„Executive Order“: Geheime Macht einer imperialen Präsidentschaft
226 Jahre nach Inkrafttreten ihrer Verfassung ist immer noch ungeklärt, ob das Imperium der Vereinigten Staaten von Amerika tatsächlich eine Republik oder eine Wahlmonarchie ist.
Ein Befehl des Präsidenten, gegeben als „Executive Order“, als „Direktive“ oder „Memorandum“, ist heute in den U.S.A. geltendes Gesetz. Diese Präsidentenbefehle, die bislang in der Geschichte der Vereinigten Staaten nur äußerst selten durch Parlament oder Gerichte außer Kraft gesetzt wurden, können sogar geheim sein und werden entsprechend zu Geheimgesetzen, die so von Parlament oder Justiz überhaupt nicht mehr gegengecheckt und aufgehoben werden können. Vielmehr nimmt sich seit Ronald Reagan auch noch jeder U.S.-Präsident das Recht heraus, alle Gesetze des Kongresses nach eigenem Ermessen durch „Signing Statements“ entweder einzuschränken oder einfach nicht auszuführen.
Weder in der 1788 in Kraft getretenen Verfassung, noch in den bis heute 27 Verfassungszusätzen der Vereinigten Staaten von Amerika, wird solch eine Macht des Präsidenten auch nur erwähnt; geschweige denn in den Verfassungen der Demokratien und Staaten im U.S.-Einflussbereich, deren Menschen und (Staats)Völker Befehlen eines auf 4 Jahre gewählten faktischen Imperators zu Washington ausgesetzt sind, mit allen Konsequenzen.
Vorgeschichte
1776 erklärten sich auf einem durch das Britische Imperium eroberten Abschnitt Nordamerikas dreizehn „vereinigte Kolonien“ als „vereinigte Staaten von Amerika“ für unabhängig.
Nach sieben Jahren Unabhängigkeitskrieg gegen das herrschende Britische Imperium, sowie weiteren vier Jahren von Finanz- und Wirtschaftskrisen, Phasen zunehmender Instabilität, den parlamentarischen Erfahrungen vom ersten Kontinentalkongress (1774-1775), vom zweiten Kontinentalkongress (1775 – 1781) und dem Kongress der Konföderation (1781-1789), einigten sich die dreizehn, bis dahin lose über die “Konföderationsartikel” verbundenen und faktisch souveränen, ehemaligen Kolonien schließlich 1787 in der über vier Monate andauernden Versammlung von Philadelphia auf eine Verfassung, sowie ein Regelwerk, welches sie in Kraft setzen sollte.
Als schließlich am 21. Juni 1788 mit New Hampshire der neunte Staat die gemeinsame Bundesverfassung ratifizierte, trat die U.S. Constitution letztlich in Kraft.
Der Zentralstaat der Vereinigten Staaten von Amerika war institutionalisiert. Entsprechend trat die erste U.S.-Regierung unter dem ersten verfassungsgemäß gewählten Präsidenten George Washington erst 1789 ihr Amt an.
Die „Executive Order“ des U.S.-Präsidenten: Macht durch „Akzeptanz“
Wie Radio Utopie bereits im Artikel Recht und Order umschrieb, bedeutet der englische Terminus „order“ sowohl „Ordnung“, wie „Befehl“ und hat eine eigene, im Deutschen oft missverstandene Bedeutung.
Bereits der erste Präsident des neuen Bundesstaates der Vereinigten Staaten von Amerika erließ an seine neuen Bundesbehörden nun „Order“, die sofort Gesetz und Ordnung wurden. Diese Befehle wurden nicht einmal bekannt, waren also faktisch Geheimgesetze. Erst ab dem 20. Jahrhundert wurden Befehle des U.S.-Präsidenten an seine Behörden überhaupt dokumentiert.
Wie schließlich Anfang des 21. Jahrhunderts, also über 200 Jahre nach Inkrafttreten der Verfassung und kurz vor einer weiteren Expansion der bereits zum Imperium gewordenen Vereinigten Staaten von Amerika, in dessen Machtarchitektur die Macht des Präsidenten überhaupt begründet wird, weiß man effektiv erst durch eine Veröffentlichung von Wikileaks in 2009.
Am 8. Februar 2009 veröffentlichte Wikileaks 6780 Dokumente vom „Congressional Research Service“, dem „Recherchedienst“ des Parlaments. Alle diese Dokumente waren bisher nur aus den Büros des Kongresses selbst zugänglich gewesen und so faktisch vor der eigenen Bevölkerung geheim gehalten worden. Unter den 127.000 Seiten fanden sich viele Interpretationen von Recht und realer Praxis der U.S.Behörden. Darunter auch eine Rechtsinterpretation des ehemaligen F.B.I.-Juristen T.J. Halstead aus dem juristischen Dienst des Kongresses, der „American Law Division“, bezüglich der präsidialen „Executive Order“.
Diese Rechtsinterpretation des ex-F.B.I. Juristen T.J. Halstead, die am 13. März 2001 „geupdated“ worden war, zählt heute zu den am Meisten zitierten Quellen zu dieser Thematik und repräsentiert eine geradezu kafkaeske Ausrede über eine Jahrhunderte alte, nie geklärte, ja nicht einmal allgemein begriffene Machtfrage innerhalb des Gefüges vom Imperium unserer Epoche.
U.a. flüchtet sich Jurist Halstead in dem Papier aus 2001 hinter ein Zitat vom damaligen „Government Operations Committee“ des Repräsentantenhauses aus dem Jahre 1957, welches wiederum er als die bis heute am Meisten zitierte Quelle zu dieser Thematik bezeichnet, obwohl Halstead offensichtlich der Einzige ist, der sie jemals zitiert hat (alle diesbezüglichen Verweise gehen im Internet zu Halsteads Bericht des Kongressdienstes aus 2001).
„Ausführende Ordnung / Ausführende Befehle („executive orders“) und Proklamationen sind Direktiven oder Aktionen des Präsidenten. Wenn sie auf der von der Verfassung oder den Statuten (Anm.: Gesetzgebung des Kongresses) abgeleiteten Autorität des Präsidenten beruhen, mögen sie Kraft und Wirkung von Gesetz haben
… Im engeren Sinne sind Ausführende Ordnung / Ausführende Befehle („executive orders“) und Proklamationen geschriebene Dokumente als solche …
Ausführende Ordnung / Ausführende Befehle („executive orders“) ist / sind generell gerichtet an Regierungsvertreter und Agenturen und dazu ausgerichtet deren Handlungen zu regeln. Sie betreffen üblicherweise private Individuen nur indirekt. Proklamationen betreffen in den meisten Fällen primär die Aktivitäten von privaten Individuen. Da der Präsident keine Macht oder Autorität über individuelle Bürger und ihre Rechte hat, ausgenommen dort, wo ihm solche Macht und Autorität durch eine Regelung in der Verfassung oder durch die Gesetzgebung des Kongresses („statute“) gewährt wird, sind die Proklamationen nicht rechtlich verbindlich und höchstens mahnend, außer sie basieren auf solcher Gewährung von Autorität. Der Unterschied zwischen Ausführender Ordnung / Ausführenden Befehlen („executive orders“) und Proklamationen ist eher der von Form als von Substanz.“
Ausweichend und nichtssagend.
Die substanzielle Aussage zur Sache trifft Jurist Halstead gleich zu Anfang.
„Ausführende Ordnung / Ausführende Befehle („executive orders“) und Proklamationen werden von Präsidenten ausgiebig genutzt, um politische Ziele zu erreichen, einheitliche („uniform“) Standards für das Handhaben der Exekutive („Executive Branch“) zu setzen, oder eine politische Anschauung zu umreißen, mit der Absicht das Verhalten von privaten Bürgern zu beeinflussen. Die Verfassung definiert diese präsidialen Instrumente nicht, und verleiht dem Präsidenten nicht ausdrücklich die Autorität diese anzuwenden. Nichtsdestotrotz sind solche Befehle („orders“) akzeptiert als ein präsidialer Macht innewohnender Aspekt und haben, wenn basierend auf angemessener Autorität, die Kraft und Wirkung von Gesetz.“
Die Grundlage der Macht des „mächtigsten Mannes der Welt“ ist also die Akzeptanz seiner Macht.
Und das sagt im März 2001 ein ex-Bundespolizei-Jurist aus der Rechtsabteilung des Recherchedienstes vom Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika in einer Rechtsinterpretation, von der die Öffentlichkeit nur durch eine Veröffentlichung von Wikileaks im Jahre 2009 erfährt.
Von irgendwoher hört man es wuttata, wuttata und weiß, das ist Franz Kafka, wie er in seinem Grab rotiert.
Legitimation durch die Verfassung: Keine.
Bis heute wird sich in den U.S.A. und allen über den Sachstand bewusst nicht informierten und / oder nicht informierenden Betrügern oder Fachfeiglingen, im Allgemeinen „Juristen“ genannt, auf eine angeblich in der Verfassung angelegte Grundlage für Befehle des Präsidenten mit Gesetzeskraft heraus geredet. Angeführt wird dazu Artikel 2 Sektion 1 Satz 1 der U.S. Constitution. Dieser lautet:
„Die ausführende Macht („executive Power„) soll einem Präsidenten der Vereinigten Staaten übertragen werden.“
Entweder können oder wollen Juristen nicht lesen, gerade wenn sie im Weißen Haus sitzen, oder rechnen damit, dass alle anderen es nicht wollen oder können (diese These wäre, was die breite Mehrheit und deren Vertreter in weggetretenen Parlamenten angeht, noch zu diskutieren).
Ein anderer, ebenso kläglicher Versuch ist das Herausreden auf folgenden Halbsatz in Artikel 2 Sektion 3 der U.S. Constitution:
„er (der Präsident) soll Sorge tragen, dass die Gesetze getreulich ausgeführt („executed“) werden“
Ausgeführt. Das ist keine Vollmacht Gesetze zu machen.
Noch einmal: Weder in der 1788 in Kraft getretenen Verfassung, noch in den bis heute 27 Verfassungszusätzen („constitutional amendments“) der Vereinigten Staaten von Amerika taucht eine „Executive Order“ auf.
Wie nennen das operative Informationsinterpreten bei Wikipedia?
„Element der formlosen Rechtspraxis“
Ein Satz, den man auch auf die gesammelten Werke der derzeitigen Regierung von Deutschland anwenden könnte, samt ihrer Behörden und Angestellten.
Das „Signing Statement“: Eine Aufhebung der Gewaltenteilung
Die Präsidenten der Vereinigten Staaten nehmen sich nicht nur die Jahrhunderte lang unhinterfragte Macht der Gewohnheit in Form von „Executive Orders“ in all ihren Varianten heraus, sondern auch noch das virtuelle Recht, vom Kongress beschlossene Gesetze ganz oder teilweise faktisch zu ignorieren, ohne ihr (verfassungsmäßiges) Veto einzulegen.
Dazu benutzen die Präsidenten seit Ronald Reagan eine bis dahin für zeremonielle Zwecke benutzte Prozedur, das „Signing Statement“, eine Erklärung des Präsidenten bei der Unterschrift von Gesetzen.
Laut Artikel 1 Sektion 7 der Constitution muss der verfassungsmäßige Gesetzgeber, der Kongress, jedes seiner Gesetze zuerst dem Präsidenten vorlegen. Dieser kann es dann entweder unterschreiben und so in Kraft setzen, oder es ablehnen zu unterschreiben (sein „Veto“ einlegen“) und an den Kongress zurückverweisen.
In diesem Falle aber hat der Kongress und seine beiden Kammern, Repräsentantenhaus und Senat, die Möglichkeit, das gleiche Gesetz noch einmal mit Zweidrittelmehrheit zu beschließen und es ohne Unterschrift des Präsidenten sofort in Kraft zu setzen, also den Präsidenten zu überstimmen. Im Falle des Falles für jede Demokratie eine wichtige Option.
Die nun seit der Reagan-Präsidentschaft – mit ex-C.I.A.-Direktor George Bush Senior als Vizepräsidenten, sowie einer ganzen Reihe von aufgestiegenen Neocons und „demokratischen Revolutionären“ (Michael Ledeen) in der Präsidialverwaltung des Weißen Hauses und seinen Behörden – von allen Präsidenten angewandte Taktik mit „Signing Statements“ unliebsame Gesetze vollständig lahmzulegen und zu sabotieren, funktioniert nun wie folgt:
Der Präsident unterschreibt zwar das Gesetz, erklärt aber gleichzeitig in einem „Signing Statement“, wie, ob und welche Teile des Gesetzes er durch seine ausführenden Behörden, also die Exekutive, umzusetzen gedenke; und dies obwohl eine teilweise Inkraftsetzung von Gesetzen bereits 1998 durch den Obersten Gerichtshof für verfassungswidrig erklärt wurde.
Durch diese perfide Taktik nimmt der Präsident zudem dem Kongress die Möglichkeit das Gesetz mit Zweidrittelmehrheit zu beschließen und so den Präsidenten verfassungsgemäß zu umgehen.
Am 24. Juni 2006 schließlich stellte eine Arbeitsgruppe der American Bar Association, in der fast die Hälfte aller Rechtsanwälte in den U.S.A. Mitglied sind, in einer Erklärung fest, dass „Signing Statements“ des Präsidenten in der Verfassung nicht einmal erwähnt werden und dass
„Präsident Bushs Signing Statements in Verletzung der wichtigen Doktrin der Teilung von Macht erfolgen und diese unterminieren.“
Des Weiteren erklärte die Arbeitsgruppe der American Bar Association, dass ihre Erläuterungen
„die Bedeutung der Doktrin der Teilung von Macht unterstreichen sollen und daher einen Aufruf an den Präsidenten und all seine Nachfolger repräsentieren, die Rechtstaatlichkeit („rule of law“) und unser Verfassungssystem der Teilung von Macht und Gewaltenteilung („checks and balances“) vollständig zu respektieren.“
Natürlich folgten weder der Präsident George Bush Junior, noch der Präsident Barack Obama irgendeinem „Aufruf“. Alles ging munter weiter wie bisher, bis heute.
Nur die Zahl der „Signing Statements“ schrumpfte unter der Obama-Präsidentschaft ein wenig. Was für ein gütiger Cäsar.
Die Außerkaftsetzung von „Executive Orders“
Die juristische Frage aller Fragen ist nun: Wie setzen Parlament oder Gerichte eine „Executive Order“ des Präsidenten außer Kraft, der dafür selbst zwar keine verfassungsmäßige Grundlage hat, aber an dessen imaginäre Kompetenz sich die Menschen über die Jahrhunderte offenbar gewöhnt haben?
Bis heute sind „Executive Orders“ E.O.s bzw deren verschiedene Varianten fast ausschließlich durch (andere) Präsidenten außer Kraft gesetzt worden. Bezüglich der Klassifizierung bzw Geheimhaltung von Regierungsdokumenten z.B. gab es durch die Präsidenten von Truman bis Obama ein regelrechtes Hin und Her von nacheinander erfolgten und sich gegenseitig wieder aufhebenden E.O.s.
Es gibt zwei Bespiele, wo jeweils einmal der Kongress und ein Bundesgericht eine E.O. aufgehoben. Abschließend, also vor dem Obersten Gerichtshof, ist das aber nie geklärt worden, weil alle staatlichen Institutionen davor zurückschreckten, eingeschlossen das Weiße Haus.
Am 19. Mai 1992 erließ George Bush Senior Executive Order 12806. Diese verfügte das Anlegen eines Lagers mit menschlichen Totgeburten, einer „Fötenbank“, zu Forschungszwecken.
Am 10. Juni 1993 hob der Kongress E.O. 12806 wieder auf und beschloss im National Institutes of Health Revitalization Act in bis dahin und bis heute nie wieder gekannten Deutlichkeit:
„Die Regelungen von Executive Order 12806 haben keinerlei gesetzliche Wirkung.“
(„The provisions of Executive Order 12806 (57 Fed. Reg. 21589 (May 21, 1992)) shall not have any legal effect.“)
Am 8. März 1995 erließ Bill Clinton Executive Order 12954. Diese intervenierte zugunsten von Gewerkschaften und verbot Bossen in Arbeitskämpfen die Einstellung von Streikbrechern.
Am 2. Februar 1996 hob der „United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit“ E.O. 12954 wieder auf. In der Begründung zu seinem Urteil Chamber of Commerce v. Reich, 74 F.3d 1322 (D.C. Cir. 1996) sprach das Gericht davon, sich selbst bei der Entscheidung über die „Legalität einer Executive Order“ in einer „anormalen Situation“ wiedergefunden zu haben. Der Fall wurde nie vor den Obersten Gerichtshof gebracht.
Nahe liegt, dass beide Präsidentenbefehle letztlich nur wegen dem Fehlen eben jener „Akzeptanz“ in der Bevölkerung wieder aufgehoben wurden, welche die einzige Basis dieser Macht der Gewohnheit repräsentieren.
Verschiedene Varianten von Präsidentenbefehlen und ihre weltweite Auswirkung
Befehle des U.S.-Präsidenten sind nicht nur „Executive Orders“ (E.O.s), sondern E.O.s die einfach anders genannt werden, aber effektiv das Gleiche repräsentieren, wie die sogeannten Memoranden.
Z.B. das bis heute streng geheime Memorandum von George Walker Bush namens „Authorization for pecified electronic surveillance aktivities during a limited period to detect and prevent acts of terrorism within the United States“ vom 4. Oktober 2001, dem Tag an dem die Organisation des Nordatlantikvertrages den „kollektiven Verteidigungsfall“ ausrief und der C.I.A. zwecks „Terrorbekämpfung“ den Oberbefehl über sämtliche Geheimdienste in den N.A.T.O.-Staaten gab.
Am 11. März 2014 stellte sich die Parlamentsprothese Dianne Feinstein, jahrzehntelang in Geheimdienst-Ausschüssen des Senats für die Kontrolle der Spione zuständig, in einer unfassbar erbärmlichen Darstellung absoluten Versagens in den Kongress und beklagte sich über die Bespitzelung der Central Intelligence Agency (C.I.A.) gegen ihren unfähigen Sauhaufen von Mitarbeiterstab und dem Kongress im Allgemeinen. Des Weiteren berichtete Feinstein einer erstaunten breiten Mehrheit über eine systematische Verschleppung der Erstellung und Veröffentlichung eines Kongressberichts über (mindestens) seit Ende 2001 erfolgte Aktivitäten der C.I.A., eingeschlossen weltweit installierte Geheimgefängnisse, Verschleppung und Folterung von „Verdächtigen“ ohne irgendein gerichtliches Verfahren.
Über sieben Jahre Terrorkrieg verstrichen, bevor Anfang 2009 zwei Mitarbeiter vom Geheimdienste-Ausschusses im Senat (dem Feinstein mittlerweile vorsaß), dem neuen Präsidenten Barack Obama eine erste Einschätzung zur faktischen ausführenden Macht der C.I.A. und ihrer Praxis vorlegten.
Dann verstrichen noch einmal fast 4 Jahre, in denen Feinstein und ihr Geheimdienste-Ausschuss versuchten, in einem Gebäude der C.I.A., mit Technikern der C.I.A., “fast alle” irgendwelche “contractors” (“Vertragsnehmer”), aus Informationen der C.I.A. einen Bericht über die C.I.A. zusammenzustellen.
Ende 2012 war dann ein 6300 Seiten langer Bericht fertig.
Intelligenterweise hatte der Stab des Geheimdienste-Ausschuss aber sämtliche Unterlagen und Informationen, die es für seinen 6300 Seiten langen Bericht verwendet und von der C.I.A. selbst zur Verfügung gestellt (oder von &%$(%/%/%/(&% zugesteckt) bekommen hatte – darunter Teile vom „Panetta Gutachten“ – in der von der C.I.A. angemieteten “sicheren Location” gelassen.
Irgendwann bemerkten dann die Stabsmitglieder des Senatsausschusses, dass die C.I.A. ihnen irgendwann – Senatorin Feinstein hatte wie immer keine Ahnung – den Zugang zur “überwältigenden Mehrheit” (“vast majority”) der im Senatsbericht aus dem Panetta Gutachten verwendeten Informationen wieder entzogen hatte.
Bis heute ist der Ende 2012 erstellte C.I.A.-Bericht des Senats, bereits damals zehn Jahre zu spät, nicht veröffentlicht. Vor kurzem hieß es, er müsse noch einmal von allen möglichen C.I.A.-Leuten geschwärzt werden. Dann hieß es durch Feinstein und die Obama-Präsidentschaft, der Bericht werde im August 2014 erscheinen. Nun heißt es, jaja.
Um diesen ganzen erbärmlichen Schauspiel noch die Krone aufzusetzen, begründete am 11. März 2014 Dianne Feinstein ihre erste öffentliche Kritik an der C.I.A. überhaupt damit, dass die C.I.A. gegen Executive Order 12333 von Ronald Reagan vom 4. Dezember 1981 verstoßen habe. Also (Zitat unseres Artikels)
genau den Präsidentenbefehl, auf dem sämtliche nachfolgenden und über die Jahrzehnte eskalierenden Überwachungs- und Kontrollprogramme nicht nur der Central Intelligence Agency C.I.A., sondern auch der National Security Agency N.S.A. und der Geheimpolizei Federal Bureau of Investigation F.B.I. gegen die U.S.-Bürger und schließlich die Weltbevölkerung beruhen.
Wir sagten noch: Achten Sie auf die Zahl 12333. Aber nein. Wieder einmal musste sich dazu erst Edward Snowden äußern. Dann klickte es.
Neben den bereits oben beschriebenen „Proklamationen“, zählen zu den Präsidentenbefehlen bzw „Excutive Orders“ auch die verschiedenen Direktiven, die „Presidential Decision Directives“ (PDD); wie die neue Order PPD-28 von Barack Obama, der dazu am 18. Januar 2014 im ZDF-Interview sagte, er sei “nicht der Imperator der Welt”.
Ist das wirklich nur ein halbes Jahr her? Damals bedankte ich mich noch. Das hat man nun davon.
Zu den vielen verschiedenen Versionen der präsidialen Direktiven, alle effektiv „Executive Orders“, zählen auch die unter George Bush Junior erfundenen „National Security Presidential Directives“, wohlklingend abgekürzt mit N.S.P.D.; wie z.B. die N.S.P.D 17 vom 14. September 2002 (1, 2) , in welcher der damalige Präsident George Bush den präventiven Einsatz von Atomwaffen gegen jedweden Staat autorisierte, falls eigene Truppen, oder „Freunde und Alliierte“ mit chemischen oder biologischen Waffen angegriffen würden.
Erst ein bis heute unwidersprochener, später stillschweigend wieder gelöschter Bericht der „Washington Times“ vom 31. Januar 2003, machte seinerzeit den tatsächlichen Inhalt des geheimen Befehls N.S.P.D. 17 von George Bush Junior öffentlich.
Wie ich dazu in 2007 schrieb, ist meiner Einschätzung nach die Welt seinerzeit beim Einmarsch der U.S.-Truppen im Irak in 2003, der unter Berufung auf einen Lügner im Dienste vom Bundesnachrichtendienst erfolgte, haarscharf an einem Einsatz von Atomwaffen durch die U.S.-Streitkräfte vorbei geschrammt.
Denn was heute keiner mehr wissen will, wie so vieles: die Bush-Präsidentschaft hatte vor der Invasion einen Atomwaffeneinsatz gegen den Irak für „denkbar“ erklärt. Der „Freitag“ schrieb dazu am 31. Januar 2003:
„Wie Andrew Card, der Stabschef im Weißen Haus, am Sonntag in einer Talk Show formulierte: Saddam Hussein solle wissen, dass die USA „alle notwendigen Schritte ergreifen werden, um die Welt vor einem Holocaust zu schützen“. Nachgefragt, ob das einen Einsatz von Atomwaffen bedeute, erläuterte Card, er wolle die nukleare Option ´nicht ins Gespräch bringen, aber auch nicht vom Tisch nehmen´“
Bereits vor der ersten Invasion des Irak in 1991 hatte Dick Cheney, damals Verteidigungsminister, indirekt erklärt, ob Israels Regierung den Irak mit Atomwaffen angreife, als Antwort auf den Raketenbeschuss durch Saddam Hussein, das sei Sache der Israelis. Cheney behauptete damals, dass Saddam Hussein Israel nur deswegen nicht mit Chemiewaffen angegriffen habe, weil sonst Israels Regierung ebenfalls „nicht-konventionelle Waffen“ eingesetzt hätte.
Auch insofern ist die N.S.P.D. 17 aus 2002 – von der völlig unklar ist, ob sie durch den Präsidenten Obama jemals wieder aufgehoben wurde – stets mit einzukalkulieren, wenn Chemiewaffen-Einsätze z.b. in Syrien erfolgen oder gemeldet werden; ebenso hinsichtlich der seit Jahren aus Israel betriebenen Forderung den Iran mit Atomwaffen anzugreifen, weil der Iran Atomkraftwerke betreibt und die iranische Regierung den Entschluss fassen könnte ein Atomwaffenprogramm zu starten. Ich schrieb darüber im Sommer 2006 (noch für die „Linke Zeitung“) und erwähnte dazu die N.S.P.D. 17.
Ein guter Rat
Ohne jetzt ausführlich auf all den Ärger einzugehen, die die Ausführende Macht im Weißen Haus und ihre Diener, auch in den Behörden zu Deutschland, durch Radio Utopie noch bekommen werden, explizit zur Rolle der U.S.-Präsidentenbefehle im Vorfeld der Attentate des 11. Septembers 2001, so sei hier dennoch ein kurzer guter Rat geäußert:
Die Vereinigten Staaten sollten zunächst die am 14. September 2001 vom Kongress ausgestellte, zeitlich, räumlich und in der Auswirkung uneingeschränkte Vollmacht zum perpetuierten Krieg aufheben, die „Authorization for Use of Military Force“– und zwar ersatzlos.
Bereits in 2006 umschrieb Josef Joffe in seinem Buch „Überpower“, später von Roger Cohen in der „New York Times“ zitiert“, die zweite Invasion des Irak als einen Krieg „mit den Vereinigten Staaten als Ankläger, Richter und Globocop“, als Symbol einer „einzigen-Überpower-Welt unter den Stars and Stripes“.
Folgsam hinterher trottende Kolonien oder abgetakelte ex-Kolonialmächte und -Imperien machen das nicht besser, schon gar nicht wenn man versucht das auch noch zu wiederholen.
Was die älteste Republik der Welt zudem dringend braucht, um die bereits 1973 unter Nixon während des Vietnamkrieges und 1987 erneut von Arthur M. Schlesinger beschriebene „imperiale Präsidentschaft“ zu bannen, ist ein 28. Verfassungszusatz, der die derzeitige faktische Machtbefugnis des jetzigen und aller zukünftigen Präsidenten und Präsidentinnen der U.S.A. für unilaterale Akte der (Geheim)Gesetzgebung aufhebt und auch die Präsidenten und alle ihre exekutiven Handlungen und Befehle der Verfassung unterordnet.
Epilog
Für seine Anfang 2013 veröffentlichte Dokumentation „Dirty Wars – The World is a Battlefield” (Deutsche Kinofassung: „Schmutzige Kriege“) interviewte Jeremy Scahill den Vorsitzenden eines entscheidenden Geheimdienst-Ausschusses im U.S.-Senat (“Senate Select Committee on Intelligence”), Senator Ron Wyden. Dieser sagte vor laufender Kamera folgende Worte, die jeder und jedem zu denken geben sollten:
Es ist wichtig für das Amerikanische Volk zu wissen, wann der Präsident einen amerikanischen Bürger töten kann und wann die das nicht können.
Es ist sogar schon fast so, als ob es zwei Arten von Gesetzen gäbe in Amerika. Und das amerikanische Volk wäre außerordentlich überrascht, wenn sie den Unterschied sehen könnten zwischen dem was sie glauben dass ein Gesetz besagt und wie es tatsächlich im Geheimen uminterpretiert wurde.
Jeremy Scahill: Ihnen ist es nicht erlaubt, diesen Unterschied öffentlich aufzudecken?
Das ist korrekt.
(…)
23.07.2014 Wie Interpreten von Recht das Recht verändern, brechen, stürzen können
Amtsinhaber bzw verantwortlich Beauftragte nicht nur der staatlichen Exekutive, wie Minister, Bürokraten, Polizei, Geheimdienste, Militär, etc, pp, sondern auch Richter, Abgeordnete, Funktionäre der Hierarchie jeder Organisation, unterliegen permanent der Versuchung sich selbst weiter zu ermächtigen und ein Eigenleben zu entwickeln – aus ihrem sensiblen Empfinden ein Akt der Selbstverwirklichung, der Befreiung von lästigen Tentakeln, wie Vorschriften, Aufsicht, Kontrolle, Gesetzen oder gar Verfassung.
In Kooperation – oder Kollaboration – können Amtsträger diesbezüglich sonst ganz ungewohnte Aktivität an den Tag legen.
Links aktualisert um 18.00 Uhr