„Gefahrengebiet Hamburg“ – sozialpsychologischer Testballon
Nach Gefahrenabwehrzentren nun Gefahrenabwehrgebiete:
Am 3.Januar 2014 veröffentlichte die Polizeibehörde Hamburg in einer Presseerklärung die Einrichtung einer Sonderzone über grosse Gebiete der Hansestadt ab dem 4.Januar 6.00 Uhr, in der den Beamten besondere Befugnisse zur Kontrolle der Bürger übertragen wurden. Als Grund werden unter anderem Angriffe auf die Davidwache im letzten Monat genannt.
Diese überzogene Anordnung entbehrt jeglicher Realität, denn eine kleine Anzahl von Polizisten, abwechselnd im Schichtbetrieb von zwei Personen, hätten völlig ausgereicht, das Gelände vor dem Polizeirevier zu observieren. Zudem wird es wohl kaum an einer Überwachungskamera an dem Gebäude mangeln, die überall im öffentlichen Raum Einzug halten.
Personenbezogene Kontrollmassnahmen fanden im vergangenen Jahr in vielen deutschen Städten und im Transportwesen unter fadenscheinigen Begründungen statt.
Hamburg nun scheint ein willkommener Anlass zu sein, unter dem Vorwand der zahlreichen Protestaktionen nicht nur im vergangenen Jahr, bewusst in provokanter Manier demokratisch garantierte Bürgerrechte ausser Kraft zu setzen, um die Reaktionen der Gesellschaft zu studieren. Dazu gehören die Dynamik des Gruppenverhaltens, die Reaktion und Organisation in sozialen Netzwerken, der Art und Grösse des Widerstands in der Bevölkerung direkt vor Ort und bei Twitter oder Facebook. Die berechtigte Empörung und Diskussionen können gar nicht gross genug sein!
Man kann sich sicher sein, dass das Echo der Presse, der Juristen und der Politiker auf diese grossangelegte Repression genau analysiert werden, um zukünftige Strategien auszuarbeiten, die der schleichenden Entdemokratisierung hin zur Etablierung eines Polizeistaats dienen. In kleinen Schritten werden mit diesem Vortasten die nächsten Massnahmen geplant.
Einzelne sportliche Scharmützel, um es den Polizeibeamten jetzt erst recht zu zeigen, mögen das eigene Ego befriedigen, etwas gegen diesen Kontrollwahn unternommen zu haben. Das massenhafte Überfluten mit Spaziergängen in den ausgerufenen Gebieten ist ein richtiges Zeichen des zivilen Ungehorsams. Letztendlich bedienen sie unbeabsichtigt das vorgegebene Klischee, dass die Polizei wieder „Recht“ mit ihren „widerspenstigen Chaoten“ hatte und tappen in die aufgestellte Hamburger Falle, wenn sie zu unüberlegte Provokationen gegen einzelne Beamte durchführen.
Um in Zukunft weitere ausgerufene „Gefahrengebiete“, die nichts anderes sind als verkappte Gebiete mit herrschendem Kriegsrecht (seht nach Ägypten – auch wenn dieses Beispiel noch extrem erscheinen mag), in Deutschland zu verhindern und das „Schanzen-Experiment“ sofort abzubrechen, sind alle demokratischen Kräfte in diesem Land herausgefordert, diesem Wahn ein Ende zu bereiten und zugleich die Gefahrenabwehrzentren in den Ballungsgebieten mit in Frage zu stellen, in die Millionen über Millionen Euro zur Bevölkerungskontrolle inklusive Aufstandsbekämpfung investiert werden. In unten angegebener Presseerklärung der Piratenpartei wird die Forderung der Polizei nach „erleichtertem Schusswaffengebrauch“ offenbart!
Gewisse Schichten haben Angst vor ihren Bürgern, ihre Plünderungen und der Ausverkauf gesellschaftlichter öffentlicher Güter durch Verkauf an private Investoren unter Vortäuschung angeblicher Effizienz ist zu weit gegangen. Demonstrationen werden nicht aus Spass organisiert.
Eine Antwort auf Hamburg ist eine gesellschaftliche Frage, keine der polizeilichen Sicherheit wegen verletzter Beamter, die wohlmöglich durch provozierte Aktionen verdeckter Agenten verursacht wurden.
Jetzt wird es sich zeigen, wer eine Lanze bricht für die Demokratie, geschützt durch das Grundgesetz – oder wer feige schweigt.
Parteien, Presse, Fernsehen, Radio, Organisationen, Gewerkschaften, Intellektuelle, gewählte Abgeordnete, Schriftsteller, unabhängige Medien: Wo bleiben die Stimmen zur Verteidigung unseres Landes gegen diese offene Provokation? Sprecht sie unüberhörbar ohne wenn und aber aus! Unzählige einzelne Bürger haben mit Zivilcourage den Anfang gemacht.
Hamburg hat sich verrechnet, das „Gefahrengebiet“ bringt nun – ausser dem Anteil der immer vorhandenen Mitläufer und notorischen Ignoranten – (sinngemäss) Blinde zum Sehen, Lahme zum Gehen, Taube zum Hören und Stumme zum Sprechen wie ein Heiliger Wallfahrtsort.
Nun hier am Ball bleiben und weiter in die Offensive gehen! Presseerklärung der Piratenpartei Hamburg vom 4.Januar 2014:
„#hh2112: Aufrüstung statt Aufklärung? PIRATEN fordern parlamentarischen Untersuchungsausschuss statt polizeilicher Sonderrechte“
Auf Antrag der Grünen wird es am Montag, den 06.01.2014, dann aber doch eine Sondersitzung des Innenausschusses zu diesem Thema geben. Aus Polizeikreisen werden währenddessen Forderungen nach sogenannten “nichttödlichen Waffen”, wie Gummigeschossen, Elektroschockern und sogar dem erleichterten Schusswaffengebrauch laut. An diesem Freitag richtete die Polizeiführung zudem wieder ein sogenanntes “Gefahrengebiet” ein, dass der Polizei von Altona-Nord, über das Schanzenviertel bis nach St.Pauli grundrechtseinschränkende Sonderrechte einräumt [2]. Die Hamburger PIRATEN lehnen diese Aufrüstung ab und fordern vollständige Aufklärung der Ereignisse vom 21.12. des vergangenen Jahres.
Ob eine Sondersitzung zur Aufklärung reichen wird ist fraglich. Wir PIRATEN fordern daher einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) und die Ladung der Einsatzleitung der Polizei, Peter Born und Hartmut Dudde, des Innensenators Michael Neumann, sowie der Anwälte aus dem Ermittlungsausschuss als Zeugen. Für die Durchsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses fehlt den Linken mit den Grünen zusammen allerdings das erforderliche Viertel der Abgeordneten, dass für die Einsetzung eines PUA Voraussetzung ist. Aber warum sollte die SPD eine Untersuchung ablehnen – wenn sie nichts zu verbergen hat? Hier geht es schließlich nicht um Privatsphäre.
(…)