das führt zum Götzendienst der unkritischen „Waffenverehrung,” einem System der Berichterstattung aller Mainstream-Medien aus militärischer Sicht, besonders, aber nicht nur in Zeiten der Vorbereitung eines Krieges. Zum Beispiel: „Das Tomahawk Cruise Missile ist Standardausrüstung von Zerstöreren und Kreuzern der Marine der Vereinigten Staaten von Amerika, aber es ist für die ernstesten Situationen vorbehalten. Die Vereinigten Staaten von Amerika feuerten diese gegen Libyen im März 2011 und davor während der ‚Angst und Schrecken’-Kampagne am Beginn des Kriegs 2003 gegen den Irak
„Sie können einen 1.000-Pfund-Sprengkopf tragen, um Ziele auf dem Land ‚aufzuweichen’ und den Weg zu bereiten für Angriffe mit Kampfflugzeugen und, falls nötig, mit Bodentruppen.“
Diese Geschichte, welche letzte Woche in der San Diego Union-Tribune gebracht wurde, beschreibt wie beeindruckend und demutsvoll es ist, der Kapitän eines Schiffes zu sein, das ein Tomahawk in einer richtigen Schlacht abfeuert, aber drückt sich um die Betrachtung der Konsequenz dieser Handlung – was passiert wenn es landet. Vielleicht können diese millionenteuren tausendpfündigen Behemoths „massenhaft töten, ohne zwischen Soldat und Kind zu unterscheiden,“ aber wenn wir´s tun, dann weichen wir einfach Ziele auf dem Land auf.
Alles das wollte Obama tun, aber der Plan stiess auf eine Welle der Opposition, anstatt von der Öffentlichkeit einfach abgenickt zu werden. Die normalen Marketingstrategien funktionierten nicht. Dann machten die Russen einen geopolitischen Schachzug und schlugen vor, dass Syrien seine Bestände an chemischen Waffen der internationalen Kontrolle unterwerfen solle, und Obama kündigte an: „Ich habe deswegen die Führer des Kongresses ersucht, eine Abstimmung über den Einsatz von Gewalt aufzuschieben, während wir diesen diplomatischen Pfad verfolgen.“
David Swanson sagte es so: „Aus einer Kombination von welchen Faktoren auch immer könnte sich herausstellen, dass wir einen Krieg verhindert haben. Was bedeutet, dass wir auch einen weiteren Krieg verhindern können. Was bedeutet, dass wir damit beginnen können, unseren Weg heraus aus der Kriegsmaschinerie zu bahnen, die unsere Wirtschaft, unsere bürgerlichen Freiheiten, unsere natürliche Umwelt und unsere Seele gefressen hat.“
Das wird abgeschrieben als Kriegsverdrossenheit oder republikanische Miesmacherei gegenüber Obama, aber da gibt es noch einen anderen Faktor: ein intelligenter Anteil der amerikanischen Öffentlichkeit durchblickt den Krieg selbst und wird sich nicht länger in den Verkaufsprozess hineintheatern lassen, der ihm vorangeht. In dem Ausmass, in dem dieser Anteil wächst, wird die öffentliche Vorstellungskraft beginnen, sich den endlosen Möglichkeiten der Konfliktlösung und -umwandlung zuzuwenden, die jenseits des Krieges existieren.
11. September 2013
Quelle: http://antikrieg.com/aktuell/2013_09_13_dasboese.htm