Was für eine grausame Welt. Drei Yeshivastudenten sind entführt worden und die Welt ist nicht daran interessiert…
Die drei Mütter nehmen den ganzen Weg nach Genf auf sich. Eine von ihnen war zum ersten Mal im Ausland. Sie gehen zum UN–Menschenrechtsrat. Aber die Welt und der Rat gingen ihrer Wege. Es ist eine Ironie des Schicksals. Vor etwa zwei Jahren hat Israel offiziell seine Zusammenarbeit mit dem UN-Rat gekündigt, zusammen mit den Marschallinseln, Palau und den USA. Es war gegen die Einrichtung. Aber jetzt in seiner Verzweiflung und der Verzweiflung der Mütter wendet es sich an den Rat, der auf Israel nicht gut zu sprechen ist, denn er hat mit Israel mehr zu tun, als mit jedem anderen Land. Auf einmal braucht Israel die Welt. Es braucht sogar die UN, die auf einmal nicht mehr eine „wertlose Körperschaft“ ist, wie Ministerpräsident Ben Gurion sie einmal nannte.
Es ist schon eine beträchtliche Unverschämtheit nötig, von der Welt zu verlangen, dass sie sich um drei entführte Israelis kümmert und eine beträchtliche Frechheit, enttäuscht zu sein, dass sie sich gleichgültig verhält. Selbstverständlich versucht Israel Himmel und Erde zu bewegen, und sein Botschafter/Propagandist gab eine bewegende Rede und bemühte sich bei der UN, um etwas mehr öffentliche diplomatische Punkte gegen die Hamas zu organisieren. Aber als sie Aufmerksamkeit zeigte, war diese bizarre Welt mehr an der Kampagne kollektiver Bestrafung interessiert, die nach dem Kidnapping über Tausende von Westbankbewohner verhängt wurde.
Das ist die Art und Weise, wie die Welt ganz gegen uns ist. Sie ist mehr an der fast ein halbes Jahrhundert dauernden Besatzung interessiert. Und regt sich mehr über das Schicksal von drei Milionen Palästinensern auf als über das Schicksal der drei Israelis. Die Welt hat keinen Mangel an gekidnappten Opfern, aber von ihnen erhielt keiner so viel Aufmerksamkeit wie der entführte Gilad Shalit. Mit den drei augenblicklich gekidnappten Opfern jedoch hat Israel keine Chance mehr. Während der letzten beiden Wochen – die ich in Schweden verbrachte – hörte ich in den Medien keine einzige Erwähnung von der Entführung. Nicht eine.
Es sieht schlecht aus. Die Welt hat keinen Grund, mehr am Schicksal von Naftali Fraenkel, Eyal Yifra und Gilad Shaar interessiert zu sein, als am Schicksal von Mohammed Dudin, einem 15Jährigen, der von israelischen Soldaten letzten Freitag mit gezielten Schuss getötet wurde.
Die Welt ist in einem fürchterlichen Zustand, sagen sie. Im Irak, Nigeria, Syrien und sogar in der Ukraine sei die Situation viel grausamer. Doch das komplette Nicht-Interesse an den entführten Israelis kommt nicht allein davon. Es ist unmöglich, von der Welt Sympathie zu verlangen, wenn Israel die Entscheidungen der Welt ignoriert; es ist unmöglich, eine Aktion von Israel zu verlangen, wenn die Besatzung auf ewig weitergeht, und es ist unmöglich, Solidarität mit dem Schicksal von Israels Opfer zu verlangen, wenn dieses selbe schikanierte Israel weiter tötet, verletzt und Unschuldige routinemäßig verhaftet.
Jetzt entdeckt Israel, dass es nicht länger das Zentrum der Aufmerksamkeit ist, wie es dies vorher war,, und dass das Schicksal der drei gekidnappten Opfer die Welt nicht länger den Atem anhalten lassen wird, nicht einmal die USA.
Die Welt hat Israel und seinen Wahnsinn satt. Leider hat die Welt auch das Interesse an dem verloren, was hier geschieht.
Gideon Levy, Haaretz, (dt. Ellen Rohlfs, verkürzte Form)
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