STAATSAFFÄRE: Was Regierung, Parteien und Bundeskriminalamt zu verbergen haben

Justizminister Heiko Maas will abwarten, bis die Edathy-Affäre aufgeklärt ist. Kein Problem.

Zusammenfassung

Das Bundeskriminalamt (B.K.A.) wird von kanadischen Behörden in 2011 mit der Nase in die Kinderpornografie eines ihrer pädophilen Spitzenbeamten gestoßen, mitsamt der des hochrangigen Partei-Funktionärs und Abgeordneten Sebastian Edathy. Dessen Name steht neben dem Namen des hochrangigen B.K.A.-Funktionärs auf der gleichen „Kundenliste“, die just in der Abteilung eben dieses B.K.A.-Beamten reinrauscht. Das Bundeskriminalamt, nicht einmal die zuständige Ermittlungsbehörde für Verfahren wegen Kinderpornografie, leitet diese Namensliste zwei Jahre lang nicht an die Länderpolizeien weiter, weil es nach eigenen Angaben dafür so überarbeitet ist, dass die eingesetzten Beamten schon psychologische Hilfe benötigen. Es bemerkt nach eigenen Angaben bereits im Januar 2012 den Namen des eigenen hochrangigen Funktionärs auf der Liste, aber nicht den von MdB Edathy, volle zwei Jahre nicht, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes unterschreiben am 24. Januar 2014 diesbezüglich eine dienstliche Erklärung. Erst als das B.K.A. die Namensliste am 15. Oktober 2013 schließlich an die zuständigen Länderpolizeien weiterleitet (oder weiterleiten muss), bekommt die höchstrangige Polizeibehörde Deutschlands noch am gleichen Tag einen Rückruf aus der Polizeiinspektion Nienburg, wo man innerhalb von Stunden bemerkt was das B.K.A. zwei Jahre lang nicht begriffen haben will.

Von allen anderen Kleinigkeiten mal abgesehen (mutmaßliche Weitergabe von Dienstgeheimnissen des geschäftsführenden Innenministers Hans-Peter Friedrich an den S.P.D.-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, legendäres Nichtgespräch von S.P.D.-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann und B.K.A.-Präsident Jörg Ziercke, der Brief einer Staatsanwaltschaft der nach fünf Tagen geöffnet den Bundestag erreicht, etc), was passiert dann?

Der Justizminister Heiko Maas („Sozialdemokratische Partei Deutschlands“) stellt sich hinter „die Sicherheitsbehörden“.

„Jetzt müsse abgewartet werden, bis alles aufgeklärt sei“

Na dann wollen wir mal.

Im Detail

Aus dem Statement von Jurist Dr. Thomas Oppermann, ehemals Richter in Hannover, langjähriger Vorsitzender des „Parlamentarischen Kontrollgremiums“, ab 2007 unter der ersten „großen Koalition“ der Kanzlerin Merkel parlamentarischer Geschäftsführer der S.P.D.-Bundestagsfraktion und heute deren Führer, nach der Sitzung des Innenausschusses am 19. Februar (Zitat 5.20 min):

„Übrigens wusste ich natürlich auch, dass das B.K.A. gar nicht die zuständige Ermittlungsbehörde für Verfahren wegen Kinderpornografie ist, sondern das B.K.A. ist da lediglich als Zentralstelle zuständig um aus internationalen Quellen erlangte Informationen oder Erkenntnisse an die Länderpolizeien weiterzureichen.“

Wir berichten an jenem 19. Februar auch über das Statement des 2004 unter den Parteigenossen Kanzler Gerhard Schröder und Innenminister Otto Schily ernannten Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke (S.P.D.). (Ziercke: Bundeskriminalamt saß zwei Jahre auf Edathys Namen)

Ziercke tritt nach der Sitzung des Innenausschusses vor die Presse und erklärt, das Bundeskriminalamt habe zwei Jahre lang auf Edathys Namen gesessen, da es bereits im Oktober 2011 von den kanadischen Behörden eine Liste mit 800 Personen (-namen) (“deutschen Kunden”), erhalten hatte, dazu insg. vierhundert Gigabyte Beweismaterial. Als das B.K.A. dann, so Ziercke, am 15. Oktober 2013 die Namensliste endlich an die Landeskriminalämter verschickte, bekam es noch am selben Tag gegen Nachmittag einen Rückruf aus der Polizeiinspektion in Nienburg , der den B.K.A.-Spezialisten angeblich zum ersten Mal bemerken half auf wessen Namen sie zwei Jahre lang gesessen hatten: dem von Sebastian Edathy, dem Vorsitzenden vom Innenausschuss in 2005-2007, also seinerzeit dazu berufen auch das Bundeskriminalamt zu „kontrollieren“.

Als Ziercke nun am 19. Februar in eben jenem Innenausschuss, dem einst Edathy vorgesessen hatte, seine Aussage macht, sieht sich jedes einzelne Mitglied dieses Ausschusses außerstande Ziercke die Fragen zu stellen, welche dieser nachher vor der Presse selbst beantwortete ohne gefragt worden zu sein.

Selbst nachdem Ziercke sein Statement abgegeben und diese unfassbaren Details verlautbart hat, weigern sich sämtliche Abgeordneten des Parlaments, alle Parteien und ebenso alle etablierten Medien diese zur Kenntnis zu nehmen. Mehr noch: es übersteigt offensichtlich ihre Fähigkeiten diese zu verstehen, selbst wenn man sie ihnen wie Ziercke vorliest und ihnen anschließend auf Radio Utopie um die Ohren haut. (Ziercke: Bundeskriminalamt saß zwei Jahre auf Edathys Namen)

Es dauert fünf volle Tage, bis sich die Prothesen der zweiten deutschen parlamentarischen Demokratie ein „Bild“ gemacht haben. Und dann tun sie mal was. Sie tun empört. (24.02., Die Vor-Bild-flutliche Demokratie)

Das kann das Bundeskriminalamt sich natürlich nicht bieten lassen. Da gilt es mitzuhalten. Aus einer Presseerklärung des B.K.A. vom 24. Februar:

„Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den früheren Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wegen des Verdachts des Erwerbs und Besitzes von kinderpornografischem Material spekuliert die BILD-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 24.02.2014, dass das BKA ´Informationen zurückhielt, um Material gegen Edathy in der Hand zu haben, sollten seine Vorwürfe in der NSU-Affäre für das Amt gefährlich werden.´ (…)

Diesen Verschwörungstheorien tritt das BKA entschieden entgegen. „Derartige Spekulationen entbehren jeglicher Grundlage. Das hat mit seriöser Berichterstattung und verantwortungsvoller politischer Oppositionsarbeit nichts zu tun. Es ist ungeheuerlich, den Beamtinnen und Beamten des BKA mit diesen Spekulationen strafbare Handlungen zu unterstellen und sie öffentlich zu beleidigen“, so Präsident Jörg Ziercke.

Der BKA-Chef weiter: „Diese Beamtinnen und Beamten aus den Sachgebieten zur Bekämpfung der Kinderpornografie des BKA haben vielmehr den Respekt der Politik und der Öffentlichkeit verdient, da sie sich täglich mit unsäglichem Leid von Kindern beschäftigen müssen und diese psychisch belastende Arbeit nur mit der Betreuung durch Fachpsychologen leisten können. (…)

Der Name „Edathy“ fiel nicht auf, er wurde von keiner Beamtin bzw. Beamten mit einem deutschen Bundestagsabgeordneten in Verbindung gebracht. Dies haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer dienstlichen Erklärung am 24.02.2014 versichert.“

Wieder vier Tage später. Am 28. Februar veröffentlicht der „Spiegel“ Informationen der Staatsanwaltschaft Mainz. Denen zufolge hatte ein „Spitzenmann“ des Bundeskriminalamtes über genau die gleiche Webseite wie Edathy kinderpornografisches Material gekauft, „unzweifelhaft illegal und strafrechtlich relevant“. Dann folgender Satz, der abermals seit Tagen keinem in der Republik (außer Felix von Leitner) auffallen will:

„Denn der Beamte arbeitete in eben jener Abteilung, in der im November 2011 die Daten der Operation „Spaten“ aus Kanada eingingen.“

Der Reihe nach.

Zuerst mal wird nun in der „Spiegel“-Meldung angegeben, das Material sei im November 2011 beim Bundeskriminalamt angekommen und nicht im Oktober 2011, wie Ziercke angegeben hatte.

Dann kommt da also im Oktober oder November 2011 in der Abteilung eines pädophilen B.K.A.-„Spitzenbeamten“ dessen Name auf der Kundenliste eines Kinderpornografie-Händlerrings aus Kanada an, mitsamt dem Namen eines hochrangigen Bundestagsabgeordneten, Sebastian Edathy, dessen Name auf der gleichen Liste steht.

Anschließend wird diese Namensliste, die u.a. Anschrift, Kreditkartennummer und weitere Details beinhaltet, vom Bundeskriminalamt zwei Jahre lang nicht an die zuständigen Landeskriminalämter weitergegeben.

Aber nicht nur das.

Das Bundeskriminalamt behauptet, dass der Name Edathy auf der Liste zwei Jahre lang nicht mit dem Abgeordneten Edathy in Zusammenhang gebracht wurde. Aber der Name des eigenen Beamten, der sei begriffen worden – und zwar im Januar 2012.

Aus dem Statement des B.K.A. vom 28. Februar:

„Bei einer Grobsichtung der von kanadischen Behörden übergebenen Festplatte mit ca. 800 Kundennamen fiel einer BKA-Mitarbeiterin am 10. Januar 2012 der Name des ihr persönlich bekannten und als Kunde geführten Beamten auf. (..)

Dass der Name Edathy der BKA-Mitarbeiterin nicht auffiel, ist plausibel: Die Einsetzung des Bundestagsuntersuchungsausschusses mit dem Vorsitzenden Edathy erfolgte erst am 26. Januar 2012, also gut 2 Wochen nach der Grobsichtung der Festplatte am 10. Januar 2012. Edathy stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht derart im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung.“

Nun, jedenfalls steht jetzt das Bundeskriminalamt im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Übrigens auch der Vorsitzende vom Bund deutscher Kriminalbeamter (im B.K.A, Anm. hinzugefügt), Andy Neumann, von dem man annehmen darf, dass er keinerlei Vorkenntnisse von dieser Angelegenheit hatte.

Bislang hat es kein Gericht in der Republik für nötig befunden Ermittlungen gegen das Bundeskriminalamt einzuleiten. Da dies seit Inkrafttreten des Grundgesetzes ebenso wenig der Fall war wie ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Ergebnisse vorzuweisen hatte, bleibt der Öffentlichkeit nur die gestützte Kommunikation für in Arbeits- und Realitätsverweigerung professionell geübte Behörden, Volksvertreter und Verfassungsorgane.

(…)

Artikel zum Thema:
15.02.2014 STAATSAFFÄRE: Die brisante Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Hannover
07.07.2012 Analyse und Anleitung zur Neutralisierung des psychologischen Kriegsbegriffs “Verschwörungstheorie”
02.08.2009 Fast wie in Spanien