„Wir kontrollieren die Bundesregierung und die Geheimdienste, nicht umgekehrt“: Pressekonferenz zur Verfassungsklage der Opposition gegen Regierung und N.S.A.-Ausschuss
Am gestrigen Freitag gaben die Abgeordneten Martina Renner und Konstantin von Notz, zusammen mit ihrer Prozessbevollmächtigten Professorin Astrid Wallrabenstein, für die Parlamentsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bekannt, dass sie gegen Bundesregierung und N.S.A.-Untersuchungsausschuss Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht haben. Erreicht werden sollen entsprechend Artikel 44 Grundgesetz, auch gegen den Willen der Regierung und ihrer Parteien, das Recht „in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise“ zu erheben und die zur „Rechts- und Amtshilfe“ verpflichteten Verwaltungsbehörden dazu zu zwingen dies auch zu tun.
Konkret: auch gegen den Willen der Regierung und ihrer Parteien einen Zeugen am Sitz von Ausschuss und Parlament vorladen zu dürfen (in diesem Falle Edward Snowden, in Berlin) und auch gegen den Willen der Regierungsbehörden, wie Geheimpolizei, Spionagedienste, etc, pp, von diesen die vom oder aus dem legislativen Untersuchungssauschuss angeforderten notwendigen Akten ungeschwärzt zu erhalten.
Laut Prozessbevollmächtigten Professorin Astrid Wallrabenstein wurde die Klage bzw die Klagen beim Bundesverfassungsgericht am Donnerstag (25.) Abend per Fax eingereicht. Das war weise, ein Brief hätte vielleicht fünf Tage gebraucht und wäre, selbstverständlich nur aufgrund unglücklicher Zufälle, geöffnet eingetroffen. So saß der Existenzgründungsbeauftragte der S.P.D.-Bundestagsfraktion Christian Flisek, ebenfalls S.P.D.-Sprecher im N.S.A.-Ausschuss, was den Wortlaut der Verfassungsklage anging auf dem Trockenen.
Ein Antrag auf Einstweilige Anordnung wurde nicht eingereicht, weil, so Prozessbevollmächtigte Professorin Astrid Wallrabenstein, die Kläger hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht zügig entscheide. Dementsprechend ist völlig unklar, wann das Bundesverfassungsgericht tatsächlich entscheidet. Ein Beispiel: bis heute urteilten die Verfassungsrichter nicht über die am 19. Dezember 2008 durch den Bundesrat in Kraft gesetzte Neufassung des B.K.A.-Gesetzes („Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt“).
Der Mitschnitt der gestrigen Pressekonferenz auf dem Youtube Kanal von Phoenix.de:
Zitate aus der Pressekonferenz.
Prozessbevollmächtigte Professorin Astrid Wallrabenstein:
„Wir sind also bei dem Grundproblem von (einer) Regierung, die etwas geheim halten will und dem Parlament, vertreten durch die Opposition, die für die Öffentlichkeit gegen die Geheimhaltung kämpft.“
„Verfassungsrechtlich ist jetzt interessant, wer denn die Argumentationslast hat. Wer muss seine Position begründen? Da Untersuchungsverfahren dem Grunde nach öffentlich sind, und die Beweiserhebung, das sagt auch die Verfassung ausdrücklich, öffentlich erfolgen müssen, liegt die Begründungslast dafür, dass etwas nicht geht, er (Edward Snowden) nur im Ausland vernommen werden kann, bei der Regierung und nicht bei der Opposition.“
Abgeordnete Martina Renner:
„Mit der Klage geht es uns darum festzustellen, zu prüfen, zu klären, ob wir als Parlamentarier und Parlamentarierinnen unsere Kontrollfunktion ausüben können, oder ob Geheimdienste und Bundesregierung die Aufklärung kontrollieren.“
„Wir haben uns zur Klage entschieden, weil wir uns zur Aufklärung eines der größten Skandale dieses Jahrzehnts verpflichtet fühlen. Wir wollen eine öffentliche und auch nachvollziehbare Aufklärung darüber, wie und in welchem Umfange Geheimdienste, seien es u.s.-amerikanische, oder auch deutsche, unser aller Privatsphäre ausgeschnüffelt haben und überwachen. Wir wollen, dass diese Aufklärung im Deutschen Bundestag in Berlin stattfindet und dazu braucht es natürlich denjenigen, der die Welt über die Überwachungsprogramme aufgeklärt hat, als Zeugen: Edward Snowden.“
„Darum geht es uns im Kern bei der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, das Recht des Parlaments, der Bundestagsabgeordneten, im Sinne einer umfassenden Aufklärung und Untersuchung alle notwendigen Zeugen öffentlich und am Ort des Geschehens zu hören. Das aber, und das ist Ausgangspunkt für unsere Klage, will weder die Bundesregierung und das will auch nicht – und das bedauern wir außerordentlich – die Abgeordneten der großen Koalition. Wir können und dürfen uns mit der Situation jetzt nicht abfinden, mit einer Situation, in der die Bundesregierung über die Rechte des Parlaments entscheidet, und in der die Bundesregierung darüber entscheiden will, was und wie an Geheimen im Geheimen bleibt.
„Wir kontrollieren die Bundesregierung und die Geheimdienste, nicht umgekehrt. Und es kann nicht sein, dass die Bundesregierung versucht, uns als Aufklärer zu kontrollieren.“
Abgeordneter Konstantin von Notz:
„Die Akten sind weitgehend geschwärzt, ja? Es sind viele interessante Stellen, man könnte auch sagen, praktisch fast alle Stellen wo es interessant wird. In diesen über tausend Akten-Bänden sind umfangreiche Schwärzungen vorgenommen worden. Und zu guter Letzt hat man zahlreiche sehr relevante Dokumente für uns überhaupt aus den Akten heraus genommen, die haben wir noch nicht mal geschwärzt bekommen.“
„Es ist der größte Datenschutz-Skandal aller Zeiten. Und man kann ja auch das Positive hervorheben – Deutschland ist das einzige Land das gesagt hat, wir machen einen Untersuchungsausschuss, wir wollen Aufklärung, wir wollen verstehen was da passiert ist, was ausländische Dienste im Hinblick auf Bundesbürgerinnen und Bundesbürger machen, aber auch was unsere eigenen Dienste machen. Und die Fakten sollen auf den Tisch.“