Am Donnerstag, dem 28. November, kommt nach einem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen der Bundestag zu einer weiteren Sondersitzung zusammen. Das Parlament, dessen letzte reguläre Sitzung auf Juni datiert, plant – angeblich für eine „Übergangsphase“ – die Installation eines präzedenzlosen und von der Verfassung nicht vorgesehenen „Hauptausschusses“ aus jeweils 40 Mitgliedern und Stellvertretern aus allen Parteien. Als faktisches Notstandsparlament in einem vom Parlament selbst erklärten Ausnahmezustand, da nur mit geschäftsführender Regierung, soll es u.a. mindestens zwei Militäreinsätze der Bundeswehr in Afrika beschließen, sowie „Beschlüsse des Euro-Rettungsmechanismus ESM“ vorbereiten. Dabei ist unklar, ob der Einsatz der deutschen Marinestreitkräfte im Rahmen einer „Präsenz- und Überwachungsoperation“ im gesamten Mittelmeerraum (und damit auch vor der Küste Syriens) unter dem Mandat „Operation Active Endeavour“ bereits wie geplant am gestrigen Mittwoch durch die geschäftsführende Merkel-Regierung verfassungswidrig und mit Billigung der S.P.D. ohne Parlamentsbeschluss verlängert wurde.
Eine Chronologie und Einschätzung der Ereignisse.
Dienstag, 22. Oktober:
Nachdem die am 22. September gewählten Volksvertreter die ihnen vom Grundgesetz in Artikel 39 Abs. 2 zwingend vorgeschriebene Frist von dreißig Tagen voll ausgeschöpft haben, konstituieren sie schließlich das Parlament (Plenarprotokoll). Sie wählen ihren alten und neuen Präsidenten, Norbert Lammert, der schon bei seiner Antrittsrede auf einen „vorläufigen Ältestenrat“ verweist. Dessen Mitglieder sollen fortan unbekannt bleiben.
Der „Ältestenrat“ ist mit rund 30 Mitgliedern sowohl eine der bizarrsten, als auch eine der mächtigsten Institutionen in der Institution Bundestag. Es ist bereits seit Jahrzehnten eine Art Parlament im Parlament. Konsequenterweise kennt ihn bis dato kaum jemand in der Republik, obwohl in ihm „traditionell“ alle Parteien vertreten sind und alle Abläufe im Bundestag (bis hin zu der Frage was auf der Webseite des Bundestages erscheint) penibel abgesprochen werden. Überflüssig zu sagen, dass der „Ältestenrat“ vom Grundgesetz nicht vorgesehen ist.
Ein Beispiel für die Machenschaften dieses stets verschwiegen, intern und im verfassungsrechtlich so typisch „freien“ Raum agierenden „Ältestenrat“:
Im April 2012 scheiterte, nach öffentlichem Druck, der Versuch des Bundestages im Zuge des Durchpeitschens der euro-systemischen Geldgesetze um den „Europäischen Stabilisierungsmechanismus“ E.S.M. das Rederecht von „abweichenden“ Abgeordneten zu beschneiden. Damals flog nicht nur auf, dass dieser Versuch vorher unter Zustimmung aller Parteien am 22. März vom Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung nichtöffentlich beschlossen worden war. Der damalige Geschäftsführer der Abgeordneten von C.D.U./C.S.U. im Bundestages, Peter Altmaier (den Letzten bissen die Demokraten) machte zudem öffentlich, dass der Wahlprüfungsausschuss damit einer Aufforderung durch den „Ältestenrat“ aus September 2011 gefolgt war – unter Zustimmung aller Parteien.. (16.April 2012, Bundestag: Änderung der Geschäftsordnung gescheitert, Euro-Extremisten laufen die Wand runter)
An jenem 22. Oktober 2013 haben die Vertreter des Volkes also bereits auf seltsame Weise einen „vorläufigen Ältestenrat“. Sie beschließen neben der Wahl ihres Präsidenten Lammert auch eine Geschäftsordnung, aus der übrigens der Ältestenrat überhaupt erst seine Legitimation bezieht. Sie beschließen Richtlinien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Sie wählen die stellvertretenden Bundestagspräsidenten, die bedanken sich. Dann singen alle die Nationalhymne und gehen nach Hause.
Was die Abgeordneten nicht tun, ist die ihnen durch das Grundgesetz zwingend vorgeschriebene Wahl von spezifischen Parlamentsausschüssen. Und zwar die Wahl vom
– Vermittlungsausschuss (Artikel 77)
– gemeinsamen Ausschuss von Bundestag und Bundesrat (Artikel 53a)
– Petitionsausschuss (Artikel 45c)
– Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Artikel 45)
– Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten (Außenausschuss), dem Verteidigungsausschuss (Artikel 45a)
– sowie vom bereits weltweit legendären und geachteten Gremium zur Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes, besser bekannt als „Parlamentarisches Kontrollgremium“ (Artikel 45d).
Nachdem sie all dies nicht getan haben, obwohl die Verfassung der Republik ihnen dies diktiert, gehen sie einfach wieder auseinander. Eine zweite Sitzung des Bundestages, z.B. zur Wahl der Ausschüsse, ist nicht angesetzt. Spätestens damit ist die Verfassung durch das Parlament gebrochen worden.
Artikel 39 Verfassung (hier ein zarter Hinweis) bestimmt folgendes:
„Der Bundestag bestimmt den Schluß und den Wiederbeginn seiner Sitzungen. Der Präsident des Bundestages kann ihn früher einberufen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn ein Drittel der Mitglieder, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler es verlangen.“
Doch nichts passiert. Auch und gerade Bundestagspräsident Norbert Lammert kommt damit weder seiner Verpflichtung, noch seiner Verantwortung vor und für Republik und Volk nach.
Auch wie der im Gegensatz zu den verfassungsmäßig vorgeschriebenen Ausschüssen in Windeseile zustande gekommene „vorläufige Ältestenrat“ mit seinen rund 30 Mitgliedern zustande kam – bereits im Vorfeld der konstituierenden Sitzung des Bundestages, ohne auf dessen Tagesordnung auch nur erwähnt zu werden – bleibt im Dunkeln.
28. Oktober:
Mittlerweile ist öffentlich geworden, dass neben der gesamten Bevölkerung auch die heutige Kanzlerin Merkel über ein Jahrzehnt lang abgehört wurde, angeblich nur durch den U.S.-Militärgeheimdienst National Security Agency und nicht etwa durch (in allerlei Daten-Tauschbörsen eng verstrickten) Raubkopierer aller anderen Geheimdienste im Nordatlantikpakt, etwa die staatlichen Geheimdienste der Berliner Republik, oder Spionage-Söldner, oder Spione aus irgendwelchen kriegführenden Kirchenstaaten und Monarchien in Asien. Daraufhin „verständigen“ sich, heißt es, die Führer der Fraktionen Union und S.P.D., Volker Kauder und Frank-Walter Steinmeier, das Parlament ein zweites Mal tagen zu lassen – am 18. November.
Später wird die Führerin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt unter vielen ähs öffentlich machen: die Grünen hatten die Sondersitzung beantragt.
Laut gesagt hatten sie dies allerdings nicht. Warum nur.
Montag, 18. November:
Der Bundestag tagt fast zwei Monate nach seiner Wahl zum zweiten Mal – für ganze viereinhalb Stunden. Nach Reden, die vom „Parlament als Farce“ ausnahmsweise mal gehalten und nicht „zu Protokoll gegeben werden“, passiert nichts. Der Bundestag schiebt mit der Mehrheit von C.D.U., C.S.U., und S.P.D. die von den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke gestellten Anträge in den Hauptausschuss.
Es gibt da nur ein kleines Problem: es gibt gar keinen Hauptausschuss.
Hierzu kann es nun den Hauptbürgerinnen und Hauptbürgern der Republik (kleiner Scherz) nicht erspart bleiben, sich die Auszüge vom Plenarprotokoll des Bundestages in seiner Sondersitzung am 18. November selber durchzulesen:
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/56 sowie zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/65. Die Fraktion Die Linke sowie die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen wünschen jeweils Abstimmung in der Sache. Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen jeweils Überweisung an den geplanten Hauptausschuss.(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den es noch gar nicht gibt! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welcher Ausschuss?)
Wir haben uns im Bundestag schon häufiger mit einer vergleichbaren Fragestellung beschäftigt. Nach einer vom Plenum bestätigten Auslegung der Geschäftsordnung kann die antragstellende Fraktion der Überweisung eines Entschließungsantrages bei vereinbarten Debatten nicht gemäß § 88 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung widersprechen. Daher stimmen wir nach ständiger Übung über Anträge auf Ausschussüberweisung zuerst ab.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt doch überhaupt keinen Ausschuss! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In welche Ausschüsse denn?)
Dazu hat die Kollegin Haßelmann das Wort zur Geschäftsordnung erbeten. – Frau Kollegin Haßelmann.
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wir möchten uns in der Tat gemäß § 29 der Geschäftsordnung gegen das vorgeschlagene Verfahren aussprechen. Zu Recht kam ja aus meiner Fraktion gerade schon der Zwischenruf: „In welche Ausschüsse denn?“(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Meine Damen und Herren, es ist völlig klar: Der Bundestag hat sich bis zum heutigen Tag keinen Ausschuss gegeben. Bis kurz vor der Sitzung waren CDU/CSU und SPD ja noch nicht einmal einig, an welchen Ausschuss – in Klammern: den es gar nicht gibt – das Ganze überwiesen werden soll.
(Günter Krings [CDU/CSU]: Ja, eben! Das ist doch konsequent!)
Auf der einen Seite war auf der Arbeitsebene zu hören: an den Innenausschuss. Auch der, meine Damen und Herren, ist noch nicht eingerichtet. Auf der anderen Seite war zu hören: an den Hauptausschuss. Auch den gibt es noch nicht.
Aus diesem Auszug der Parlamentsdebatte sind zwei Dinge ersichtlich.
1. Der „Hauptausschuss“, eine präzedenzlose und nach Einschätzung nicht unmaßgeblicher Personen verfassungswidrige Institution – von der in 64 Jahren Grundgesetz nie die Rede war, nicht im Kalten Krieg mit der Sowjetunion, nicht während der deutschen Teilung, nicht im „Deutschen Herbst“, nicht während Attentaten, Entführungen von Passagierflugzeugen, Geiselnahmen, usw – wurde kurz vor der Sondersitzung des Bundestages zur internationalen Spionage-Affäre am 18. November 2013 aus einer noch zu definierenden Tasche gezogen.
Die Idee diesen „Hauptausschuss“ zu installieren war also keinesfalls, wie später kolpotiert, ein erst am 20. November von Bundestagspräsident Norbert Lammert vorgebrachtes Konzept.
2. Zumindest einige der Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen waren zu Beginn der Debatte über den Plan der Installation dieses Hauptausschusses bereits informiert.
Des Weiteren sind folgende Dinge festzustellen:
1. Unter Berücksichtigung des bereits am 22. Oktober gebildeten „vorläufigen Ältestenrates“ ist es sehr wahrscheinlich, dass „auf der Arbeitsebene“ (Zitat MdB Haßelmann) auch die Linksfraktion umfasst, zumindest deren Führung. Dennoch erwähnte der Führer der Bundestagsabgeordneten von Die Linke, Dr. Gregor Gysi, den geplanten Hauptausschuss bei seiner Rede mit keinem Wort. Offensichtlich gab es dazu „keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit“.
Stattdessen – Snowden. Snowden. Ich sag nur: Snowden.
Um nicht wieder in den Verdacht zu kommen, mich an meinem Lieblingssandsack abzuarbeiten – welche Aufgabe hat ein Abgeordneter im Parlament eigentlich? Wofür wird er bezahlt und von wem? Und ist das alles – bezahlt zu werden für irgendetwas? Baut die Aufrechterhaltung dessen, was von der zweiten deutschen Demokratie noch übrig ist, 23 Jahre nach dem Fall der Mauer und 95 Jahre nach der deutschen Revolution, auf Leute die dafür bezahlt werden? Wie sicher ist das?
2. Im „Parlamentarischen Kontrollgremium“, was bislang verfassungswidrig nicht gebildet wurde und stattdessen (ebenfalls verfassungswidrig) „geschäftsführend“ mit Personen weiter macht die nicht einmal mehr Abgeordnete des Parlaments sind, sitzen u.a. drei Personen, von denen zwei sehr deutlich in die Installation dieses „Hauptausschusses“ involviert waren und eine dazu bis dato um die Wette schweigt: Thomas Oppermann (S.P.D.), Michael Grosse-Bröhmer (C.D.U.) und Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen).
Und was sagte Hans-Christian Ströbele – der später zwischenrief, der geplante Hauptausschuss sei „noch“ nicht eingerichtet – bei seiner legendären Rede?
Snowden. Er sagte nur: Snowden. Ja. Snowden.
MdB Ströbele sagte sicher auch viel Gutes und Richtiges. Aber das sagte Otto Wels am 23. März 1933 auch, nachdem S.P.D., K.P.D. und A.D.G.B monatelang nicht zum Generalstreik aufgerufen hatten und damit bis heute mitsamt ihrer Nachfolge-Organisationen all das mit zu verantworten haben – JA! DAS HABEN SIE! – was danach geschah.
Es kommt nicht nur darauf an, was man tut. Es kommt auch darauf an, was man nicht tut. Wer das nicht begreift, begreift nichts. Und schon gar nicht die Geschichte, zu allerletzt die deutsche.
Mittwoch, 20. November:
Die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sitzt im Morgenmagazin.
Sie wird von ARD-Korrespondentin Christiane Meier mit der Situation konfrontiert, dass die geschäftsführende Regierung „einfach weiter“ macht und der Bundestag „gar nichts“. Meier verweist auf ein Treffen der Geschäftsführer der Fraktionen im Bundestag mit Parlamentspräsident Lammert im Laufe des Vormittags, in dem wohl überlegt werden solle „wie man eigentlich mal als Parlament arbeiten kann“. Darauf angesprochen sagt die Vizepräsidentin des Bundestages Göring-Eckart folgendes:
„Also ich mein, wir haben ja was getan, wir haben eine Sondersitzung, äh, beantragt, die hat stattgefunden, sonst hätten wir über diese wahnsinnige N.S.A.-Affäre noch nicht mal im Bundestag diskutiert. Äh, wir haben jetzt eine zweite Sondersitzung beantragt, weil es, äh, natürlich auch, äh, Einsätze, Militäreinsätze gibt, Mandate gibt, die der Bundestag verlängern muss, nicht irgendjemand anderes, und, äh, jetzt ist irgendwie so der Versuch sich da durch, äh, zu mogeln, nach dem Motto, das eine brauchen wir vielleicht nicht zu verlängern, äh, das, äh, O.A.E.-Mandat, bei den Sudan-Mandaten macht man´s irgendwie.. Also was da jetzt passiert, dass ist der Versuch das Parlament kaltzustellen, das ist der Versuch mit, äh, Koalitionsverhandlungen zu simulieren dass, äh, irgendwas passiert und das ist vor allen Dingen eine Situation die der Demokratie nicht wahnsinnig nützt. Also, das ein Parlament nicht arbeiten kann, weil zwei potentielle Koalitionspartner ewig lange in riesigen Runden miteinander diskutieren und ´ne Show aufführen müssen, das ist dramatisch.“
Was Göring-Eckardt, die alte Atlantik-Brücke in den Bundestag, damit sagen wollte:
Ende des Jahres läuft die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der U.S.-geführten Kriegsflotte unter dem Mandat „Operation Active Endeavour“ „im Mittelmeerraum“ aus. Und genau dieses, äh, äh, „O.A.E.-Mandat“ sollte eben an jenem gestrigen Mittwoch durch die geschäftsführende Regierung aus C.D.U., C.S.U. und F.D.P. ohne Parlamentsbeschluss verlängert werden – als „eine Art Exekutiv-Mandat“. Der „Spiegel“ erklärte dazu bereits am 16. November:
„Die Union hätte ihre Verlängerung. Die SPD könnte sagen, sie habe nicht dafür gestimmt.“
Es ist unklar, ob diese verfassungswidrige Verlängerung eines Militäreinsatzes ohne Parlamentsbeschluss – nicht nur vor der Haustür des Syrien-Krieges, sondern im Zuge einer „Präsenz- und Überwachungsoperation“ mindestens durchs Schlüsselloch schauend – durch die geschäftsführende Regierung mit Unterstützung der angehenden Regierungspartei S.P.D. gestern tatsächlich erfolgte. Offenbar wurde das letztlich abgesagt. Jedenfalls taucht in den Bundestags-Unterlagen beim O.A.E.-Militärmandat nicht der Hinweis auf „Mandatsverlängerung soll nach jetzigem Stand durch einen noch zu bildenden Hauptausschuss erfolgen“ – allerdings bei den Militäreinsätzen im Nord-Sudan (U.N.A.M.I.D.) und im Süd-Sudan (U.N.M.I.S.S.).
Man kann nun wirklich nicht behaupten, die Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt hätte um diesen Skandal großes Aufhebens gemacht.
Stattdessen einigte man sich offensichtlich später lieber still und leise, beim Treffen mit dem lieben guten Norbert.
Immer noch Mittwoch, 20. November. Stunden später:
Nachdem sich Parlamentspräsident Lammert mit den parlamentarischen Geschäftsführern ihrer KundInnen in den Bundestagsfraktionen mal unterhalten hat, verkündet er eine Sondersitzung am Donnerstag dem 28. November.
Weder der „Süddeutschen“, noch ihm selbst scheint es allerdings der Erwähnung weiter wert zu sein, dass diese von Bündnis 90/Die Grünen beantragt worden war, was, ja, äh, äh, Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt im Morgenmagazin erwähnt hatte.
Was natürlich die Frage aufwirft: hatte die Fraktion Die Linke, deren Abgeordnete Petra Sitte und Halina Wawzyniak („Hauptausschuss einrichten. Einen was?“) zur Sache viele gute Sachen sagten, keine Sondersitzung beantragt?
Wenn nein: warum nicht? Und wenn doch: warum hatte die Führung der Fraktion, mein Sandsack Gysi, damit nicht genauso angegeben wie mit allem anderen zu dass meinen seinen Haufen jagen muss? Und hierfür zählt (leider) die Summe, nicht die einzelnen Teile, so wohlmeinend die auch sein mögen.
Auf der Tagesordnung des Bundestages am 28., schreibt die „Süddeutsche“,
„werden Mandatsverlängerungen der Bundeswehr sowie Beratungen über Gesetzentwürfe der Linken stehen. Auch soll dann über den Antrag zur Einsetzung des Hauptausschusses beraten werden.“
Warum steht dass in der „Süddeutschen“ und nicht auf der vom „vorläufigen Ältestenrat“ kontrollierten Webseite unseres Parlaments?
Wird dieser „Hauptausschuss“, wie Lammert beteuert, tatsächlich aufgelöst, nachdem sich die Herren und Damen Vertreter des Volkes (sind wir eigentlich Teppiche, auf denen man vorm Verkauf noch testweise herumtrampeln kann?) dazu bequemt haben die verfassungsmäßigen Ausschüsse zu bilden? Wer garantiert uns das?
Kann dieses „Notparlament“ dann nicht, nach einmal erfolgreich aufgeblasenem Testballon, jederzeit wieder einberufen werden? Und wie laut will wieder einmal das Bundesverfassungsgericht zu der ganzen Affäre schweigen? Auf wie viel Händen kann man eigentlich sitzen, wenn man es in die Robe geschafft hat? Das hat es ja selbst in Weimar nicht gegeben!
Und wo wir schon beim Thema sind.
Am 28. Februar 2012 veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht eines seiner verheerendsten Urteile überhaupt, jedenfalls bis jetzt.
Am 26. Oktober 2011 hatte der Bundestag „auf der Grundlage eines von allen Fraktionen eingebrachten Wahlvorschlags (BTDrucks 17/7454)“ einstimmig ein faktisches Sonderparlament von neun Personen beschlossen, um an sich selbst vorbei geheim über Milliarden von Staatsgeldern für das Euro-System über die luxemburgische Aktiengesellschaft „European Financial Stability Facility“ zu entscheiden. Die Konstituierung dieses neunköpfigen Parlament des Kapitals verhinderte das Bundesverfassungsgericht am 28. Oktober per vorläufiger Eilentscheidung buchstäblich in letzter Sekunde, bevor es sich konstituiert hatte.
Es mag daran gelegen haben, dass zwei Abgeordnete der S.P.D. geklagt hatten, MdB Swen Schulz und MdB Peter Danckert. (Bundesverfassungsgericht setzt EFSF-Sonderparlament im Bundestag außer Kraft)
In seinem endgültigen Urteil 2 BvE 8/11 zum E.F.S.F-Sonderparlament am 28. Februar 2012 aber verbot das Bundesverfassungsgericht keinesfalls grundsätzlich die Installation eines Sonderparlaments. (Die Note Neun der Demokratie)
Auch erkannte das Verfassungsgericht das (durch die Außerkraftsetzung des regulären Gesetzgebungsprozesses über die Geschäftsordnung mit Zustimmung aller Parteien innerhalb einer Woche ermöglichte und dann) am 21. Juni 2010 durch Bundestag und Bundesrat gepeitschte „Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“ (Stabilisierungsmechanismusgesetz, StabMechGoder nicht für verfassungswidrig, nicht einmal dessen § 3 Absatz 3 – im Gegenteil: Vielmehr hoben am 28. Februar 2012 die „Verfassungshüter“ in Karlsruhe das heute so viel zitierte Wüppesahl-Urteil aus 1988 im Kern faktisch auf.
Nacheinander.
Auszug aus dem Wüppesahl-Urteil 2 BvE 1/88 des (westdeutschen) Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juni 1989:
„b) Dem Bundestag obliegt es, in dem von der Verfassung vorgezeichneten Rahmen seine Arbeit und die Erledigung seiner Aufgaben auf der Grundlage des Prinzips der Beteiligung aller zu organisieren (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG).
c) Alle Abgeordneten sind berufen, an der Arbeit des Bundestages mit gleichen Rechten und Pflichten teilzunehmen. Dies folgt vor allem daraus, daß die Repräsentation des Volkes vom Parlament als ganzem, dh in der Gesamtheit seiner Mitglieder als Repräsentanten, bewirkt wird. Dies setzt die gleiche Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten voraus.“
Und wie entschied das Bundesverfassungsgericht des in über 22 Jahren so bizarr gewandelten „Eurolandes“ am 28. Februar 2012, namentlich die Richter Andreas Vosskuhle, Gertrude Lübbe-Wolff, Michael Gerhardt, Herbert Landau, Peter Michael Huber, Monika Hermanns und Peter Müller, im 2 BvE 8/11?
„Differenzierungen in Bezug auf den Abgeordnetenstatus bedürfen zu ihrer Rechtfertigung entsprechend den sich aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ergebenden Anforderungen eines besonderen Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann.“
Einen besonderen Grund. Einen besonderen Grund. Na der wird sich doch wohl finden lassen. Potentiell. Präventiv. Euro. Der ist Europa. Armageddon. Bankendämmerung. Finanzmarktstabilität. Wir müssen alles tun. Wir, Wir, Wir. Muss, Muss, Muss. Das Muss entscheidet. Irgendwie, so, ja, nee. Alles Verfassung außer Mutti.
Und jetzt lesen wir noch die Einlassungen dieses Superspionkontrolleurs von Michael Grosse-Brömer aus dem „Parlamentarischen Kontrollgremium“, nebenberuflich auch noch erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion von C.D.U. / C.S.U.
Grosse-Brömer auf der Webseite der Unionsfraktion zur geplanten Installation eines „Hauptausschusses“.
„In dieser Phase des Übergangs von einer Regierung zur nächsten sind den Aktivitäten des Bundestags Grenzen gesetzt. Die alte Regierung ist geschäftsführend im Amt. Die Vorlagen und Gesetzentwürfe sind von begrenzter Anzahl. Wir wissen zudem noch nicht, wie genau die neue Bundesregierung aussehen wird, ob die Koalition zwischen Union und SPD tatsächlich zustandekommt, wie die Ministerien zugeschnitten sein werden und welches Haus von wem geführt werden wird. Das alles ist aber entscheidend für die Arbeit des Bundestags und vor allem für Anzahl, Zuschnitt und Besetzung der Ausschüsse. Es besteht eine faktische (!) Wechselwirkung zwischen Regierung und Parlament.„
Dreister kann man die Verfassung nicht mehr ignorieren und sich trotzdem (oder dadurch?) im Grenzbereich der in den letzten Jahren durch den Wahlausschuss des Bundestages in Karlsruhe installierten Verfassungsrichter und Parteipolitiker bewegen. Es passt exakt in das Szenario der Institutionalisierung eines abrufbaren Ausnahmezustands, dass nach eigenen Angaben Grosse-Brömers durch das neue faktische Notstandsparlament „Hauptausschuss“ „etwaige Beschlüsse des Euro-Rettungsmechanismus ESM“ vorbereitet werden sollen.
Ich habe gestern auf Twitter geschrieben:
Wenn dieses „Parlament“ nicht sofort die Arbeit aufnimmt, bekommt der Begriff „zusammenschlagen“ bald eine völlig neue Bedeutung.
#Bundestag
Ich habe bereits mehrfach geschrieben, dass nach meiner Definition Politik die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist. Der preussisch-monarchistische General Clausewitz war da bekanntlich entgegengesetzter Meinung, völlig klar. Schließlich war er Monarchist und Militär.
Ich habe heute versucht so fest zuzuschlagen wie ich konnte, um dieses Parlament zusammenzutreiben (vielleicht hätte ich „zusammentreten“ schreiben sollen). Bringt auch dies nichts, möge das Volk über diesem Parlament – was vor sich selbst wegrennt und nichts mehr hasst als die Arbeit zu der es verpflichtet ist – zusammenschlagen wie das Rote Meer über den Dienern des Pharao. Diese Demokratie muss entkommen.
Ich bin nicht daran interessiert irgendwelche Konflikte zu starten, sondern es liegt vielmehr in meinem Interesse sie zu beenden. Es muss hier allerdings jedem und jeder klar sein, dass wir uns seit geraumer Zeit einem schleichenden Staatsstreich gegenübersehen, dessen Truppenteile unter fremden, ganz bestimmt nicht verfassungsmäßigem oder gar verfassungstreuen Befehl stehen und immer wieder gegen die Festung Grundgesetz anrennen wie die Griechen gegen Troja. Sie testen. Sie schleichen vor den Mauern herum, quatschen die Torwächter voll, sie testen, sie planen und stellen im Vorfeld immer wieder schicke schöne Holzpferdchen auf, schmeissen Bonbons auf die Zinnen und warten darauf dass die Idioten von Trojaner die Pferdchen auch noch selbst in die Burg schleppen.
Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass dies auch einen Krieg der Nerven repräsentiert. Nerven aber brauchen wir keine mehr. Lassen wir sie einfach weg. Konzentrieren wir uns alle auf das Wesentliche: Taten, nicht Worte. Worte haben wir alle schon gehört. Vertrauen wir nur denjenigen, die es sich verdient haben. Das kann man nicht bezahlen. Das ist unkaufbar.
Seien wir also sehr vorsichtig, wem oder welcher wir in den Funktionen der Macht auch nur ein einziges Wort glauben. Halten wir das Volk aus diesem allgemeinen, fundamentalen und unverrückbaren Misstrauen heraus, denn das hat es nicht verdient.
Unserem (Staats)Volk, dem Volk der Republik, können wir vertrauen, genauso wie dem immateriellen Grundgesetz. Wer glaubt, kann auch Gott vertrauen.
Alles andere und alle anderen haben bei uns keinen Kredit mehr.
Keinen.
(…)
Artikel zum Thema:
13.11.2013 Verfassungsänderungs-Entwurf von “Mehr Demokratie e.V.”: Eine Putsch-Infrastruktur
Entsprechende weitere anvisierte Verfassungsänderungen im Entwurf ergänzen diese anvisierte verfassungsrechtliche Putsch-Infrastruktur von “Mehr Demokratie e.V.”, die es ermöglichen würde – z.B. unter begünstigenden Bedingungen wie Spannungsfällen, psychologischen Ausnahmesituationen, durch “systemrelevante” internationale Banken erzeugte Geldknappheit, Deflation und Rezession wie zu Beginn der 30er Jahre oder / und entsprechenden internationalen Entwicklungen – durch einfache Mehrheit in einer Volksabstimmung Republik und Grundgesetz zu stürzen.
Artikel auf Rechtschreibung und Formulierungen korrigiert am 22.11, 09.20 Uhr
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