Open Source Saatware: Initiative gegen Patente der Landwirtschaftsindustrie
Freier Austausch um die genetische Vielfalt von Gemüsesorten zu bewahren – Akademiker stellen ihre Entwicklungen für die Allgemeinheit zur Verfügung.
Am Gründonnerstag, dem 17. April 2014, startete eine Gruppe von Wissenschaftlern und Lebensmittelaktivisten in Wisconsin im U.S.-Bundesstaat Madison eine schon lange überfällige Kampagne zum Schutz des freien Austausches von Saatgut.
Mit dieser Aktion sollen zukünftige Ansprüche der Patentinhaber der konventionellen und gentechnisch veränderten Lebensmittelindustrie auf noch bisher unpatentiertes oder neue Züchtungen von Saatgut verhindert werden.
Zunächst wurden zum Beginn neunundzwanzig noch „freie“ neue Sorten von Nutzpflanzen unter dem neuen „Open Source-Versprechen“ aufgenommen, welches dazu bestimmt ist, den Landwirten, Gärtnern und Pflanzenzüchtern die Möglichkeit zu garantieren, diese Samen ungehindert ohne gesetzliche Reglementierung zu erwerben, anzubauen und untereinander frei auszutauschen. Was eigentlich das Selbstverständlichste von der Welt sein sollte – bis die Nahrungsmittelkonzerne den Markt mit angemassten Patentrechten seit hundert Jahren im Interesse ihres Profits zu kontrollieren begannen. Jüngstes Beispiel ist die Auseinandersetzung zur Saatgut-Verordnung der Europäischen Union.
Unter den vierzehn Gemüsesorten und ihre Variationen wurden so unter anderem das Saatgut von Brokkoli, Karotten, Zwiebeln, Grünkohl und Quinoa zur ständigen freien Verfügbarkeit freigegeben ohne dass in Zukunft für diese Kulturen Patent- und Lizenzanmeldungen oder jede anderen Art von geistigen Eigentumsansprüchen zu befürchten sind. Jede künftige Pflanze, die aus diesen Open Source-Samen abgeleitet ist wird also auch ohne Gebühren nutzbar bleiben.
Dr. Irwin Goldman, ein Pflanzenzüchter an der Universität von Wisconsin, half bei der Organisation der Kampagne. Es ist ein Versuch, die Praxis des offenen Austauschs, die die Regel unter den Züchtern war, als er vor mehr als zwanzig Jahren den Beruf ergriff, wiederherzustellen.
„Wenn andere Züchter nach unseren Materialien angefragt haben, so konnten wir ihnen ein Päckchen Samen schicken, und sie hätten das gleiche für uns getan. Das war ein wunderbarer Weg, um zu arbeiten. Diese Arbeitsweise gibt es nicht mehr unter uns“,
so Goldman und weiter hiess es, dass in diesen Tagen Samen geistiges Eigentum sind. Einige werden als Erfindungen patentiert. Sie benötigen die Erlaubnis des Patentinhabers um sie zu nutzen. Die Samen können für die Neubepflanzung des nächsten Jahres nicht kostenlos ausgesät werden. Selbst die Züchter der Universitäten arbeiten unter diesen Regeln. Wenn Goldwin eine neue Sorte von Zwiebeln, Karotten oder Rüben entwickelt, wird diese an einer Technologie-Transferstelle der Universität für ein Saatgut-Unternehmen lizenziert. Auf diese Weise werden Arbeiten der Akademiker durch private finanzielle Drittmittel bezahlt – eine weit um sich greifende weltweite Praxis. Goldman erklärte
„Wenn wir das Keimplasma nicht frei austauschen, dann werden wir unsere Fähigkeit einschränken, die Ernte zu verbessern.“
Goldman untersucht die medizinisch und ernährungsphysiologischen wirksamen Eigenschaften der Inhaltsstoffe von Wurzelgemüse, Kohl- und Getreidesorten, die als Ersatz für synthetische chemische Stoffe in Medikamenten oder für eine vorbeugende gesunde Ernährung wissenschaftlich dokumentiert werden. Die mühsame Züchtung neuer Sorten mit verbesserten Potentialen erfolgt auf konventionelle Weise. Die Schwerpunkte liegen dabei auf den schwefelorganischen Verbindungen aus Zwiebeln, Carotinoiden aus Karotten, Betalain-Pigmente und Folsäure aus Rüben.
Der Soziologe Prof. Jack Kloppenburg, der auch einen Lehrstuhl an der Universität von Wisconsin inne hat, setzt sich seit dreissig Jahren gegen die Patentierung von Saatgut ein.
Kloppenburg sagte, dass die Übertragung von Samen in Privateigentum mit dem Aufstieg der grossen Saatgutunternehmen begann, was wiederum zur Förderung immer grösserer, stärker spezialisierter Betriebe beigetragen hat.
Inzwischen haben schon zwei kleine Saatgutfirmen, die sich auf den Verkauf ihrer Produkte an Bio-Bauern spezialisiert haben – eine in Hardwick im U.S.-Bundesstaat Vermont und eine in Philomath im U.S.-Bundesstaat Oregon – einige Open Source-Samen in ihren diesjährigen Katalog aufgenommen.
Dass der Direktor für geistiges Eigentum des französisch-U.S.-amerikanischen Saatgut-Unternehmens HM. Mann und neuer Präsident der U.S. Getreidehandelsgesellschaft American Seed Trade Association (A.S.T.A.), John Schoenecker dem Projekt ablehnend gegenüber steht zeigt nur wieder einmal mehr, dass Kapitalinteressen vor dem Gemeinwohl stehen – das entscheidende Symptom der herrschenden Gesellschaftsordnung. Laut Schoenecker wird seine Firma keine Pflanzen mit Samen züchten, die als Open Source-Saatware frei verfügbar sind, denn dann „würden wir unser Potential begrenzen, dass sich unsere Investitionen armortisieren. Der Grund liegt darin, dass die Abkömmlinge dieser Pflanzen und Samen, die wir weiter züchten würden, von allen unmittelbar gemeinsam genutzt und andere Saatgutunternehmen die gleiche Vielfalt sofort weiterverkaufen könnten.“
Der weitere springende, nicht offen genannte Punkt ist hier jedoch das Angebot für die Farmer, Gärtner und Saatguthändler mit dem Kauf von nicht gentechnisch veränderten oder patentierten Samen – was sich trotz freier Marktwirtschaft auf dem amerikanischen Markt zunehmend schwieriger gestaltet. Die American Seed Trade Association ist hingegen eng mit dem Biotechnologie-Zweig des chemischen Agrarkomplexes verbunden und stellt eine Reihe von Personen aus dem Gentechnik-Bereich auf die Posten der Chefetagen, die sich zuvor in diesem Sektor für ihr hohes Engagement für diese Branche ausgezeichnet hatten.
Solange die oben aufgeführten Samen der Pflanzen auf konventionelle Weise durch Rückzüchtungen hin zur ursprünglichen robusten Wildform und Kombination des Erbgutes untereinander (Kreuzung) zur Verbesserung der Wirkstoffe entwickelt werden und nicht auf eingeschleuste Genom-Abschnitte artfremder Spezies zugegriffen wird (wie dieses sich als hochtoxisch erwiesen hatte bei Versuchen mit Veilchen-Genen in Kartoffeln – die Studie wurde unterdrückt, der Leiter nach dessen unerlaubter Veröffentlichung entlassen), ist die Einrichtung der universitären Saatgut-Bank für alle Interessenten gentechnikfreier Produkte die richtige Entscheidung. Ansonsten wäre es eine unverantwortliche klammheimliche Verseuchung der Umwelt durch die Hintertür.
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Quelle: http://www.npr.org/blogs/thesalt/2014/04/17/303772556/plant-breeders-release-first-open-source-seeds