Privatisierung des Krieges: Verlagerung des öffentlich wahrgenommenen Kriegseinsatzes durch reguläre Armeen zu im Verborgenen agierenden Schattenarmeen – Kriege ausserhalb jeglicher parlamentarischer Kontrolle
Grosse Armeen wie in den vergangenen Jahrhunderten werden sich kaum noch gegenüberstehen. Abgelöst werden die Soldaten im Feld durch moderne Technologien wie satellitengesteuerte Raketensysteme, Drohnengeschosse (auch unter Wasser) und asymetrische Kriegsführung und Counterinsurgency-Strategie durch kleine Eliteeinheiten, die sensible Ziele und Infrastrukturen unerwartet für den Feind aus dem Hinterhalt angreifen.
Die unpopulären Einsätze der Armeen mit zunehmender Ablehnung in der Bevölkerung werden durch „Berufsarmeen“ und private Sicherheitsfirmen abgelöst. Letztere werden im Auftrag des Staates auch mit Steuergeldern finanziert, tauchen in den Budgets der Verteidigungsministerien jedoch kaum auf, da sie oft mit Geldern aus anderen Bereichen finanziert werden. Das Auftragsvolumen für Rüstung und Einsätze dieser boomenden Industrie wird auf 100 Milliarden U.S.-Dollar geschätzt. Für von privaten Auftraggebern vergebenen Aufträgen liegen kaum Statistiken vor, was in der Natur der Dinge liegt.
Um diesen immer grösser werdenden Auftritt der „Blackwater“-Söldner“ von ihrem berechtigten schlechten Ruf zu befreien und Legitimation zu verleihen, wurde eine Watchdog-Organisation gegründet.
Am Donnerstag, den 19.September 2013 trafen sich in Genf in der Schweiz führende Vertreter der Sicherheitsindustrie, Mitglieder aus Organisationen der Zivilgesellschaft sowie Regierungsvertreter teilnehmender Staaten zur Gründung eines lange vorbereiteten internationalen Aufsichtsgremiums über militärische private Auftragnehmer – der ICoC Association. Die wichtigsten Staaten, die hinter diesem Projekt stehen, sind die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich, die (eigentlich neutrale) Schweiz und Australien.
Dieser „NGO“-Verein, der nicht der Kontrolle einer staatlichen Instanz unterliegt, hat sich als Inhalt als erste internationale Organisation den Auftrag gegeben, die Überwachung und Kontrolle der privaten militärischen Auftragnehmer zu ihrer Einhaltung der Menschenrechte und der völkerrechtlichen Standards in ihren Kampfeinsätzen zu übernehmen. Seit 2010 wurde der „Internationale Verhaltenskodex für die privaten Sicherheitsauftragnehmer (International Code of Conduct for Private Security Service Providers (ICoC)) ausgearbeitet. Hier als PDF-Datei „INTERNATIONAL CODE OF CONDUCT FOR PRIVATE SECURITY SERVICE PROVIDERS, 9 November 2010“ von der Regierung der Schweiz.
Es gibt hier keine juristischen Mechanismen zur Ahndung brutaler Gewaltanwendungen durch die eingetragenen Vereinsmitglieder der Auftragnehmerbranche. Es handelt sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung, „menschliche“ Normen einzuhalten.
Der vereinte paramilitärische Söldnerclub ist eine absolute Kontraindikation, so als würde man einen Konvoi von mit Benzin gefüllten Tanklastzügen zu einem in Brand geratenen Stadtviertel rufen.
Jede Sicherheitsfirma hat einen Stammsitz und eine amtliche Registrierung in einem Land – alle anderen sind illegal. Somit fallen sie unter die nationale Gerichtsbarkeit dieses Staates. Für Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt es die internationalen Strafgerichthöfe wie in Den Haag oder die Justiz des Landes, in dem die Verfehlungen stattfanden.
Eher erfüllt die ICoC Association die Funktion eines Fördervereins für die Branche zur potenziellen Legitimierung der Privatisierung des bewaffneten Konflikts und die einer gut besuchten Börse zur Vermittlung der Kontakte.
Mehr als siebenhundert Sicherheitsunternehmen sind in diesem Jahr dem ICoC beigetreten. In dieser PDF-Datei sind die Namen der Firmen aufgelistet.
Wie es heisst, wird so erhofft, dass durch die freiwillige Mitgliedschaft im Verein saubere paramilitärische Operationen ohne Fehlverhalten durchgeführt werden. Eine Mitgliedschaft erhöht die Chance für den Zuschlag ausgeschriebener Aufträge durch die Regierungen, die das Bild des Saubermanns in der Öffentlichkeit aufrechterhalten müssen.
Die Organisation der Vereinten Nationen hat eine zwingende Mitgliedschaft für Sicherheitsfirmen in der ICoC Association als Voraussetzung vorgeschrieben, wenn diese von U.N.O.-Organisationen angeheuert werden: Seite 7 Guidelines on the Use of Armed Security Services from Private Security Companies.
Die Einsätze privater Sicherheitsfirmen werden auch im Inland zur Kontrolle der eigenen Bevölkerung und Aufstandsbekämpfung zusammen mit Geheimdiensten und Polizei eine grössere Rolle spielen. Immer mehr werden hoheitliche staatliche Aufgaben diesem Gewerbe übertragen. Beispiele dazu ist die Privatisierung staatlicher Gefängnisse, Überwachung staatlicher Objekte, Übernahme von polizeilichen Aufgaben im öffentlichen Raum wie Verkehrs- und Personenkontrollen sowie Einsätze bei Demonstrationen oder grossen Sport- oder Kulturveranstaltungen.
Welches Ausmass an Anspruch die Paramilitärs und ihre selbsternannten Aufpasser angenommen hat geht aus ihrem Selbstbild hervor. Darin heisst es, dass die ICoC die Rolle des Staates über die Kontrolle der Sicherheitsfirmen übernimmt, wenn dieser seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann – in von Unruhen oder Instabilität betroffenen Regionen, sei es aufgrund von Naturkatastrophen oder bewaffneten Konflikten, in denen die Rechtsstaatlichkeit erheblich untergraben wurde und in denen die Kapazität der Staatsgewalt vermindert, begrenzt oder nicht vorhanden ist, um mit der Situation umzugehen:
The ICoC is a non-state mechanism and is therefore intended to be supplementary to state legal oversight of private security providers. It has been designed to apply in complex security environments, meaning any areas experiencing or recovering from unrest or instability, whether due to natural disasters or armed conflicts, where the rule of law has been substantially undermined, and in which the capacity of the state authority to handle the situation is diminished, limited, or non-existent.
Bisher wurden bei dem Versuch entgegen der Verfassung, die Armee im Inneren einzusetzen, derartige Proklamationen bekannt.
So würde in Deutschland die vom Grundgesetz nicht ohne Grund vorgeschriebenen Kompetenzen staatlicher Organe aufgeweicht. Jeder einzelne kleine Schritt führt systematisch zurück in die Barbarei totalitärer Staaten.
Die Bundestagswahl 2013 lässt wenig Optimismus zu, dass sich dieser eingeschlagene Kurs ändert – im Gegenteil.
Wer sich jetzt nicht dagegen wehrt, darf sich nicht darüber beschweren, wo unsere Gesellschaft in vier Jahren stehen wird. Seit der letzten Wahlperiode wurde mit aller Kraft versucht, das Grundgesetz aufzuweichen. Der tiefe Abgrund klafft für alle sichtbar offen.
Es ist völlig in Ordnung, ein selbstbestimmtes erfülltes Leben führen zu wollen, mit Gemeinschaftsgärten, gemeinsam gelebte Community auf dem Dorf oder in der Stadt mit ökologischen Ansprüchen und kulturellen Projekten ohne Einmischung und Bevormundung staatlicher Behörden.
Doch ohne Interesse an dem Staatsapparat, seinen Akteuren und neuen aufweichender „Sicherheitsgesetzgebung“ stellt sich die Frage, ob die Menschen das auch in Zukunft überhaupt noch können. Es ist naiv und egoistisch anzunehmen, dass ihnen andere Aktivisten diese Last abnehmen. Über ein gewisses Mass an politischer Bildung sollte jeder Mensch verfügen.
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