Auf dem Weg in die ganz normale Republik: Israel gibt sich eine Verfassung
In der „Halle der Unabhängigkeit“ ließ Premierminister Benjamin Netanjahu heute mal eine ganz andere Bombe in Tel Aviv platzen; diesmal eine, auf die die – auch in Israel – üblichen Verdächtigen seit 66 Jahren gewartet haben.
Netanjahu gab bekannt, ein „Grundgesetz“ („Basic Law“) vorzubringen. Keiner zweifelt daran, dass es nun irgendwann in Kraft tritt.
Doch während nun wieder ein nicht enden wollendes Geplärr um die üblichen klerikalen und herkunftsfetischistischen Begrifflichkeiten anheben wird, kommen wir hier lieber gleich zur Sache: Wie soll das laufen? Eine verfassungsgebende Versammlung? Ich entsinne mich eine solche, wenn auch unter etwas anderen Umständen, für die kommenden Jahre im Bereich des Möglichen gehalten zu haben. Oder wird es im örtlichen Placebo (im Volksmund: Knesset) wieder einmal heißen, „Hände hoch, danke, raus.“?
Natürlich erscheint diese Ankündigung erstmal als ein Versuch Netanjahus – mutmaßlich unter Beatmung seiner zunehmend mürrischer werdenden Kollegen in Washington – die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern durch die Hintertür abzuwürgen und sich dabei als uneingeschränkt auf dem Chefsessel zu präsentieren. Aus meiner Sicht passiert hier aber etwas ganz anderes. Und das wird die nun in Israel ausbrechende, nie zuvor gekannte Diskussion, verdeutlichen. Greifen wir den Ereignissen hier nicht vor. Ich wette jedoch, dass die nun vor lauter Vorfreude wieder einmal in ihren Ecken vor sich hin sabbernden Zynismussüchtigen eine unangenehme Überraschung erleiden werden.
Eine Verfassung ist die alte Forderung so ziemlich aller israelischen Dissidenten. Wahrscheinlich wird es diesmal, endlich, eine schlechte geben.
Aber so ist der Fortschritt.
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