Regimetreue in Israel: „Eine Nation, ein Land, ein Führer“

Plakat von rechten Contras auf dem Rabin Platz - Eine Nation, ein Land, ein Führer 09_08_2014 03
Tel Aviv, 9. August 2014: Plakate von rechten Gegendemonstranten auf dem Rabin Platz: „Eine Nation, ein Land, ein Führer“

Israel, Tel Aviv: Linke Dissidenten demonstrieren trotz Verbot des Militärs auf dem Rabin Platz gegen Gaza-Krieg, Besatzung und Faschismus. Dabei laufen wieder einmal zionistische Regimetreue als Gegendemonstranten auf.

Wie berichtet, verbot gestern das Heimatfrontkommando des Jerusalemer Regimes eine Demonstration gegen seinen Gaza-Krieg, die von Meretz und Hadash angemeldet worden war. Grund für das Demonstrationsverbot: es drohten mehr als 1000 Menschen zur Demonstration zu kommen.

Wie erwähnt, erließ das Heimatfrontkommando das Verbot von Menschenansammlungen über 1000 Personen bereits am 18. Juli. Trotzdem demonstrierten am 26. Juli 5000 Menschen auf dem Tel Aviver Rabin Platz gegen den Gaza-Krieg. Doch ausgerechnet am gestrigen weltweiten Aktionstag, wo die Chance bestanden hätte sich mit zahlreichen Demonstrationen und Gegnern des Gaza-Krieges international zu solidarisieren und organisieren, kniffen Meretz und Hadash, die seit Jahren durch das gewisse Nichts glänzen, und sagten die Demonstration ab.

Nicht so radikale Aktivisten, Sozialisten, Dissidenten, Intellektuelle: sie kündigten an, trotz Verbots des Regimes zu demonstrieren. (1, 2, 3, 4)

Nachdem sich Boulevardreporter zunächst höhnisch über die ausbleibenden Linken geäußert hatten, versammelten sich diese, vorsichtig umher schauend, langsam auf dem Rabin Platz, viele von ihnen Senioren. Letztlich wurden es rund 500 Leute. Schnell tauchten die üblichen Regimetreuen, Faschisten und Zionisten als Contras auf, darunter Hooligans. Aus deren Parolen seien die oben in Aufnahmen dokumentierten Plakate zitiert (1, 2): „Eine Nation, ein Land, ein Führer“. Manch einer fragte sich, wo er das wohl schon mal gehört hatte. Zu den Regimetreuen Israels später noch ein paar Worte.

Eindrücke von der Demonstration sind in zahlreichen Meldungen via Twitter zu finden, vermerkt im Tagesarchiv der Nachrichtenagentur (9. August). Plakate und Parolen: „Wir werden den Faschismus nicht passieren lassen“, „Freiheit für Gaza“, „Hebt die Blockade auf“, „Die Okkupation ist ein Verbrechen das uns alle trifft“, „Juden und Araber weigern sich Feinde zu sein“, „Eine rassistische Regierung ist eine Sicherheitsbedrohung“.

Aufnahmen vom Youtube Kanal von Elizabeth Tsurkov:

Vor wem sich Israelis, die sich der Kriegshetze, Menschenschinderei und Diskriminierung in den Besatzungszonen wie im Inland nicht beugen und nicht damit zufrieden geben wollen, dieser Tage tatsächlich fürchten, sind andere Israelis – und zwar aus dem rechtsradikalen, nationalistischen, rassistischen Lager, also der „Einheitsregierung“ ohne effektive parlamentarische Opposition, deren Anhänger und leider zunehmend auch der berühmten „breiten Mehrheit“ im Wahlvolk.

Hinzuzufügen wäre, dass der Judenhass gerade in der real existierenden deutschen Linken offenbar tatsächlich hoch ist und zwar der Hass auf linke Juden und speziell die in Israel. Uns ist bei Radio Utopie in den letzten Tagen nicht ein Einziger aufgefallen, der oder die Kontakt zu linken Israelis hält, noch nicht mal irgendjemand der das überhaupt noch will. Vor allem und gerade nicht bei diesen Contras, die sich hier seit Beginn des Krieges in 2001 als links, sozialdemokratisch oder sozialistisch präsentieren, explizit in der Partei, bei der sich in der Tat 1990 keiner hätte vorstellen können, dass sie mal die dritt-stärks-te politische Kraft der Bundesrepublik DEUTSCHLAND WIRD! *tusch, täterä*

Genau die Aufgeregten, Befleissigten und Empörten, die den Massenmord in Gaza decken und dabei im selben Atemzug nur noch „jüdisch“, „Israel“, „Linke-Linke-Linke“ und „Antisemitismus“ rufen, wollen mit linken Israelis überhaupt nichts zu tun haben. Stattdessen verstecken sie sich hinter Apologeten die sie angenehm an der Schamdrüse kitzeln, während sie gleichzeitig um diejenigen Israelis einen großen Bogen machen, die ihnen irgendwie die Mehrheitsfähigkeit und damit das Mitschwimmen auf der Welle in der vermeintliche Masse von Deutschland versauen könnten.

Im Hintergrund steht eine weitere Klientel, die durchaus von der obenstehend beschriebenen zu unterscheiden ist, ebenso von den einfachen Sadisten: die Klientel der Soziopathen, kaltschnäuzigen Zyniker und politischen Kampfdrohnen mit Roboterideal. Soll heißen: explizit der Berliner Regierung und ihren Angestellten und Höflingen, auch in der etablierten Presse.

Die von uns am 2. August prognostizierte Strategie einer Verwicklung Deutschlands in den Gaza-Krieg, wahrscheinlich an irgendeiner Spieltheorie-Schiessbude von Think Tank Schlagdichtot ausgeheckt, ist gegen die Wand gefahren. Und das mit Schwung.

Wer es noch nicht mitbekommen hat: laut der Infratest Dimap Umfrage für die ARD („Deutschlandtrend“), erhoben am 4. und 5. August, sind 69 Prozent dafür sich aus dem „Gaza-Konflikt“ heraus zu halten, sind also gegen die Entsendung von Bundeswehr, Bundespolizei oder irgendwelcher „Inspektoren“ in die aufständische israelische Kolonie Gaza.

Wir haben zwar nur ein paar Tausend Leserinnen und Leser am Tag. Aber tausend, sagte man zu meiner Zeit, sind auch kein Pappenstil. *winke, winke*

Gerade hinsichtlich der Entwicklung in Israel selbst, sollten nun gerade Parteifreaks und vermeintliche „Freunde Israels“ in diesem Land mal einen Schritt zurück tun (aus ihrer Sicht wäre das .. vorwärts?) und sich mit etwas Abstand fragen, was sie da eigentlich machen.

Am Ende fangen sie sich noch in Israel eine tatsächliche Linke ein, mit der in Deutschland Niemand was zu tun haben will.

Niemand, das bin ich.

(…)

Artikel zum Thema:
26.07.2014 Das friedliche Zusammenleben der Völker und Heimat aller Religionen, das ist die Berliner Republik, nicht Israel
“In 15 Jahren von politischem Aktivismus, und rund acht Jahren als ein Journalist, kann ich mich nicht an eine Zeit erinnern, an der Menschen um mich so angsterfüllt waren ihre Meinung zu sagen. Jedenfalls nicht Juden, und definitiv nicht in Tel Aviv”.
Haggai Matar, Jewish Daily Forward, 21. Juni 2014