Jena: NPD-Plakatprozess gegen Kirsten Limbecker und Martin Michel eingestellt
Der Prozess gegen Kirsten Limbecker und Martin Michel wegen der Zerstörung verschiedener Wahlplakate der NPD im vergangenen Jahr wurde gegen Auflagen eingestellt.
Der größte Saal im Jenaer Amtsgericht war zu früher Stunde gut gefüllt. Ungefähr ein Dutzend Gäste sowie eine Schulklasse wohnte dem anderthalb stündigen Prozess bei.
Nach Verlesung des Strafbefehls argumentierten die Angeklagten klar, dass sie das Entfernen vom Plakaten wie „Asylflut stoppen“, „Geld für die Oma statt Sinti & Roma“ und „D-Mark statt Euro-Pleite“ gutheißen. Weil diese ein Klima schüren, welches mehr Hass und Gewalttaten gegen bestimmte Menschengruppen mit sich bringen. Dabei bezieht sich die NPD auf falsche Tatsachen und verknüpft Krisenmomente mit der Schuld von Gruppen und spielt dabei mit Unwissenheit, Vorurteilen und Ängsten. Diese Kultur der Angst und des Misstrauens hat eine lange und traurige Geschichte im Abendland und ist noch immer tief verankert in der breiten Gesellschaft.
Zu dem Tatvorwurf selbst äußerten sich die Angeklagten zunächst nicht. So wurden die zwei Zeugen vernommen, deren Erinnerungen nach immerhin 14 Monaten teils nicht mehr so deutlich waren und sich auch zum Teil widersprachen. Dennoch war die Beweis- und Indizienlage relativ eindeutig. Nach einer Pause und einer Besprechung zwischen Gericht und der Anwältin der Verteidigung endete das Prozess ohne Schuldspruch.
Das Verfahren wurde im Einverständnis zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Richter nach § 153a eingestellt. Dies bedeutet, es wurde kein Urteil gefällt und die Angeklagten gelten weiterhin als unschuldig. Auflage war als Wiedergutmachung die Zahlung von jeweils 200 Euro an eine gemeinnützige Organisation, die im Bereich der antirassistischen Arbeit mit legalen Mitteln gegen Rechts kämpft.
Sowohl Martin Michel als auch Kirsten Limbecker gestanden die Tat. Die Motive der Tat hatten sie dargestellt und sagten, dass sie aus eben diesen Gründen die Tat richtig fanden.
Vom Gericht wurde Ezra dazu bestimmt, die Ausgleichszahlungen zu erhalten. Im Bereich der kostenfreien Opferhilfe und -beratung von rassistischer, rechter und antisemitischer Gewalt ist der von der evangelischen Kirche und dem Land Thüringen geförderte Verein weniger in Jena als in anderen Gebieten Thüringens aktiv.
Kirsten Limbecker und Martin Michel befürworten diese Wahl und hatten in ihrem eigenen Überlegungen Ezra bereits in Erwägung gezogen. Das Geld wäre an vielen Stellen sinnvoll, überlegt wurden auch Flüchtlingshilfeorganisationen. Der Vorschlag der Angeklagten, das Geld einem dem Kahlaer Verein Unser täglich Brot Insel e.V. zukommen zu lassen, lehnte das Gericht ab, und schlug Ezra vor, weil sie unmittelbarer in dem Bereich rechter Gewalt arbeiten. Der Kahlaer Sozialverein hilft Ausgegrenzten und finanziell Armen. Aus Jena wurden Neonazis nach Jahren von Kämpfen mehr und mehr vertrieben. In den ärmeren Kommunen finden sie ungestörte Rückzugsräume und Resonanzen mit weit verbreiteten Ressentiments. Da trauriger Weise rassistisch und xenophob motivierte Gewaltakte in den vergangen Jahren zunehmen, ist das Geld bei der Opferhilfe auch sehr gut aufgehoben.
Für die Öffentlichkeit wie Schulklasse des Unterrichtsfachs Wirtschaft und Recht bleibt nach dem Prozess sicher viel Gesprächsstoff – von der Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen, über die Fremdenfeindlichkeit, die Lage der Flüchtlinge und Opfer rechter Gewalt, bis hin zu dem moralischen Dilemma einer zivilcouragierten Straftat und der Frage des Verbots der NPD.
Die Beschuldigten sind recht zufrieden mit dem Ausgang des Prozesses in Form einer finanziellen Unterstützung der Opferhilfe. Die Kosten für die beiden belaufen sich mit den Anwaltskosten auf fast 1000 Euro. Bereits jetzt sind einige Solidaritätsbekundungen und Spenden eingegangen.
Wer spenden mag, kann das gern hier tun:
Rote Hilfe Ortsgruppe Jena
Kto.-Nr.: 4007 238 309
BLZ: 430 609 67 (GLS Bank)
IBAN DE77 4306 0967 4007 2383 09
BIC GENODEM1GLS (GLS Bank)
Verwendungszweck: NPD-Plakate
Die beiden bedanken sich bei allen, die den Prozess solidarisch begleitet haben.
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