Palästina und die Unabhängigkeit: Eine unnötige Verzögerung
00.15 Uhr: Palästina-Resolution im U.N.O.-Sicherheitsrat mit 8 Ja-Stimmen (bei 9 notwendigen und 15 Stimmen insgesamt) gescheitert. Nigeria, mit engsten Kontakten zu Israel, ändert in letzter Minute seine Stimme von „Ja“ zu „Enthaltung“.
Die Unabhängigkeit Palästinas von seiner Kolonialmacht Israel und die damit verbundene Zwei-Staaten-Lösung wird heute Nacht, zwei Tage vor Einzug neuer palästina-freundlicher Mitglieder im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, nur unnötig verzögert. Eine Analyse.
Es ist die alte Regel des Imperialismus und seiner sadistischen Handlanger: Wenn Du schon verloren hast, quatsch Deinen Gegner zu und organisiere, dass dieser sich selbst ermordet, ruiniert, zerstört, oder zumindest seine Chancen, Vorteile und Talente. Genau das geschieht seit Jahren mit den europäischen Demokratien. Genau das geschieht heute Nacht (1, 2) im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Palästina.
Die Resolution, die Mahmud Abbas und die „Palästinensische Befreiungsorganisation“ nicht selbst in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einbringen konnten und sich daher an die Monarchie Jordanien wandten, ist gut. Sie ist, im Vergleich zur Resolution der P.L.O. vom 17. Dezember, sogar noch verbessert wurden. Ostjerusalem wurde eben nicht verraten und verkauft. Im Gegenteil, die Resolution beinhaltet im Entscheidungstext („decides“) unter Punkt 2:
„eine gerechte Lösung des Status von Jerusalem als der Hauptstadt der zwei Staaten, die die legitimen Anliegen beider Parteien erfüllt und die Freiheit des Betens beschützt.“
Angekündigt wurde diese Resolution von Mahmud Abbas bereits vor fast einem halben Jahr, in seiner Rede am 26. September in der Allgemeinen Versammlung der Vereinten Nationen. Abbas damals wörtlich:
„Während der letzten zwei Wochen, unterhielten Palästina (Anm.: Abbas Autonomiebehörde) und die Arabische Gruppe intensive Kontakte mit den verschiedenen regionalen Gruppen in den Vereinten Nationen, um die Einbringung eines Resolutionsentwurfs bezüglich des israelisch-palästinensischen Konflikts für dessen Annahme durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorzubereiten und die Bemühungen um Frieden voranzutreiben.“
Nur zur Erinnerung: das war mitten in einem durch die Regierung Israels angerichteten Massaker im aufständischen Teil Palästinas, dem Gazastreifen, in das zum wiederholten Male Bodentruppen der Kolonialmacht Israel versuchten einzumarschieren, in Absprache mit den Regierungen in Berlin und Washington bezüglich einer „Demilitarisierung“ des Gazastreifens und dem damit verbundenen absehbaren Versuch deutsche „Inspektoren“ als Besatzungsmacht einzubinden.
Das war vor einem halben Jahr.
Seitdem passierte durch Abbas Behörde und die P.L.O. hinsichtlich der Resolution gar nichts, außer das in regelmäßigen Abständen immer wieder behauptet wurde, jaja, jetzt aber. Jetzt aber.
Jetzt werde man die Unabhängigkeits-Resolution in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einbringen. Bloß 36 Jahre nach der eigenen Unabhängigkeitserklärung. Nur noch ein halbes Jahr lang schwätzen. Bloß noch ein halbes Jahr.
Am 17. Dezember stellt die P.L.O. ihre Resolution vor und versteckte diese auf ihrer Webseite so gut es ging. Ich fand sie erst Tage später. Meines Wissens nach verlinkte kein einziges palästinensisches Portal die Resolution oder verwies auch nur darauf, auch nicht die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA.
Als stattdessen Mahmud Abbas schon wieder vor der Presse auftauchte und irgendetwas als Begleitmusik zu seinem Nichtstun erzählte, schrieb ich dazu am 21. Dezember des Jahres 2014 in Kurzform meine Meinung. Als es dann nach Weihnachten am 29. Dezember endlich hieß, die palästinensische Resolution werde nun tatsächlich in den Sicherheitsrat eingebracht, zum Erstaunen „westlicher Dipomaten“, dachte ich, na endlich. Jetzt kann´s losgehen.
Nur zur Erklärung: Einbringen heisst nicht abstimmen. Gerade wenn drei Tage später am 1. Januar 2015 fünf Staaten neues Mitglied im U.N.O.-Sicherheitsrat werden, von denen vier – Angola, Venezuela, Spanien und Malaysien – Palästina wahrscheinlich ihre Stimme geben würden und die Chancen auf einen Sieg damit erheblich steigen. Die palästinensische Unabhängigkeits-Resolution, die durch Annahme im U.N.O.-Sicherheitsrat völkerrechtlich verbindlich und rechtsgültig wäre, braucht 9 Stimmen von 15 Mitgliedern.
Ich hatte bereits während des Putsches in der Ukraine und des anschließenden Aufbaus der Neurussland-Falle den Eindruck, als lese nur eine Klientel meine Artikel tatsächlich und sorge
„umgehend dafür, dass genau das Gegenteil von dem geschah was ich in diesen mit aller Bescheidenheit empfohlen hatte.“
Ich sehe, genau jetzt, diese Sadisten und Faschisten im seit Ausbruch des Terrorkrieges in 2001 mit Geld, Macht und Spielzeugen für Kranke vollgelaufenen „Sicherheits“-Apparat vor mir, auch in Jerusalem, auch in New York, wie sie versuchen die Palästinenser – neben den Kurden das Volk was noch immer für deren geostrategische Spielchen hergehalten und gelitten hat – ein weiteres Mal auf das Dreckigste zu betrügen.
Die Monarchie Jordanien ist der Feind Palästinas. Das war sie immer, genauso wie jede andere Monarchie, genauso wie die heruntergekommene Junta Israels.
Noch einmal: die von der P.L.O. in den U.N.O.-Sicherheitsrat eingebrachte Resolution ist gut. Sie wird der Zwei-Staaten-Lösung gerecht, die Ilan Pappe und andere Schwachköpfe genauso gefährden wie diese Gang um Netanjahu, Tzipi Livni und Yair Lapid, möge sie alle der Teufel holen.
Es gibt zwei Zeitpunkte, an denen eine Abstimmung – nochmal: Einbringen ist nicht Abstimmen – im U.N.O.-Sicherheitsrat günstig gewesen wäre: vor Weihnachten, aber vor allem nach dem Jahreswechsel, mit den neuen Mitgliedern.
Das ausgerechnet jetzt, plötzlich, nach einem halben Jahr, zuerst die eigene Resolution verschämt irgendwo ins Netz gestellt und mit keinem Wort erklärt oder verteidigt wird (hier hätte Mahmud Abbas sich mal vor die Presse stellen und drei Tage am Stück reden können) und stattdessen sofort, pronto, im Sicherheitsrat zur Abstimmung gestellt wird, zwei Tage bevor tatsächlich die Vereinigten Staaten von Amerika, diese „Supermacht“, dieses Imperium, „Führer“ der Welt und großer Bruder eines abstoßenden, grausamen und pathologischen Staatsverwandten in Vorderasien, der nichts macht außer seine kranken Phantasien und pseudoreligiösen Spinnereien an Schwächeren in seinen Kolonialgebieten auszulassen, gewungen worden wäre sich vor aller Welt entweder a) zu seinem kleinen Bruder zu bekennen, zu isolieren und zu blamieren, indem es sein Veto einlegen muss um die Resolution noch zu verhindern, oder b) – Gott bewahre! – zu enthalten und mal das Patschehändchen Israels loszulassen, ist sehr bedauerlich.
Immerhin: die Resolution wird im Sicherheitsrat zur Abstimmung gestellt, wenn auch maximal schlecht vorbereitet, ohne irgendeine Öffentlichkeitsarbeit, zum völlig falschen Zeitpunkt und mit lauter falschen Freunden, die der P.L.O. und ihrem Chefunterhändler Saeb Erekat wahrscheinlich seit Monaten permanent mit voller Kraft ins Ohr schreien, um ihm vielleicht auch diesen Artikel in so ganz eigener Übersetzung vorzulesen, weil selbst zu lesen einfach viel zu anstrengend ist.
Doch die Resolution ist gut. Sie ist einen Versuch wert. Selbst wenn dieser Versuch, wieder einmal, von den gleichen imperialistischen Kolonialmächte und ihren „alliierten“ Monarchien sabotiert wird, die seit 13 Jahren explizit im muslimisch-arabischen Raum ein Blutbad nach dem anderen anrichten.
Palästina wird unabhängig, in den Grenzen von 1967. Das ist nur eine Frage der Zeit. Die Zwei-Staaten-Lösung ist eben eine Lösung für zwei Staaten. Sie ist auch eine Lösung für ein die ganze Welt nervendes Problem, was genau diejenigen die dafür bezahlt werden nicht lösen wollen, weil sie dann ja nicht länger dafür bezahlt werden.
Der Kampf für die Zwei-Staaten-Lösung und ihre Inhalte und Werte, die auch in der U.N.O.-Resolution der Palästinensischen Befreiungsorganisation repräsentiert sind, wird so oder so übermorgen weitergehen, dreimal so hart wie bisher. Mein Wort darauf.
Aktualisierung 00.15 Uhr, 31.12.
Wie prognostiziert, ist die Unabhängigkeits-Resolution Palästina gescheitert – an einer einzigen fehlenden Stimme. 8 Staaten stimmten dafür, fünf Staaten enthielten sich, 2 Staaten stimmten dagegen.
Damit fehlte eine einzige Stimme. Saeb Erekat und die lieben „Freunde Palästinas“ in den arabischen Monarchien, allen voran Jordanien, müssen sich nun fragen lassen, warum sie mit der Abstimmung nicht zwei Tage gewartet haben, nachdem sie mit dem Einbringen der Resolution viel zu lange gewartet haben (bis gestern Nacht) und so geradezu dafür gesorgt haben, dass sich deren Inhalt nur ja nicht in der Weltöffentlichkeit herumsprach.
Wie perfide die Abstimmung zum Kippen gebracht wurde, kann man in der „Haaretz“ nachlesen. Ein Klassiker: Nigeria, mit seinem grundgütigen Autokraten Goodluck Jonathan – seit Jahren gesegnet mit besten Kontakten zwischen seinen Geheimdiensten und denen Israels, einer Totalbeobachtung der Internet-Aktivitäten der Bevölkerung durch den israelischen Elbit-Konzern und lauter israelischen Counterterror-Experten im Land, die immer mehr Kinder verlieren die von unauffindbaren „Islamisten“ entführt werden (während die von Israel gelieferten Drohnen irgendwie am Boden bleiben) – änderte in letzter Minute seine Stimme von „Ja“ zu „Enthaltung“.
Nachtrag, 31.12, 12.50 Uhr:
Ein Bericht des britischen „Guardian“ vervollständigt das Bild. Laut einer „in die Verhandlungen involvierten palästinensischen Quelle“ deutete die Delegation Nigerias noch eine halbe Stunde vor der Abstimmung ein „Ja“ in der Abstimmung an, worauf sich die palästinensische Delegation offensichtlich verließ (was für eine unendlich peinliche Naivität und politische Unfähigkeit). Nach Informationen des „Guardian“ hatten jedoch vor der Abstimmung Israels Premier Benjamin Netanjahu und U.S.-Außenminister John Kerry persönlich Nigerias Autokraten Goodluck Jonathan angerufen, um so die letztlich erfolgte und die Abstimmung entscheidende Enthaltung Nigerias im U.N.O.-Sicherheitsrat sicherzustellen. Wie der „Guardian“ des Weiteren bestätigt, hatte die Regierung von Barack Obama in Washington
„angestrengt daran gearbeitet zu vermeiden ihr Veto benutzen zu müssen“.
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