Musterprozess beim U.S.-Bundesberufungsgericht: heimliches Ausspähen der digitalen Standort-Abfrage verfassungswidrig
Zum ersten Mal fällte das Bundesberufungsgericht ein Urteil, dass in JEDEM Fall ein richterlicher Beschluss vorliegen muss, BEVOR die Strafverfolgungsbehörden bei einem Verdacht auf eine Straftat Standortdaten von einem Diensteanbieter abfragen können und ein Verstoss bedeutet zukünftig einen Bruch der Verfassung.
In den Vereinigten Staaten von Amerika wurde ein sehr bedeutendes Grundsatzurteil zu Gunsten der verfassungsrechtlich verbrieften Privatsphäre der Verbraucher gefällt, das als geführter Musterprozess auch Auswirkungen auf weitere Bereiche des digitalen Zeitalters erlangen kann. Die American Civil Liberty Union (A.C.L.U.) reichte gemeinsam mit A.C.L.U. of Florida, der Electronic Frontier Foundation, dem Center for Democracy & Technology und der National Association of Criminal Defense Lawyers einen Antrag zur Überprüfung ein.
Im konkreten Fall ging es um die Weitergabe von gespeichterten Telekommunikationsdaten der Standorte eines Handys von einem Telefonanbieter an die Polizei. Die Strafverfolgungsbehörden forderten diese ohne richterliche Anordnung an und erhielten diese Daten. Die Datensätze enthielten 11000 aufgezeichnete Standorte von Funkzellen über einen Zeitraum von siebenundsechzig Tagen. Obwohl es sich im vorliegenden Fall um eine erfolgreiche Aufklärung einer Straftat (Banküberfall) handelte, bei der der Besitzer das Mobiltelefon mit sich führte, fiel das Urteil zu Gunsten der Allgemeinheit auf das Recht auf Privatshpäre nach der Vierten Zusatzbestimmung der Verfassung aus.
Damit wird der ungehemmten Praxis des Durchschnüffelns privater Aufenthaltsorte jeder Person ein Ende gesetzt. Bis jetzt konnten die Strafverfolgungsbehörden behaupten, auf der Suche nach einer verdächtigen Person einen grossen Kreis durchleuchten zu müssen um einen Treffer zu landen. Dem Missbrauch waren Tür und Tor geöffnet.
Der überführte Straftäter im vorliegenden Fall hatte zuvor vor dem Elften Bezirksgericht gegen die Strafverfolgungsbehörden wegen der unzulässigen Verfolgung seiner privaten Ortsaufenthalte geklagt und verloren (United States v. Quartavious Davis). Die Anwälte der Polizei hatten das Gericht überzeugen können, dass die Behörde die spätere Ausstellung eines richterlichen Haftbefehls in diesem Fall unbürokratisch erwartet hätte.
Die Gremium, bestehend aus drei Richtern des Bundesberufungsgerichts folgte nun übereinstimmend den Ausführungen der Anwälte der Bürgerrechtsorganisationen.
Im schriftlichen Urteil heisst es, dass ein Besitzer eines Telekommunikationsgerätes in vernünftiger Erwartung davon ausgeht, dass der Provider mit dem Zustandekommen des Vertrages die Daten schützt und nicht weiter veräussert. Der Verbraucher geht davon aus, dass er sein Recht auf Privatsphäre nicht an Dritte durch die Inanspruchnahme dieser Dienstleistung aufgibt.
Auch ein einziger Punkt einer Funkzellen-Abfrage zum Standortaufenthalt ist ein Verstoss gegen das Recht auf Privatsphäre, sei es in der Nähe der Wohnung eines Liebhabers, einer Apotheke, einer religiösen Einrichtung oder ein Establishment von schlechtem Ruf, so die Richter.
Dieses Urteil bezieht sich auf den Zugriff von gespeichterten Daten (Vorratsdatenspeicherung). Das direkte Tracking von Handy-Daten, die Abfrage der Standortbestimmung in Echtzeit durch die Strafverfolgungsbehörden, war nicht Inhalt dieses Musterprozesses und ist in anderen Verfahren anhängig.