Die Irak-Kommission: Grosse Konferenz in Brüssel zur Verfolgung der Kriegsverbrechen
Nach dem Vorbild der Nürnberger Prozesse bereiten hochspezialisierte Völkerrechtler und international bekannte Strafrechtsexperten aus vielen Ländern gemeinsam eine gut fundierte und rechtssichere Anklage gegen die Personen vor, die die Invasion in den Irak zu verantworten haben. Dazu trafen sich die Juristen in der vergangenen Woche in Brüssel.
Die Anklagen werden nach dem Muster des Kriegs-Tribunals in Nürnberg unter Beachtung heutiger bestehender Völkerrechte und humanitärer Aspekte ausgerichtet, dass heisst auch in Abwesenheit der Angeklagten, die sich wohl kaum freiwillig dazu bewegen lassen würden, einer Vorladung an den Internationalen Strafgerichtshof nachzukommen.
Der Irak-Krieg ist aus den Schlagzeilen der Medien verschwunden. Ständig neue Spannungsherde verdrängten die Aufmerksamkeit und die Erinnerung an diesen Völkermord. Für die meisten Menschen ist dieser Überfall schon jetzt nur noch eine Fussnote in der Geschichte. Doch dieser Massenmord kann sich, da er bis heute ohne Konsequenzen für die Verursacher blieb, jederzeit so in einem anderen Land wiederholen. Da in den Medien nichts über die Irak-Kommission in der vergangenen Woche in Belgien berichtet wird, bittet das Medienportal Radio Utopie mit diesem Beitrag alle Menschen und Redakteure um weite Verbreitung dieser Bemühungen. Nur durch eine entsprechende breite Aufmerksamkeit und unterstützenden Druck durch die Weltöffentlichkeit können die Aggressionen gestoppt werden. Nicht nur Syrien und die Ukraine zeigen in diesen Tagen, dass diese existentielle Bedrohung nicht aufhört sondern in Zukunft immer schneller unter Einbindung neuer Technologien voranschreitet.
Dieser Krieg gegen das irakische Volk begann und baute wie alle Kriege der Vereinigten Staaten von Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg auf einem Gerüst voller Lügen, gefälschten „Beweismaterials“ und höchst zweifelhaften Geheimdienst-Berichten auf. Auch nach Abzug der U.S.-amerikanischen Truppen ist bis heute die irakische Gesellschaft weit davon entfernt, eine stabile Regierung und demokratische Verhältnisse eingeführt zu haben. Die Nachkriegszeit ist beherrscht von Gewalt, Kampf um die Macht mit fast täglichen blutigen Auseinandersetzungen. Eine der schlimmsten Hinterlassenschaften sind weitflächig mit Plutonium verseuchte Gebiete und ihre gesundheitlichen Folgen.
Die Irak-Kommission:
Vom 16. bis 17.April 2014 fand in der belgischen Hauptstadt Brüssel an der Vrijie Universität ein Kriegsverbrecher-Tribunal statt. Die Konferenz wurde unter dem Leitspruch „The Iraq Commission“ von internationalen Juristen und Menschenrechtsaktivisten organisiert.
Zur gleichen Zeit reisten Hunderte von Juristen aus mehr als sechzig Ländern zum 18. Kongress der International Association of Democratic Lawyers (IADL), der ebenfalls an der Univerität vom 15. bis 19.April durchgeführt wurde. Viele dieser Rechtsexperten nahmen auch an den Diskussionen der Irak-Kommission teil.
Diese Konferenz war die bisher umfangreichste Zusammenkunft von Personen, die die Verantwortlichen der „Koalition der Willigen“ für den Irak-Krieg – so den ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair, den Ex-U.S.-Präsidenten George W. Bush, Ex-U.S.-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, den ehemaligen Vizepräsidenten der U.S.A., Dick Cheney sowie die ehemaligen U.S.-Aussenminister Colin Powell und Condoleezza Rice – und andere damalige Regierungsmitglieder – zur Anklage wegen Völkermord vor ein internationales Gericht bringen wollen.
Desweiteren werden Personen, denen direkt im Irak begangene Kriegsverbrechen nachgewiesen werden können, vor ein zuständiges Gericht gebracht. Dazu gehören Angehörige der Armee, Söldner oder zivile Dienstleister.
Mehrere Menschen haben in der Vergangenheit Tribunale, Bürger-Verhaftungen und andere Formen von Aktivitäten zu Verbrechen im Irak-Krieg durchgeführt (Beispiel: Video „War Criminal Dick Cheney Cancels Trip to Canada„. Diese waren hilfreich und notwendig, da bisher keine Anwendung des Völkerrechts zu einer erfolgreichen Gerichtsverhandlung führte. Aber sie sind nicht ausreichend gewesen, so die Organisatoren der Konferenz. Das soll sich nun ändern.
Die prominentesten Teilnehmer an The Iraq Commission:
Sabah al-Mukhtar, Vorsitzender der Irak-Kommission und Präsident der Arabischen Juristenvereinigung,
Michel Chossudovsky, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University of Ottawa,
Eman Khamas, irakische Autorin, Journalistin, Menschenrechtsaktivistin und ehemaliger Direktorin des International Occupation Watch Center in Baghdad,
Lindsey German, von der britischen Anti-Kriegs-Organisation Stop the War Coalition,
Jose Antonio Martin Pallin, Jurist und ehemaliger Richter am Obersten Gerichtshof von Spanien,
Niloufer Bhagwat, Professorin für Verfassungsrecht an der indischen University of Mumbai und Vizepräsidentin der Indian Lawyers Association in Mumbai,
Gurdial Singh Nijar, Professor, erfahrener praktizierender Rechtsanwalt und leitender Staatsanwalt des Kuala Lumpur War Crimes Tribunals on Iraq.
Mahatir Mohammed, ehemaliger Premierminister von Malaysia, Unterstützer der Initiative Kuala Lumpur und Vorsitzender der Kuala Lumpur War Crimes Commission (KLWCC) wurde per Videokonferenz zugeschaltet.
Curtis Doebbler, ein U.S.-amerikanischer Rechtsanwalt für Humanitäres Völkerrecht am Internationalen Gerichtshof,
Louie Roberto Bolaños Zamora, ein Rechtsanwalt aus Costa Rica, der erfolgreich die Regierung seines Landes für die Unterstützung des Krieges im Irak verklagte,
Dirk Adriaensens, langjähriger Aktivist gegen den Irak-Krieg, Mitbegründer der Konferenz und Mitglied des Vorstandes des BRussells Tribunal. Dieses Schiedsgericht ist ein internationales Netzwerk von Intellektuellen, Künstlern und Aktivisten, die sich organisiert haben um gegen die Logik des permanenten Krieges der U.S.-Regierung aufzustehen, die derzeit den Nahen Osten zum Ziel ernannt hat.
Ross Caputi, ehemaliger U.S.-Soldat und Augenzeuge (wir berichteten am 31.Januar 2014 in dem vielbeachteten Beitrag “Fürchte nicht den Weg der Wahrheit” – U.S.-Soldat auf Suche nach Antwort über eigene Kriegsverbrechen im Irak
Auszüge aus den Redebeiträgen und Diskussionsrunden:
Dr. Curtis F. J. Doebbler:
„Das Völkerrecht bietet eine zunehmende Anzahl von Mitteln, um schwere Verletzungen der Menschenrechte, einschliesslich der von bewaffneten Konflikten zu beseitigen. Die illegale Aggression gegen den Irak der USA und ihrer Verbündeten hat zu dem Tod von mindestens geschätzten 1,5 Millionen Irakern geführt. Es ist einer der schwersten Angriffe auf die Menschenrechte des Volkes in jüngster Zeit und vielleicht der schwerste Angriff gegen Menschen seit der Verabschiedung der Charta der Vereinten Nationen.“
Michel Chossudovsky:
„Ich glaube, es ist eine „Weltkrise“, die primär von den Vereinigten Staaten verursacht wurde mit dem „langen Krieg“, der die Zukunft der Menschheit bedroht.
Dieser „Krieg ohne Grenzen“ trifft mit der schwersten Wirtschaftskrise in der Weltgeschichte zusammen, die zur Verarmung grosser Teile der Weltbevölkerung geführt hat. Die globale militärische Ausrichtung des Pentagon ist eine der Welteroberungen. Das Töte von Zivilisten ist Teil dieser Agenda. Die U.S.-Agenda im Nahen Osten besteht darin, die Territorien der Länder zu ändern. Ein Land nach dem anderen auf der ganzen Welt zu destabilisieren ist die Grundlage für die Einführung des „Pax Americana“ (Anm.d.Red.: Neue Weltordnung, New World Order).
Die weltweite U.S.-Militarisierung ist Teil einer globalen Wirtschaftsagenda und die Invasion in den Irak war nur ein Bestandteil dieser Agenda.“
Dirk Adriaensens:
„Der Krieg gegen den Irak war nicht nur unmoralisch, er war völlig illegal und erfüllt die Nürnberger Definition eines Verbrechens gegen den Frieden. Ein solcher Krieg sollte seine Rechtsfolgen für die Aggressoren und Rechte für die Opfer nach dem Völkerrecht haben.
Rechtliche Schritte sind erforderlich und können viele Formen annehmen: die universelle Gerichtsbarkeit, die Verteidigung der irakischen Opfer vor Gericht, Suche nach Personen und das Ausstellen von Haftbefehlen, wenn ehemalige U.S.-Politiker ausserhalb der U.S.A. reisen wollen.“
Ross Caputi, der als Marine und Augenzeuge an der grausamen Belagerung von Falludscha im November 2004 teilnahm:
„Ich war völlig falsch informiert worden und wurde über die Ziele unserer Mission nicht in Kenntnis gesetzt, wer unser Feind war und über die Gefahr, die durch uns für die Zivilbevölkerung bestand. Mein Kommando erzählte uns, dass alle Zivilisten Falludscha verlassen hatten und dass die einzigen Menschen, die in der Stadt geblieben waren, Kämpfer sind. Dies war nicht der Fall. Das Rote Kreuz schätzt, dass bis zu 50000 Zivilisten in der Stadt eingeschlossen waren. Aber niemand in meiner Einheit wusste es.
Ich sah sogar eine Einheit mit Bulldozern ein ganzes Stadtviertel niederreissen, ein Haus nach dem anderen ohne zu überprüfen ob jemand drin war.
Innerhalb von ein paar Tagen entwickelte sich eine gesetzlose Atmosphäre in meiner Einheit. Es gab eine Menge von Plünderungen. Ich sah Menschen, die die Taschen der toten Widerstandskämpfer durchsuchten. Einige Menschen verstümmelten Leichen.“
Mahatir Mohammed:
„Wir müssen den Krieg kriminalisieren, weil wir das Töten eines Menschen durch einen anderen als Mord bezeichnen und wir bereit sind, ihn dafür zu bestrafen.
Aber wenn eine Million Menschen im Krieg getötet werden, wird es verherrlicht. Den Mördern werden Medaillen verliehen und Statuen errichtet und sie werden geehrt. Es ist ein Widerspruch, und es ist Zeit, dass das Töten zu einem Verbrechen ernannt wird – ganz gleich ob es im Frieden oder im Krieg ist. Und wenn es ein Verbrechen ist, dann sollten diejenigen, wer auch immer es ist, die einen Angriffskrieg beginnen, zur Strafverfolgung vor ein Gericht gestellt werden. Deshalb hat unser Gericht Herrn Bush und Herrn Blair als Kriegsverbrecher für schuldig befunden.“
Weitere ausführliche Argumentationen und Hintergründe zu den Bemühungen, die Verantwortlichen seid der Irak-Invasion gerichtlich zu verfolgen finden Sie in dem Beitrag International Lawyers Seek Justice for Iraqis von Dar Jamail, der am 19.April 2014 auf Truthout veröffentlicht wurde.
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16.07.2007 Cheney muß vor Gericht aussagen
Quelle: http://www.truth-out.org/news/item/23175-international-lawyers-seek-justice-for-iraqis