Tarifkonflikt Deutsche Bahn: Grundrechte sind nicht teilbar!

Pressemitteilung der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer vom 24. Oktober 2014. Der Link zu Artikel 9 der Verfassung wurde hinzugefügt.

Alle bisherigen „Angebote“ der Deutschen Bahn dienten einem einzigen Ziel: Sie sollten die Grundrechte von Mitgliedern der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) einschränken.

GDL-Bundesvorsitzender Claus Weselsky: „Mit Kooperationsverträgen, Federführung für irgendeine Berufsgruppe und Absprachen ‚wer für wen zuständig ist‘, will die DB die Spaltung unserer Mitglieder im DB-Konzern aufrechterhalten. Unsere Arbeitskämpfe und die Beeinträchtigung der Kunden lassen sie dabei völlig kalt. Die DB setzt Millionen Euro in den Sand und schiebt über eine Medienkampagne die Schuld den Lokomotivführern und Zugbegleitern in die Schuhe. Das Ganze hat zum Ziel, die Grundrechte unserer Mitglieder zu beschneiden − und der Eigentümer Bund schaut zu.“

Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes besagt: „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Selbst die DB stellte am 20. August 2014 fest, dass 51 Prozent der 37 000 Beschäftigten ihres Zugpersonals in der GDL organisiert sind. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.“

Bisher haben alle DB-Angebote darauf abgezielt, dieses Recht einzuschränken und die GDL daran gehindert, Tarifverträge für ihre Mitglieder zu schließen. Weselsky: „Wir werden die Grundrechte unserer Mitglieder wahren und Tarifverträge verhandeln und abschließen, weil wir von unseren Mitgliedern dazu beauftragt sind.“

Kein Erbsenzählen

Um die DB zu unterstützen, schlug die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vor, die Anzahl der jeweiligen Mitglieder notariell feststellen zu lassen. „Die GDL wird kein Erbsenzählen veranstalten, um als Probelauf für die Gesetzesinitiative zur Tarifeinheit die Grundrechtfrage zu vernebeln.“ Es gilt das Prinzip der Tarifpluralität: Jede Gewerkschaft kann für ihre Mitglieder Forderungen aufstellen und sie, sofern sie mitgliederstark, tarifmächtig und solidarisch untereinander ist, auch durchsetzen. Um dies auch der EVG zu mitzuteilen, hat die GDL ihr heute ein entsprechendes Schreiben geschickt. „Es geht schlichtweg um die Vertretung der eigenen Mitglieder“, so Weselsky. Die drängenden Probleme bei Arbeitszeit, Schichtdienst und Überstunden müssen nicht nur für die Lokomotivführer der GDL, sondern genauso für ihre Lokrangierführer, Zugbegleiter, Bordgastronomen, Disponenten und Ausbilder/Instruktoren beseitigt werden, kurzum für alle ihre Mitglieder bei der DB.

Fadenscheinige Schutzbehauptungen

Die DB versteckt sich hinter fadenscheinigen Behauptungen: Zwei Tarifverträge für ein und dieselbe Berufsgruppe seien nicht möglich. Doch die personalpolitisch motivierte unterschiedliche Behandlung derselben Beschäftigtengruppe gelingt dem Unternehmen schon seit Jahren mühelos. So gibt es bei der DB Vollzeitangestellte, Teilzeitmitarbeiter, Mitarbeiter mit und ohne Besitzstandswahrung, Beamte und Leiharbeiter; fünf Mitarbeiter- und fünf Beschäftigungsformen. „Wer es heute schon schafft, die Arbeitszeit jedes einzelnen Beschäftigten des Zugpersonals minutiös zu planen und abzurechnen, der darf sich nicht hinter fadenscheinig konstruierten Extremfällen verstecken, die in der Tarifwirklichkeit zu 99 Prozent nicht entstehen. Deshalb ist die Umsetzung zweier nebeneinander bestehender Tarifverträge auf die Mitarbeiter keine Unmöglichkeit, sondern nicht gewollt“, so der GDL-Bundesvorsitzende. Zudem gibt es unzählige Beispiele, in denen Tarifpluralität bereits funktioniert, wie bei der Vogtlandbahn oder der Albtal Verkehrsgesellschaft.

Streikpause bis 2. November 2014

Die GDL wird nicht zulassen, dass die Grundrechte ihrer Mitglieder eingeschränkt werden. Um der DB jedoch Gelegenheit zu geben, den Tarifkonflikt durch einen Einstieg in die inhaltlichen Verhandlungen für alle GDL-Mitglieder bei der DB zu entschärfen, wird die GDL keine Streiks bis einschließlich Sonntag, den 2. November 2014, durchführen. Sollte die DB auch danach die Grundrechte der GDL-Mitglieder einschränken wollen, ist das Zugpersonal bereit, dies mit einem weiteren Arbeitskampf zu verhindern.

(…)

Artikel von Radio Utopie zum Thema:

16.11.2007 Scholz (CDU): neuer Angriff auf Streikrecht, GDL und Verfassung
Schon wieder einer: nach SPD, DGB und Kapital meint jetzt nun der “Staatsrechtler” Rupert Scholz – der schon 1971 mit seiner Habilitation “Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem” den Artikel 9 des Grundgesetzes (Absatz 3, Recht auf Bildung von Gewerkschaften,2) als Problem der Demokratie erkannte – der Staat müsse den Bahn-Streik der GDL-Lokführer verbieten, da dieser “verfassungswidrig” sei, frei nach dem alten Bonner Motto der 2.Republik: “Das Grundgesetz gilt nicht, sonst wär es verboten, hähä..”

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