In 1998 zensiertes Brzezinski-Interview: Die Russland-Falle

Die Agenda des alten neuen Kalten Krieges: „Islamisten“ als Kanonenfutter

Vor sechzehn Jahren erschien ein Interview mit Zbigniew Brzezinski in der französischen Wochenzeitung Le Nouvel Observateur in der Ausgabe January 15-21, 1998 über die Bewaffnung der Mudschaheddin während des Kalten Krieges (Operation Cyclone).

Die englischsprachige Ausgabe des Journals enthält dieses Interview mit dem damaligen Sicherheitsberater des U.S.-Präsidenten Jimmy Carter nicht, das der Zensur zum Opfer fiel. William Blum übersetzte den fehlenden Artikel vom Französischen ins Englische. Die Übersetzung wurde unmittelbar darauf noch am 15. Januar 1998 auf Counterpunch in „Zbigniew Brzezinski: How Jimmy Carter and I Started the Mujahideen“ veröffentlicht.

Der Verweis auf den Inhalt ist heute immer noch von Bedeutung, da die jetzige Situation im Irak, in Syrien, selbst noch immer in Afghanistan und anderen Staaten – auch europäischen – stets dem gleichen Muster und Zielen der C.I.A. und anderen Geheimdiensten mit der Bewaffnung „moderater Kämpfer“ im Interesse der U.S.A. unterliegen.

Offiziell wird die Schwächung bis hin zum Sturz bestehender Regierungen und die Eliminierung „extremistischer Kampfparteien“ (ob nun gelenkte „Taliban“ oder „I.S.I.S.“ unter Einbindung internationaler Verbündeter als Stabilisierung der Weltlage bezeichnet.

Wir haben das komplette Interview ins Deutsche übersetzt. Es ist eine Pflichtlektüre in Anbetracht der Situation, in der die deutsche Bundesregierung sich unter Beteiligung der Zustimmung aller Parteien in ein Kriegsabenteuer unter dem neuen Washingtoner Label „Operation Inherent Resolve“ nach der „Operation Enduring Freedom“ in Afghanistan stürzen will, das ein weiteres Schlachten ohne Ende bedeutet.

Im Weissen Haus ist man sich in seltener Übereinstimmung mit der Beifall klatschenden Opposition, die nach noch mehr Einsatz ruft, jetzt schon einig: Die „Operation Inherent Resolve“ ist langfristig für viele Jahre ohne absehbares Ende und ohne Benennung eines konkreten Ziels wie etwa die Kriegserklärung gegen einen Staat angelegt. Wie sollte es auch. Dieser Krieg ist ein Kampf gegen Phantome, die nach Belieben je nach „Bedarfslage“ an jedem beliebigen Ort auf dieser Welt erschaffen werden können.

Brzezinski spricht 1998 von der „Russland-Falle, ein Begriff, der im Bezug auf die Ukraine und die Provokation gegenüber dem Kreml wieder eingeführt wurde.

Es ist eine „Welt-Falle“, in die die Bevölkerungen sämtlicher Staaten ohne Pause ständig von einem Krieg zum nächsten getrieben wird, die nichts begreifen und aus der Geschichte lernen wollen; die mit Aktionismus mit falschem Ansatz der Manipulation zum Opfer fallen, nun nach Bewaffnung bestimmter Gruppen rufen, dazu Petitionen starten, deshalb demonstrieren, sich dabei gegenseitig verprügeln, fast erschlagen, angestachelt von verdeckten Provokateuren der Geheimdienste, den Kriegstreibern damit voll in die Hände spielen wie eine wild gewordene Affenherde anstatt die wahren Hintergründe zu erkennen obwohl zu diesen so viele Artikel, Aufsätze und wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht werden.

Wieso ist es so schwer, die Zusammenhänge zu erkennen? Ist das selbstständige Denken und der Mut, die Wahrheit auszusprechen und sich für Frieden einzusetzen zu einem Privileg einer kleinen Gruppe Intellektueller, sich für die Gesellschaft engagierender Menschen geworden? Jeder würde jetzt diese Unterstellung als höriger Mitläufer der Propaganda, trottliger Unterstützer der Kriegs- und Rüstungsindustrie auf sich zutreffend empört von sich weisen. So also, take action an der richtigen Stelle!

Übersetzung:

O (Le Nouvel Observateur): Der ehemalige Direktor der CIA, Robert Gates, hat in seinen Memoiren erwähnt (Anm: „From the Shadows: The Ultimate Insider‘s Story of Five Presidents and How They Won the Cold War“, 1996), dass die amerikanischen Geheimdienste begannen, die Mudschaheddin in Afghanistan sechs Monate vor der sowjetischen Intervention zu unterstützen. In dieser Zeit waren Sie der nationale Sicherheitsberater von Präsident Carter. Sie spielten deshalb eine Rolle in dieser Affäre. Ist das richtig?

Brzezinski: Ja. Nach der offiziellen Version der Geschichte begann die CIA-Hilfe für die Mudschaheddin im Jahr 1980, das heisst, nachdem die sowjetische Armee in Afghanistan am 24. Dezember 1979 einmarschiert ist. Aber die Realität, heimlich verschwiegen bis heute, war völlig anders: In der Tat, es war am 3. Juli 1979, dass Präsident Carter die erste Direktive für eine geheime Hilfe für die Gegner des pro-sowjetischen Regimes in Kabul unterzeichnete. Und am selben Tag schrieb ich eine Notiz an den Präsidenten, in dem ich ihm erklärte, dass meiner Meinung nach diese Hilfe eine sowjetische Militärintervention auslösen würde.

O: Trotz dieses Risikos waren Sie ein Befürworter dieser verdeckten Aktionen. Aber vielleicht haben Sie selbst diesen sowjetischen Kriegseintritt gewünscht und versuchten, diesen zu provozieren?

Brzezinski: Es ist nicht ganz so. Wir haben nicht die Russen gedrängt eingreifen, aber wir haben wissentlich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie es tun würden.

O: Als die Sowjets ihre Intervention mit der Behauptung gerechtfertigten, dass sie beabsichtigten, gegen eine geheime Einmischung der Vereinigten Staaten in Afghanistan zu kämpfen, haben die Menschen es nicht geglaubt. Allerdings gab es eine Grundlage für diese Wahrheit. Bereuen Sie bis heute nichts?

Brzezinski: Reue, was? Die geheime Operation war eine hervorragende Idee. Es hatte die Wirkung, dass die Russen in die afghanische Falle liefen, und Sie wollen, dass ich es bereuen soll? An dem Tag, an dem die Sowjets offiziell die Grenze überschritten, schrieb ich Präsident Carter: Wir haben jetzt die Möglichkeit erhalten, der UdSSR ihren Vietnamkrieg zu geben. In der Tat, für fast zehn Jahre hatte Moskau einen Krieg auszutragen, unerträglich für die Regierung, einen Konflikt, der zur Demoralisierung und schliesslich zum Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums führte.

O: Und Sie bereuen auch nicht, die Islamisten (intégrisme) unterstützt zu haben, sie mit Waffen zu versorgen und Beratung als zukünftige Terroristen gegeben zu haben?

Brzezinski: Was ist in der Geschichte der Welt am wichtigsten? Die Taliban oder der Zusammenbruch des Sowjetimperiums? Einige durcheinander gewirbelte aufgehetzte Moslems oder die Befreiung Mitteleuropas und das Ende des Kalten Krieges?

O: Einige (stirred-up) Moslems? Aber es ist gesagt worden und immer wiederholt worden: der islamische Fundamentalismus ist heute eine Bedrohung für die Welt.

Brzezinski: Unsinn! Das besagt, dass der Westen eine globale Politik in Bezug auf den Islam hat. Das ist dumm. Es gibt keinen globalen Islam. Schauen Sie sich den Islam in einer rationalen Weise und ohne Demagogie oder Emotion an. Es ist die führende Religion in der Welt mit 1,5 Milliarden Anhängern. Aber was ist das Gemeinsame unter dem saudi-arabischen Fundamentalismus, dem moderaten Marokko, dem Militarismus in Pakistan, dem ägyptischen pro-westlichen oder zentralasiatischen Säkularismus? Nicht mehr als das, was die christlichen Länder verbindet.

Unser Dank geht an Information Clearing House. Am 12. Oktober 2014 wurde dort auf das Brzezinski-Interview aus dem Jahr 1998 hingewiesen.

Quelle: http://www.counterpunch.org/1998/01/15/how-jimmy-carter-and-i-started-the-mujahideen/