Zivile Drohnenopfer aus Pakistan zur Anhörung vor U.S.-Kongress – anwesende Parlamentarier: FÜNF!

Authentische Gegendarstellung von betroffenen, verwundeten Augenzeugen zur offiziellen Erklärung des U.S.-Verteidigungsministeriums wird von Regierung, Parlament und Presse ignoriert und verschwiegen.

General der Bundeswehr fordert „zum Abzug aus Afghanistan“ bewaffnete Kampfdrohnen

Am Dienstag, den 29. Oktober 2013 reiste eine Familie mit zwei Kindern aus Pakistan, unterstützt von Reprieve und Foundation for Fundamental Rights, um die halbe Welt zu einer Anhörung vor dem Parlament der Vereinigten Staaten von Amerika. Das Interesse an einem Gespräch mit den unschuldigen Opfern des sogenannten „War on Terror“ war beschämend: fünf U.S.-Volksvertreter von einhundert Mitgliedern des Senats und vierhundertundfünfunddreissig Kongressmitgliedern kamen zu dem Termin. Weder Beamte des Sicherheitsstabes des Präsidenten, des Pentagons oder der C.I.A. hielten es für nötig, als Verantwortliche der Auswahl der Ziele der ausländischen Drohneneinsätze, die sie als „präzise und rechtmässig“ verkaufen, Stellung zu nehmen obwohl sich Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif unmittelbar zuvor für vier Tage in Wahington aufhielt und das Thema „militärische Zusammenarbeit“ auf der Tagesordnung beider Regierungen stand.

Die Familie Rehman aus dem Ort Tabbi in der pakistanischen Provinz Nord-Waziristan, im Nordwesten an der afghanischen Grenze, hatte die Einladung einiger U.S.-Abgeordneter angenommen, vor dem Kongress als unmittelbar Betroffene und Augenzeugen über das Schicksal ihrer Familie zu sprechen, die bei einem Drohnenangriff der U.S.-Armee am 24. Oktober 2012, dem Tag des heiligen Festes Eid al-Adha, zerstört wurde. Die Wahl ausgerechnet dieses Datums lässt darauf schliessen, dass die Hinrichtung von Zivilisten bewusst geplant war, um für die Strategen des endlosen Krieges für sie erhofften Hass und Widerstand in der Bevölkerung zu provozieren. Die Aufnahmeoptik der Überwachungskameras an den Flugzeugen sind extrem hochauflösend und detailgetreu wie Promotion-Videos dazu zeigen, so dass hier keineswegs von einem Irrtum des virtuellen Schützen am Monitor gesprochen werden kann.

Einige Tage vor dem Massacker hatte am 7. Oktober 2012 Imran Khan, der später mit seiner Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (Movement for Justice) bei den Wahlen im Mai 2013 grosse Erfolge zu verzeichnen hatte, seine weltweit Aufsehen erregende Rede (Video) gegen die ausländischen Drohneneinsätze gehalten. Unzählige Menschen waren zu der Kundgebung in Waziristan gekommen so wie auch ein Jahr zuvor (wir berichteten in „Grosse Blockade der NATO-Route Pakistan-Afghanistan durch Partei und Bürger„.

In der offiziellen Presse wurde vor einem Jahr mitgeteilt, dass der Angriff bei Tabbi fünf militanten Kämpfern galt, die mit ihrem Auto auf der Strasse fuhren und von der ferngelenkten Rakete der Drohne tödlich getroffen wurden. Getötet wurde jedoch die fünfundsechzigjährige Hebamme des Dorfes, Momina Bibi, die in ihrem Garten arbeitete, an dem keine Strasse angrenzt. Ihre drei Enkel, der dreizehnjährige Zubair, die neunjährige Nabila und die fünfjährige Asma und ihre sechs Cousines und Cousinen im Alter von drei bis siebzehn Jahren, die im Freien in unmittelbarer Nähe spielten oder von der Schule kamen, wurden durch die Geschosse zum Teil schwer verletzt.

Weder Beamte der pakistanischen Behörden noch Vertreter der U.S.A. kamen für eine Untersuchung in den Ort. Die Familie musste sich das Geld für die ärztlichen Behandlungen mit mehrfachen Operationen von Freunden leihen, das sie nicht zurückzahlen kann.

Am 25. Oktober 2013 veröffentlichte der Guardian einen Offenen Brief an den U.S.-Präsidenten von Rafiq ur Rehman, dem Sohn der getöteten Frau, Vater der drei verwundeten Kinder und Lehrer an einer Grundschule. Darin heisst es:

„Wir wollen verstehen, warum eine fünfundsechzigjährige Grossmutter eine Bedrohung für eines der mächtigsten Länder der Welt ist. Wir wollen verstehen, weshalb neun Kinder möglicherweise die Sicherheit der Menschen – einen Kontinent und einen Ozean entfernt – bedroht haben. Am wichtigsten ist, wir wollen verstehen, warum Sie, Präsident Obama, wenn Sie gefragt werden, wen die Drohnen töten, sagen, dass sie Terroristen töten. Meine Mutter war kein Terrorist. Meine Kinder sind keine Terroristen. Niemand in unserer Familie ist ein Terrorist.“

Rafiq ur Rehman beschreibt das Trauma der Kinder, die in der Nacht nicht schlafen können, schreien und bis zum Morgengrauen weinen.

Zur Anhörung gestern in Washington sagte der dreizehnjährige Zubair, dass er „den blauen Himmel nicht mehr lieben würde, sondern nur noch bewölketen Himmel mag, da die Drohnen nicht bei grauen Himmel fliegen.“

Erschütternder können wohl kaum diese Worte aus dem Mund eines Kindes sein.

Die Zusammenkunft am 29. Oktober 2013 in Washington:

Vor einigen Tagen gab die Nachrichtenagentur von Radio Utopie die Ankündigung zu dieser Reise sowie den Offenen Brief an Präsident Barack Obama „Please tell me, Mr President, why a US drone assassinated my mother“ von Rafiq ur Rehman mit der Linksetzung zur U.S.-amerikanischen Huffington Post und der unabhängigen Plattform Common Dreams, dem britischen Guardian und Bürgerrechtsorganisationen gegen Drohneneinsätze bekannt. Ausser diesen genannten Zeitungen waren anderen Blättern die Vorankündigung sowie die gestrige Anhörung (noch) keine Berichterstattung wert.

Für alle Menschen dieser Erde, die durch diese Kriege der U.S.A. und ihrer Verbündeten einschliesslich Deutschlands (das seine neue Rolle als weltweite Führungsmacht unverhohlen betont) verwundet, vertrieben oder Angehörige verloren haben, ist dieses Desinteresse und Arroganz gegenüber den Opfern gleichzusetzen mit einem zweiten psychologischen Tod – aber auch eine Offenbarung, dass ohne kompromisslosen Kampf gegen diese Kriegstreiber sich nichts ändern wird. Das Verkaufen von „gerechten Kriegen“ muss ein Ende nehmen.

Generalmajor Jörg Vollmer tastete sich vor einer Woche stellvertretend für den militärisch-industriellen Komplex und zum Testen der Reaktion der Öffentlichkeit mit der Forderung nach bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr in Afghanistan vor, denn mit diesen „können wir zeitgerecht reagieren“.

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