S21-Verträge kündigen – Stuttgarter Interessen vertreten!
Beitrag von Dr. Carola Eckstein, Parkschützerin, bei der gestrigen Pressekonferenz zum Start der Kampagne „Für unsere Stadtbahn!“ der Stuttgarter Bürgerbewegung gegen „Stuttgart 21“ (S21).
Wir starten heute die Kampagne ‚Für unsere Stadtbahn‘, mit der wir uns gegen die angedrohte Amputation der Stadtbahn richten. Wir fordern Stadt und SSB auf, sich gegen diese neuerlichen Zumutungen der Bahn entschieden zur Wehr zu setzen.
Ursprünglich ist die Bahn AG mit einer S21-Bauplanung angetreten ohne nennenswerte Beeinträchtigung der S-Bahnen und Stadtbahnen. Leider steigen von Planänderung zu Planänderung nicht nur die Kosten, sonder auch die Zumutungen für die Stuttgarter Bürger nehmen immer drastischere Ausmaße an. Das Chaos, das die Bahn bei der S-Bahn angerichtet hat, erleiden tausende Pendler tagtäglich – nach den Plänen der Bahn soll es für die Stadtbahn nun noch viel schlimmer kommen:
Für in Summe drei Jahre will die Bahn den Stadtbahnverkehr lahm legen, mit Totalsperrungen der Strecken rund um die Haltestelle Staatsgalerie. Die Rede ist von 9 Monaten Sperrung der Strecke Staatsgalerie-Charlottenplatz und mindestens 26 Monaten Sperrung der Strecke Staatsgalerie-Hauptbahnhof. Gleichzeitig will die Bahn hier auch den Bus- und Autoverkehr massiv beeinträchtigen. Konkretes Problem ist nach wie vor der Nesenbachkanal, bzw. der notwendige Düker, um diesen Kanal unter dem geplanten Bahnhofstrog durchzuführen.
Vielleicht erinnern Sie sich, am 17. Juni 2011 gab es hier vor dem Planetarium eine Parkschützer-Aktion unter dem Titel ‚Nesenbach-Düker: Schon seit 400 Tagen im Verzug‘. Schon damals war klar, dass die von der Bahn vorgesehene hochriskante Bohrung des Dükers vollkommen unrealistisch ist; es fand sich keine Baufirma, die den heiklen Auftrag übernehmen wollte. Fast drei Jahre später, etliche Monate nach der ursprünglich geplanten Fertigstellung des Dükers, ist der Bau noch immer nicht begonnen – und die Bahn räumt ein, dass die Planung erheblich geändert
werden muss. Statt zu bohren will sie jetzt in offener Bauweise graben. Das hat verheerende Folgen:
Die Stadtbahnen können nicht – wie eigentlich vorgesehen – unbehelligt über der Bohrung weiterfahren, der Stadtbahnverkehr muss vielmehr jahrelang unterbrochen werden; Mit der geplanten Baugrube reißt die Bahn als erstes ein großes Loch in den bestehenden Stadtbahntunnel der Linien U9, U11 und U14 (siehe beiliegende Pläne). Ein neuer Tunnel kann aber erst gebaut werden, wenn alles andere fertig ist, d.h. frühestens nach zwei Jahren. Diese Totalunterbrechung der Stadtbahnverbindung Staatsgalerie-Hauptbahnhof ist Teil der von der Bahn beantragten 14. Planänderung. Genehmigt ist diese Planänderung nicht, es ist jedoch keine öffentliche Anhörung vorgesehen, Einwendungen seitens der Stadt oder der SSB sind nicht bekannt, obwohl diese 14. Planänderung die Stuttgarter Bürger und die Stadtbahn-Nutzer ganz erheblich beeinträchtigen würde. Die Interessen der vielen tausend Betroffenen sind nicht vertreten. Daher ist diese Interessenvertretung eine zentrale Forderung unserer Kampagne an die
Stadt Stuttgart, an Bürgermeister Föll allen voran.
Egal wie man zu S21 steht – die Amputation der Stadtbahn rund um die Haltestelle Staatsgalerie ist inakzeptabel. Von den geplanten Streckensperrungen wären täglich zigtausende betroffen, auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen und wieder zurück. Schon jetzt leidet Stuttgartunter den täglichen Staus, ein Wegfall der zentralen Stadtbahnverbindung Staatsgalerie-Hauptbahnhof würde wohl zum totalen Verkehrsinfarkt führen.
Deshalb fordern wir: Keine Amputation der Stadtbahn!
Gefordert sind SSB-Vorstand Arnold ebenso wie Aufsichtsräte, Bürgermeister und Gemeinderäte, die für die SSB in der Verantwortung stehen. Erster Adressat der Kampagne ist Michael Föll als CDU-Bürgermeister und Aufsichtsrat. Er befürwortet das Tunnelprojekt S21 von Anfang an und nach wie vor. Als verantwortlicher Bürgermeister und SSB-Aufsichtsrat muss er sich der realen Sachlage und den Konsequenzen stellen. Er muss sich fragen lassen, ob S21 auch dann noch zu befürworten ist, wenn der versprochene Nutzen nicht eingelöst werden kann, der Schaden für die Stadt Stuttgart dafür aber immer größer wird.
Bürgermeister Föll, ebenso wie seine Kollegen und der Gemeinderat sind in erster Linie dem Wohl der Stadt Stuttgart und damit dem Wohl der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet. Auf der anderen Seite hat sich die Stadt mit den Verträgen zu Stuttgart 21 eine „Projektförderpflicht“ auferlegt, die nun zu einem offensichtlichen und problematischen Interessenkonflikt führt. Im eigenen Interesse muss die SSB eine Zerstörung ihrer Tunnel zugunsten des Bahnprojekts S21 verweigern. Im Interesse ihrer Bürger darf die Stadt Stuttgart eine solche Planung seitens der Bahn nicht akzeptieren – letztlich geht es um Eigentum der Stadt, das die Bahn mit ihrer
neuerlichen Planänderung substantiell schädigen will.
Eine entschiedene und vehemente Interessenvertretung für Stuttgart und seine Bürger ist also dringend erforderlich. Um hier unbehindert agieren zu können, sollte die Stadt die S21-Verträge und damit ihre Projektförderpflicht so schnell wie möglich kündigen. Die Vertragsverletzungen seitens der Bahn bieten mehr als genug Grund zur Kündigung, auch juristisch relevante Kündigungsgründe, zwei davon sind in den beiden Bürgerbegehren Storno21 und Leistungsrückbau beschrieben. Wir fordern Bürgermeister und Gemeinderat auf, diese Kündigungsgründe zu nutzen und zukünftig wieder Stuttgarter Interessen zu vertreten, statt sich vor den Karren der Bahn spannen zu lassen.
In einer ersten Phase der Kampagne geht es vor allem darum, die vielen Betroffenen zu informieren und eine öffentliche Diskussion des Themas zu forcieren – die vielen tausend täglich betroffenen Bürger müssen die Möglichkeit bekommen, ihren Interessen Gehör zu verschaffen. Dazu haben wir einen ersten Flyer erstellt, der ab heute zu tausenden in den Bahnen und an den Haltestellen verteilt wird (siehe Flyer). Ein weiterer Flyer richtet sich direkt an die betroffenen SSB-Mitarbeiter. Im nächsten Schritt geht es dann darum, die Verantwortlichen bei Stadt und SSB direkt zu adressieren, wobei die Hauptverantwortung bei Bürgermeistern und Gemeinderäten liegt: Die SSB gehört der Stadt, unterliegt also den Entscheidungen der Stadt. Außerdem sind 10 der 20 SSB-Aufsichtsräte Mitglieder des Gemeinderats.
Die Kampagne wird auch den kommenden Gemeinderatswahlkampf nutzen: Es wird darum gehen, wer von den Kandidaten sich tatsächlich für die Interessen der Bürger einsetzt, auch schon vor der Wahl, und wer die ‚Projektförderpflicht‘ der Stadt gegenüber der Bahn über die Interessen der Stuttgarter Bürger stellt.