Münchner Sicherheitskonferenz: Volker Beck kritisiert Absage der Türkei wegen Israels spontaner Teilnahme

Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu hat am Freitag seine Teilnahme an der Sitzung über den Mittleren Osten abgesagt und schickt nur einen unbedeutenden Repräsentanten, berichtete die Nachrichtenagentur Andalou.

Der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen regt sich laut Andalou mächtig darüber auf, dass der Aussenminister der Türkei kurz entschlossen nicht an der 51.Münchner Sicherheitskonferenz teilnimmt:

„Das ist eine unerhörte Tat. Es ist ein Affront gegen Israel und ein Affront gegen Deutschland! Die Bundesregierung muss die türkische Regierung zu verurteilen.“

Beck ist Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages und fühlt sich offensichtlich stellvertretend für seine Freunde pikiert. Hat Beck die Israelis zu Tisch gebeten, warum regt er sich so auf?

Wenn Israel in letzter Minute zur Konferenz eingeladen wurde oder sich eingeladen hat, ist es jeder Regierung überlassen, wann, wo, über was und mit wem sie konferieren will. Die Regierung in Jerusalem ist selbst schuld, wenn sie sich überall penetrant aufdrängt. Um das Ansehen Israels weltweit zu fördern wurde die Doktrin erlassen, an möglichst allen Tagungen in der Welt teilzunehmen. Angefangen von der U.N.O. bis zu kleineren Meetings um das Image verbal aufzupolieren und vor Ort Kritik zu begegnen. Beck wäre gut beraten, darüber nachzudenken, weshalb dieser Aufwand getrieben wird.

Premierminister Benjamin Netanjahu als jüngstes Beispiel an vorderster Spitze. Seine geplante Rede vor dem U.S.-Kongress im März als Wahlkampf-Trumpf hat sich jetzt schon als wahres Desaster erwiesen. Nicht nur Demokraten, auch Republikaner empören sich darüber, dass kein offizieller Amtsweg dazu von John Boehner eingehalten wurde. Viele denken laut darüber nach, nicht an dem Auftritt teilzunehmen.

Selbst der Generalstab der Armee und ehmalige hohe Armeechefs inkl. verbündete Freunde von Israel echoffieren sich – nicht etwa aus Sympathie zu Barack Obama sondern über die gezeigte Selbstherrlichkeit und Missachtung ganz allgemein gegenüber der U.S.-Regierung als solcher. „Das ist eine neue Stufe der Chuzpe, hiess es aus Armeekreisen.

In dem Artikel vom 2.Februar 2015 Netanyahu’s Congress invitation raises eyebrows among some US generals wird dazu prächtig vom Leder gezogen.

Es hat auf die Kriegsführung der westlichen Staaten kaum Einfluss, wer an der Konferenz teilnimmt. Für die Öffentlichkeit wird Einhelligkeit darüber verkündet, welche Länder zu befrieden sind. Es ist eine Demonstration für „Einigkeit und Recht und Freiheit“ der Waffenbrüder um die Herrschaft über den Rest der Welt anzutreten. Es wird wohl kaum bei einem der sorgfältig ausgewählten Teilnehmer, die über die Einladung geschmeichelt sind zu der Créme de la Chréme zu gehören, notwendig sein, ihn auf Linie zu trimmen. Wir empfehlen Ihnen den Artikel Das Zeitalter des Ordnungszerfalls vom 5.Februar 2015 zur 51. Münchner Sicherheitskonferenz von German Foreign Policy.

Geheime Waffenlieferungen, strategische Pläne, Geheimdienstabsprachen, Training von Spezialeinsatzkräften, Verabredungen zu verborgenen Einsätzen, die anderen in die Schuhe geschoben werden um auf diese draufzuschlagen, Druck und Bestechung von Diplomaten – dieses schmutzige Gewerbe der Kriegsindustrie findet an anderen Orten und zu jeder Zeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Es ist Angelegenheit der Türkei, diese Gelegenheit als politisches Statement zu dem Verbrechen des Überfalls auf das Schiff “Mavi Marmara” der Hilfsflotte Free Gaza zu nutzen, bei dem zehn türkische Staatsbürger getötet wurden. Der israelische Aussenminister Avidgor Lieberman nannte gestern die jüngste israelische Entschuldigung ein „enormes Missverständnis“.

Durch die Absage ändert sich nicht das Geringste in der bisherigen Zusammenarbeit der „N.A.T.O.-Bündnispartner“ – auch nicht bei den Geschäften der Türkei mit Israel. Mevlüt Cavusoglu hat ausdrücklich betont, dass er nichts gegen die Berliner Regierung hat und das Fernbleiben nicht als Affront gegenüber Deutschland gewertet werden soll. Isaac Herzog (Zionist Union) reist auch zu der Kriegssitzung. Cavusoglu könne es halt nicht ertragen so dicht mit Yuval Steinitz (Likud), dem israelischen Minister für Strategische Angelegenheiten, zusammen zu kommen, den er als einen „viel zu radikalen Minister“ bezeichnete.

Diesen Standpunkt des türkischen Aussenministers zu „Mavi Marmara“ hat Beck, der in seinem Twitter-Account das Wappen „human rights activist“ führt, zu akzeptieren. Dieser Tweet vom 31.1.2015

„@AnkeJulieMartin ich hoffe EU listet weiter die gesamte Hamas als Terrororganisation und nicht nur militärische Substruktur“

bezeugt das Gegenteil über das Verständnis zu Menschenrechten und eine voreingenommene Haltung. Es ist eine Verleugnung der Verantwortung der israelischen Regierung zu den Todesopfern durch die israelische Armee und aller noch dort lebender Menschen unter schwersten Bedingungen im Gazastreifen.

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