Einen Tag nach dem Charlie Hebdo Attentat in Paris erzählt Oskar Lafontaine vom Krieg wie er ihn versteht.
Gestern, am 7. Januar 2015, geschah so einiges. Bereits in der Nacht zum Mittwoch erfolgte die faktische Anerkennung Palästinas durch die Vereinten Nationen bzw die Bestätigung vom Inkrafttretens des Römischen Statuts vom Internationalen Strafgerichtshofs für Palästina am 1. April seitens U.N.O.-Generalsekretär Ban-Ki Moon. Diese historische Nacht ging am Morgen im Nebel des Charlie Hebdo Attentats in Paris ebenso unter wie die vom Berliner Regierungskabinett stillschweigend beschlossene Verlängerung der „Patriot“-Raketen-Stationierung der Bundeswehr in der Türkei, die „Die Linke“ kurz vor Weihnachten 2012 durch die Einwilligung ins parlamentarische Eilverfahren erst möglich gemacht und so die Vorbereitung für den offenen Angriffskrieg gegen Syrien mitgetragen hatte.
Heute nun, einen Tag nach dem Charlie Hebdo Attentat in Paris, veröffentlicht die Bertelsmann Stiftung eine sicher nicht innerhalb von 24 Stunden erstellte „Sonderauswertung Islam“. Unter dem Titel „Deutsche fühlen sich vom Islam bedroht“ wird berichtet, 57 Prozent der Nicht-Muslime fühlten sich von dieser Religion bedroht. Gleichzeitig erzählt Oskar Lafontaine, seit seiner Kanzlerkandidatur 1990 in der Verbesserung der (jungen) Welt bekanntlich äußerst erfolgreich, seit langem mal wieder vom Krieg wie er ihn versteht.
Unter der Überschrift „Frieden statt NATO“ findet man, neben vielem was Parteiaugen sofort ungehindert reinläuft, u.a. zur Irak-Invasion 2003 folgendes:
„Auch von den US-Einrichtungen in Deutschland wurde dieser Krieg geführt. Hätte Saddam Hussein über weiterreichende Raketen verfügt, dann wäre er berechtigt gewesen, US-Einrichtungen wie die Air Base Ramstein anzugreifen.„
Neben allem anderen Schwachsinn, den diese exterritoriale Partei namens „Die Linke“ schon verbraten hat, ist die Rechtfertigung für militärische Angriffe, ob asymmetrisch oder eben nicht, auf deutschen Boden noch einen oben drauf.
Ich stelle mir gerade die Bertelsmann-Stiftung vor, wie sie nach ominösen Explosiönchen in der Ramstein Base im Jahre 2011, nach einer doch erfolgten Beteiligung Deutschlands am Angriffskrieg gegen Libyen, dessen Vorbereitung von allen Parteien, Militär und Informationsindustrie gedeckt worden war, einen Tag später die „Sonderauswertung Gaddafi“ herausgibt und und am selben Tag Oskar Lafontaine folgendes schreibt:
„Der sogenannte Antiterrorkrieg der USA ist, wie der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer richtig analysiert, ein Terrorzuchtprogramm und erhöht die Terroranschlagsgefahr in Deutschland.„
Wir verstehen das: erst rechtfertigt Oskar Lafontaine militärische Angriffe auf deutschem Boden, dann warnt er vor asymmetrischen militärischen (terroristischen) Angriffen auf deutschem Boden. Durch wen diese asymmetrischen militärischen Angriffe bzw Attentate überhaupt erfolgen würden, und welchen Sinn das überhaupt machen sollte, dazu sagt Lafontaine nichts. Und genau das lässt den Raum für die üblichen Verdächtigen und eben genau die Kriegslogik, die er an anderer Stelle seines Artikel anprangert und die er seit Ausbruch des Terrorkriegs in 2001 nicht eine einzige Sekunde in Frage gestellt, sondern immer gestützt hat, genau wie die Führung von „Die Linke“. Neben deren Kollaboration, passiv wie aktiv, bei den Vorbereitung zum Angriffskrieg gegen Libyen und Syrien weitere Beispiele:
– im Juni 2008 erklärt Lafontaine, der Krieg in Afghanistan hole „den Terror ins Land“, meint damit Deutschland und suggeriert mögliche Attentate in Deutschland durch Afghanen a.k.a. Muslime. Lafontaine tut dies, während gleichzeitig der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble und sein Innenstaatssekretär August Hanning nahezu täglich Propaganda gegen das Grundgesetz streuen, ohne den geringsten Widerstand aus „Die Linke“ die Befugnisse der Spione permanent ausweiten und ebenfalls im Juni 2008 die “Bundesakademie für Sicherheitspolitik” das Papier “Energiesicherheit 2050 – Eine ressortübergreifende Herausforderung” heraus gibt und bereits damals von kommenden „bewaffneten Auseinandersetzungen“ mit Russland und China spricht.
Damals von Lafontaine und „die Linke“ dazu kein Sterbenswörtchen. Stattdessen nun Klagelaute nach dem Putsch in der Ukraine sechs Jahre später, durch faschistische Fusstruppen von patriotischen Europäern des Nordatlantikpakts. So eine Überraschung. Man konnte ja nichts machen. Man saß ja nur im Bundestag.
– im Juni 2009 hat der Fraktionsführer von „Die Linke“ im Bundestag Gregor Gysi einen geradezu genialen prophetischen Anfall. Nachdem drei deutsche Soldaten in Afghanistan unter unklaren Umständen in ihrem Panzer ertrunken sind, sagt Gysi folgendes:
„Der Afghanistan-Einsatz erhöht die Anschlagsgefahr in Deutschland und der Welt.“
Abermals ist dies eine Spiegelung jeder noch so dümmlichen Behauptung aus Schäubles Innenministerium und den eng assoziierten U.S-Geheimdiensten.
Monate später: am 4. September 2009, kurz vor der Bundestagswahl, erfolgt ein Luftangriff von U.S.-Bombern auf eine Menschenmenge in der Nähe des Bundeswehr-Stützpunkt im afghanischen Kunduz und vaporisiert ungefähr 130 Menschen. Angefordert wird der Luftangriff vom deutschen Kommandeur des Bundeswehr-Stützpunkts in Kunduz, der mitten in der Nacht von Spezialkräften geweckt wird, in den Einsatzraum der Task Force 47 geschleift wird und dort vom ranghöchsten Offiziers der Task Force, Hauptmann N., Informationen über einen angeblichen, unmittelbar bevorstehenden Angriff von „Taliban“ auf den deutschen Militärstützpunkt bekommt. Wie der spätere Untersuchungsausschuss des Bundestages in seinem Abschlussbericht später ausführt, stützen sich diese Informationen von TF47-Leiter „Hauptmann N.“ „fast ausschließlich“ auf Informationen eines einzigen Informanten, der
„durch Angehörige des so genannten „Field HUMINT Teams“
der TF47 „geführt“ worden ist: Es haben Treffen mit diesem Kontakt stattgefunden, es wurde häufig kommuniziert, die Kontaktperson erhielt auch Geldzahlungen, wobei sich die Höhe der Zahlungen an solche „Kontaktpersonen“ nach Auskunft der Zeugen im Ausschuss auch nach der Qualität der Informationen richtete, die der jeweilige Kontakt liefert.“
Der Untersuchungsausschuss listet im Abschlussbericht „die verschiedenen Verschleierungsbemühungen des Pressestabes im Bundesverteidigungsministerium“ auf:
„– Leugnung ziviler Opfer, auch mit dem Ziel, Entschädigungsansprüche möglichst zu vermeiden.
– Vortäuschen von Zeitdruck bei der Entscheidung zum Luftschlag durch falsche chronologische Darstellungen.
– Falschmeldung zum bevorstehenden Angriff der Lastwagen auf das PRT Kunduz trotz Widerspruch zur eigenen Online-Meldung, die davon sprach, dass der Treibstoff für eigene Zwecke in den Distrikt Chahar Darrah verbracht werden sollte und Hinweisen, dass die festgefahrenen Tanklaster in Brand gesetzt werden sollten.
– Erfinden einer so genannten „dritten Quelle“, angebliche SIGINT des afghanischen Geheimdienstes, auf
die die Entscheidung zum Luftschlag gestützt worden sei, für die Bundespressekonferenz vom 7. September 2009.
– Diffamieren des IAT-Berichts der NATO als „Reisebericht“ in den Bundespressekonferenzen vom 9. und 11. September 2009 und Verschleierung seiner Inhalte, insbesondere zu den offenkundigen Verstößen von Oberst Klein gegen NATO-Einsatzregeln.
– Angebliche Ermordung eines der Fahrer wird als Beleg für unmittelbare Bedrohung präsentiert, nicht als möglicher Hinweis auf die Anwesenheit eines Zivilisten am Tatort.
– Versuch der Leugnung, dass Tanklastwagen festgefahren waren (SMS von Malte Krause).“
Im Abschlussbericht vom Untersuchungsausschuss taucht das Wort „Drohne“ nicht einmal auf. Das ist schade. Der fraktionslose Abgeordnete Gert Winkelmeier, Mitglied im Verteidigungsausschuss, am 8. September 2009 im Bundestag zum Sachverhalt:
„Zudem standen diese Lastwagen ständig unter Luftbeobachtung.“
Und was sagt Oskar Lafontaine am 4. September 2009, dem Tag des Luftangriffs in Kunduz?
„Jedes zivile Opfer der Kriegsführung der NATO und der Bundeswehr in Afghanistan führt zu einem weiteren Erstarken der Taliban und holt den Terror ins eigene Land„.
Wer sich jetzt meinen Artikel vom 6. September 2009 dazu einmal durchlesen und den mit den Erkenntnissen vom spätere Untersuchungsausschuss vergleichen möchte: bittesehr. Was der Untersuchungsausschuss leider ebenfalls wegließ: dass, nach Informationen der üblicherweise recht gut informierten „Leipziger Volkszeitung“, die Bundesregierung, der damalige Generalinspekteur Schneiderhan, das Verteidigungsministerium, sowie “mit der Koordination der Geheimdienste beauftragte Regierungsvertreter” “vor und nach dem umstrittenen Luftangriff bei Kundus am 4. September” im Zuge einer im Juli 2009 insgeheim beschlossenen neuen “Eskalationsstrategie” in Afghanistan folgten und Bundesnachrichtendienst, sowie das Kommando Spezialkräfte, “in Abstimmung” mit der C.I.A. in die “vom seinerzeit amtierenden Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan den Offizieren vorgegebene Eskalationsstrategie” zur „gezielten Liquidierung der Führungsstruktur der Taliban” “in die Entscheidungsstrukturen einbezogen” worden waren.
Beim Kommando Spezialkräfte gibt es einen Leitspruch: Der Wille entscheidet.
Am Willen von Oskar Lafontaine und „Die Linke“, die Kriegslogik des mit den Attentaten vom 11. September 2001 getriggerten und bis heute andauernden weltweiten Terrorkrieges zu brechen und dessen geplante Renaissance zu verhindern, darf auch weiterhin ernsthaft gezweifelt werden.