„Das Eisenbahn-Bundesamt nimmt den selber erlassenen Planfeststellungsbeschluss nicht mehr ernst“
Die Rede von Dipl.- Ing. Hans Heydemann, Ingenieure 22, auf der heutigen 243. Montagsdemo der Bürgerbewegung gegen das staatlich-industrielle Umbauprogramm „Stuttgart 21“ (S21). Die Rede trägt den Titel „Rostschwindel der Bahn mit Blauen Rohren geht weiter!“. Die Montagsdemo beginnt um 18 Uhr auf dem Stuttgarter Marktplatz.
Liebe K-21-Freunde!
Wir erinnern uns: am 24.6.2014 hatte dummerweise ein Bau-LKW die Blauen Rohre auf der S21-Baustelle in der Jägerstraße umgerissen – das herausfließende Rostwasser war dem Amt für Umweltschutz unerklärbar; deshalb empfahl man dem EBA, der Bahn eine 2-monatige Überwachung des Wassers auf Eisen und abfiltrierbare (= ungelöste) Stoffe anzuordnen. So wollte man die besorgte Öffentlichkeit wieder ruhig stellen: Seht her, wir tun ja was; wir lassen doch alles überwachen, es hat alles seine Richtigkeit.
Am vergangenen Freitag ist nun diese 2-monatige Überwachung des Wassers in den Blauen Rohren abgelaufen. Wie es heißt, hat die Bahn keinen Rost darin gefunden; der festgestellte Eisengehalt sei gering, das Wasser klar und unbedenklich, die Einleitgrenzwerte wären eingehalten. Doch in Wahrheit geht das Rosten in den Blauen Rohren unvermindert weiter, das lässt sich durch kein noch so ausgeklügeltes Messverfahren aufhalten! Die Öffentlichkeit wird einmal mehr mit falschen Angaben getäuscht.
Neue, Mitte September von uns entnommene Wasserproben sind keineswegs unbedenklich und klar: sie weisen – wie nicht anders zu erwarten – wiederum hohe Eisengehalte auf; die abfiltrierbaren (ungelösten) Stoffe überschreiten den festgelegten Einleitgrenzwert von 20 mg/l um ein Mehrfaches! Die Stuttgarter Zeitung hat in der Samstags-Ausgabe ausführlich darüber berichtet. Die Experten der Stadt wollen sich dazu nicht äußern; sie verweisen nur darauf, dass die beprobten Brunnen derzeit nicht in Betrieb seien, bei Wiederaufnahme des Betriebes werde die Zuleitung gespült. Damit aber wird eingestanden, dass die Rohre innen rosten und dieses Rostwasser nicht in den Untergrund eingeleitet werden darf. Warum also dies Herumeiern des Amts für Umweltschutz anstatt die einzig richtige Schlussfolgerung zu ziehen und den Austausch der Rohre zu fordern?
Die Probenahme war vor einem Monat; die Aussage, die beprobten Brunnen seien derzeit nicht in Betrieb, ist also unzutreffend. Die Zuleitungen zu den Brunnen standen unter hohem Druck und waren betriebsbereit, das Einleiten des Rostwassers jederzeit möglich. Ob also von der GWM-Steuerung gerade Wasser in den Brunnen eingeleitet wurde oder nicht, ist unerheblich – in jedem Fall wird die in der Zuleitung anstehende Rostbrühe in den Untergrund eingeleitet. Sauberspülen der Zuleitungen vor den Probenahmen verfälscht den tatsächlichen Zustand und macht die Aussage der Probe zunichte.
Das Amt für Umweltschutz sagt, vor Inbetriebnahme eines jeden Brunnens würde die Zuleitung gespült und das Spülwasser in die Kanalisation oder in die zentrale Aufbereitungsanlage geleitet. Damit wäre derart viel Arbeitsaufwand verbunden, dass das gar nicht glaubhaft ist. Wer überwacht, ob das auch so gemacht wird? Rechnet man je Brunnen nur 1,5 Arbeitsstunden für den Spülvorgang samt Rüst- und Nebenzeiten sowie An- und Abfahrt, so macht das bei 55 Sickerbrunnen bereits 10 Arbeitstage aus, in denen das GWM stillsteht. Anschließend müssen sie wieder von vorn anfangen – wie wollen die so den vorgegebenen Baufortschritt hinkriegen?
Das Spülwasserableiten in die Kanalisation wird teuer! Es geht jedes Mal um mehrere hundert Kubikmeter, die fehlen dann außerdem für die Infiltration – oder will die Bahn den Petrusfaktor in Anspruch nehmen und noch mehr Wasser als die jetzt genehmigten 6,8 Mio. cbm abpumpen? Ein Rückführen des Spülwassers in das GWM ist beim derzeitigen Anlagenzustand gar nicht möglich, dafür müsste zuerst von jedem der 55 Sickerbrunnen eine Rückleitung zum GWM verlegt werden! Also werden uns auch hier wieder Märchen aufgetischt!
Und schließlich: Auch durch noch so viel Spülen hört der Rostvorgang ja nicht auf – der Rost wird lediglich auf eine größere Wassermenge verteilt und nur verdünnt, die Gesamtmenge an ausgetragenem Rost wird sogar größer. Laut Planfeststellung dürfen nur Wässer infiltriert werden, die keine höhere Mineralisation bzw. keinen grundlegend verschiedenen hydrochemischen Charakter als die im Bereich der Baumaßnahme geförderten Grundwässer aufweisen.
Hiergegen verstößt die Bahn fortgesetzt seit Inbetriebsetzung des GWM Ende Februar diesen Jahres. Der Eisengehalt des durch Rost stark verunreinigten Infiltrationswassers beträgt etwa das Fünfhundertfache des natürlichen Eisengehaltes des Grundwassers! Jetzt heißt es nur noch, das Infiltrationswasser sei unbedenklich – was immer das heißen mag. Das Eisenbahn-Bundesamt nimmt also den selber erlassenen Planfeststellungsbeschluss nicht mehr ernst.
Höhere Eisengehalte im Grundwasser sowie in offenen Gewässern sind jedoch keineswegs unbedenklich, sie können Flora und Fauna erheblich schädigen. Das Überschusswasser mit seiner hohen Rostfracht wird ungereinigt in den Neckar abgeleitet – ausgerechnet in das hier ausgewiesene „Fisch-Schongebiet“ zwischen Cannstatter Schleuse und Fußgängersteg. Offenbar wurde dies im Planfeststellungsverfahren gänzlich übersehen!
Das gilt auch für den Teich im Unteren Schlossgarten, in dessen Nähe die Überschusswasserleitung des GWM mit der einzigen Entleerstelle vorbeiführt. Im Entleerfall ergießt sich der gesamte Wasserinhalt der Leitung in diesen Teich und vernichtet dieses Biotop mit seinem Fischbesatz.
Hinzu kommt die Gefahr des Verockerns der Sickerbrunnen durch ständiges Einleiten großer Mengen an Rost, wodurch die Poren der Sickerpackung zunehmend verstopfen und dadurch die Schluckfähigkeit der Brunnen immer weiter nachlässt und schließlich ganz aufhört. Damit aber wird die Betriebsfähigkeit der GWM-Anlage zur Begrenzung der Grundwasser-Absenkung in Frage gestellt. Ein „Regenerieren“ der Sickerbrunnen ist nur mit stark umweltgefährdenden Stoffen wie z.B.
Chlorsäure HCl möglich, deren Einsatz höchst bedenklich und im Heilquellen-Schutzgebiet ausgeschlossen ist.
Das Einleiten rosthaltigen Wassers in den Untergrund des Stuttgarter Heilquellen-Schutzgebietes kann zuverlässig nur durch Rohre aus korrosionsbeständigen Werkstoffen verhindert werden. Deshalb sind die Rohrleitungen aus ungeschütztem Stahl gegen solche mit innerem Korrosionsschutz zu ersetzen, bevor das GWM in Betrieb geht. Schließlich möchte ich noch allen Dank sagen, die Beschwerdebriefe und Gelbe Karten verschickt haben an Bürgermeister Hahn, an das Amt für Umweltschutz oder das EBA wegen des Rostwassers aus den Blauen Rohren – damit habt Ihr dazu beigetragen, dass dies nicht untergegangen ist und die Bahn weiterhin ein Problem am Bein hat.
Oben bleiben!
ANHANG: Eisen im Grundwasser – Folgen und Auswirkungen auf Flora und Fauna
Zu den möglichen Auswirkungen einer langfristigen Anreicherung von Eisenhydroxid als aus den rostenden Stahlrohren ständig herausgeschwemmten Korrosionsprodukten in Boden und Grundwasser verweisen wir auf den folgenden Auszug aus einem Fachbeitrag v. H. Sander/Delmenhorst:
„Eisen tritt im Grundwasser häufig in gelöster Form auf. Bei einer Grundwasserabsenkung kommt das Grundwasser mit Sauerstoff in Berührung und das Eisen beginnt zu oxidieren und sich in Gräben oder Kanalleitungen abzulagern. Das oxidierte Eisen sieht nicht nur unschön aus, es schadet auch der Tier- und Pflanzenwelt. Bei der Oxidation verbraucht das Eisen Sauerstoff, was zu Sauerstoffmangel in den Gewässern führt.
Des weiteren lagert sich das Eisenoxid auf Pflanzen ab und behindert die Photosynthese. Bei den Fischen kommt es zu Ablagerungen auf den Kiemen. Dadurch wird die Atmung der Fische erschwert und die Oberfläche der Kiemen angegriffen. Deshalb fordern immer mehr Bundesländer, den Eisengehalt im Grundwasser vor der Einleitung in ein Gewässer auf einen vertretbaren Wert zu senken. Zweiwertiges Eisen richtet den größten Schaden an. Komplex gebundenes Eisen, welches ohne chemische Zusatzstoffe nicht oxidiert, stellt nur ein geringes Risiko für die Tier- und Pflanzenwelt dar. Die Grenzwerte in den verschiedenen Bundesländern weichen voneinander ab. In einigen Bundesländern wird keine Unterscheidung zwischen zweiwertigem Eisen und dreiwertigem Eisen gemacht, auch wird das komplex gebundene Eisen nicht gesondert betrachtet. In anderen Bundesländern unterscheidet man dagegen die einzelnen Eisensorten und gibt für zweiwertiges Eisen geringere Grenzwerte vor.“
• Probleme bei der Nutzung als Tränkwasser:
Wasser mit Eisengehalten von über 3 mg/l ist zum Tränken von Tieren ungeeignet. Hohe Eisenkonzentrationen führen zu einem unangenehmen Geschmack des Wassers, so dass die Tiere zu wenig saufen. Zu viel Eisen im Tränkwasser behindert die Aufnahme von Vitaminen und Spurenelementen. Außerdem kann sich das Eisen in den Leitungen absetzen, wodurch sich der Durchfluss und damit die Versorgung der Tiere erheblich verringert. Eisen begünstigt auch die
Bildung von Biofilmen, die Nahrungsgrundlage für unerwünschte Keime bilden.
• Probleme bei der Nutzung als Gießwasser:
Das Wasser sollte möglichst nicht über 2 mg/l aufweisen. Eisen ist für die Pflanze zwar ein wichtiges Spurenelement. Doch nicht nur ein Mangel, auch ein Eisenüberschuss kann für die Pflanze schädlich sein. Außerdem können bei überhöhten Eisengehalten im Wasser Leitungen
und Düsen verstopft werden.
• Probleme bei der Verwendung als Trinkwasser:
Eisen stellt üblicherweise keine Gefährdung der menschlichen Gesundheit dar. Eisen hat aber in einer höheren Konzentration einen unangenehmen Geschmack, das Wasser wird trüb und gefärbt. Eisen kann aber als Nährboden für andere ins Leitungsnetz gelangende Bakterien dienen. Es ist daher bei höheren Eisenkonzentrationen eine mikrobiologische nachteilige Beeinflussung nicht auszuschließen. Der Trinkwasser-Grenzwert für Eisen liegt daher bei 0,2 mg/l. Im Brunnenwasser ist dagegen auch eine Konzentration bis 0,8 mg/l Eisen tolerierbar, wenn keine anderen Belastungen aufgetreten sind.
• Auswirkungen von zu viel Eisen auf die Gesundheit des Menschen:
Ein gesunder Körper scheidet zu viel Eisen wieder aus, doch bei kranken Menschen kann es zur Überdosierung mit zum Teil lebensgefährlichen Folgen kommen. Vor allem für Kinder ist eine Überdosierung lebensbedrohlich.
• Probleme beim Auffüllen eines Teichs:
Zu hohe Eisenkonzentrationen können zu schweren Schädigungen der Fische führen. Das Eisen kann an den Kiemen der Fische ausflocken und die Kiemen verstopfen und die Atmung behindern. Daher sollte das Wasser zum Befüllen eines Fischteichs höchstens 0,3 mg Fe/l aufweisen. Leitungswasser ist fast immer unbedenklich, auch für Fische. Es kann aber auch Phosphat enthalten, das am Anfang, bis es verbraucht ist, zur Algenblüte führt. Das Wasser langsam einfüllen, so dass es sich erwärmen kann, dann einige Tage stehen lassen. Hoher Eisengehalt ist zu vermeiden bei Fischhaltung, Eisen schädigt Schleimhäute und Kiemen.
Die Ockerverunreinigung besteht aus mehr als dem roten Ocker. Sie beginnt mit saurem Wasser und unsichtbarem, giftigem Eisen, das in die Gewässer ausgespült wird. Weder Fische noch Wirbellose können sich in solchem Wasser wohl fühlen.
Das gelöste Eisen im Grundwasser scheint aber ein echtes Problem zu sein, denn es gibt extra darauf spezialisierte Firmen (1, 2, 3)
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