Libyen: Clintons Kriegslügen
Am 19. März 2011 begannen Frankreich, Großbritannien und die USA unter Berufung auf UN-Resolution 1973 mit der Bombardierung Libyens. Die NATO übernahm die Führung des Kriegsgeschehens am 31. März 2011, es folgten sieben Monate und 26.500 Lufteinsätze. Wie sich nun herausstellt, hat die westliche Intervention das nordafrikanische Land nicht nur ins totale Chaos gestürzt, erstmals bestätigen nun auch offizielle US-Regierungsquellen, dass auch dieser Krieg vor allem von der damaligen Außenministerin Hillary Clinton in vollem Bewusstsein mit dreisten Lügen begründet wurde. Dennoch gilt der Einsatz dem Großteil der deutschen Außen- und Sicherheitspolitiker weiter als Orientierungspunkt für ein künftiges „verantwortliches“ Handeln Deutschlands auf der Weltbühne.
Bezugspunkt für Gauckisten
Bekanntlich drängen spätestens seit dem Auftritt von Bundespräsident Joachim Gauck bei der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang 2014 große Teile des außen- und sicherheitspolitischen Establishments darauf, Deutschlands scheinbar bislang an den Tag gelegte „Kultur der (militärischen) Zurückhaltung“ zugunsten einer offensiver ausgerichteten Außenpolitik ad acta zu legen (siehe ausführlich IMI-Studie 2015/02).
Doch die Forderung hiernach ist deutlich älter: Die Rufe nach einer ambitionierteren militärischen Rolle Deutschlands nahmen vor allem nach der Entscheidung der damaligen Bundesregierung, sich 2011 nicht an dem Krieg gegen Libyen zu beteiligen, massiv an Lautstärke zu. Mehrheitlich wurde dies als ein veritabler Fehler beurteilt, der Deutschland machtpolitisch schweren Schaden zugefügt habe. So polterte etwa Joschka Fischer: „Mir bleibt da nur die Scham für das Versagen unserer Regierung und – leider! – auch jener roten und grünen Oppositionsführer, die diesem skandalösen Fehler anfänglich auch noch Beifall spendeten. […] Die deutsche Politik hat in den Vereinten Nationen und im Nahen Osten ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt, der Anspruch der Bundesrepublik auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat wurde soeben endgültig in die Tonne getreten, und um Europa muss einem angst und bange werden.“ (Süddeutsche Zeitung, 24.3.2011)
Zerstörtes Land
Allein den direkten Kriegshandlungen fielen in Libyen Schätzungen zufolge laut Recherchen der Tripoli Post (8.9.2011) 30.000 bis 50.000 Menschen zum Opfer. Mindestens ebenso schwer wiegt, dass das Land im Nachklapp der Intervention ins totale Chaos stürzte: „Die Behörden haben in Tripolis nicht einmal mehr Zutritt zu Staatsgebäuden. Verschiedene Milizen haben die Kontrolle übernommen. Jeder, der dazu in der Lage ist, flieht aus dem zerfallenden Land. Die westlichen Länder evakuierten bereits Ende Juli ihre Botschaften. Wie schon im Bürgerkrieg 2011 machen sich zehntausende Menschen auf den Weg nach Tunesien und Ägypten, um der Gewalt zu entkommen. Wer vermutet hat, nach dem Sturz Gaddafis würde das Land eine Demokratie werden oder wenigstens ein sicheres Erdölfördergebiet, der wurde enttäuscht.“ (AUSDRUCK, Oktober 2014)
Als Bilanz eines vermeintlich humanitären Einsatzes sind diese Resultate, selbst wenn er gut gemeint gewesen wäre, völlig verheerend. Wie sich nun aber herausstellte, konnte von irgendwelchen besten Absichten ohnehin keine Rede sein.
Lügen für „Hillarys Krieg“
Eine der führenden Kräfte hinter der westlichen Intervention war die damalige US-Außenministerin, die Washington Post (30.10.2011) sprach in diesem Zusammenhang sogar von „Hillarys Krieg“. Unermüdlich wiederholte sie, Gaddafi-Truppen hätten – gezielt und systematisch – Zivilisten getötet, in Bengasi hätte sogar ein Massaker gedroht, weshalb die – völlig rechtswidrige – Bombardierung Libyens dringend erforderlich sei. Schon damals gab es viele Hinweise, dass es sich hierbei um bestenfalls fragwürdige, meist sogar falsche Behauptungen gehandelt hatte (IMI-Studie 2012/04).
Wie sich nun – nicht vollkommen überraschend – herausstellt, waren diese gegenläufigen Indizien damals innerhalb der Administration bestens bekannt. So berichtet die Washington Times (28.1.2015) unter Verweis auf jüngst erhaltene Gesprächsmitschnitte aus Tripolis sowie auf Aussagen hochrangiger damaliger Regierungsbeamter: „Mehrere von der Times interviewte US-Offizielle bestätigten, dass Frau Clinton und nicht Herr Obama führend in der Forderung war, NATO-Militärkräfte einzusetzen, um Gaddafi als Anführer Libyens des Amtes zu entheben und dass sie wiederholt die Warnungen von Beamten aus dem Verteidigungs- wie auch dem Militärapparat in den Wind geschlagen hat. […] Frau Clintons Argument bestand darin, dass Gaddafi kurz davor stand, einen Völkermord gegen Zivilisten in Bengasi zu begehen, wo die Rebellen ihr Machtzentrum hatten. Aber Geheimdienstbeamte aus dem Verteidigungsministerium konnten diese Bedenken nicht bestätigen und kamen in der Tat zu der Einschätzung, dass es Gaddafi wohl kaum riskieren würde, sich aufgrund der Tötung zahlreicher Menschen den Zorn der Welt auf sich zu ziehen. […] Im Ergebnis wandten sich Verteidigungsminister Robert M. Gates und Generalstabschef Mike Mullen entschieden gegen Frau Clintons Forderung nach dem Einsatz von Gewalt.“
Genutzt hatte dieser Widerstand innerhalb der Administration dann bekanntlich herzlich wenig. Dass, wie die Washington Times (1.2.2015) in einem Folgeartikel berichtet, die USA seitens der damaligen libyschen Regierung auch noch gewarnt wurde, die von der NATO unterstützten Rebellen hätten enge Kontakte zu Al-Kaida, macht die ganze Angelegenheit noch empörender, lag hier doch eine wesentliche Ursache für die anschließende Destabilisierung der gesamten Region.
Gezielte Demontage?
Spätestens seit den letzten Kongresswahlen gilt Hillary Clinton als aussichtsreichste Bewerberin für die demokratische Präsidentschaftskandidatur. So etwa lautet die Einschätzung des ehemaligen US-Botschafters in Deutschland, John Kornblum: „Die große Gewinnerin dieser Wahl ist Hillary Clinton. Als mögliche Präsidentschaftskandidatin ist sie ohnehin schon stark und hat jetzt angesichts einer gewissen Ratlosigkeit der Demokraten noch eine bessere Position. Die Demokraten werden nicht bereit sein, Experimente zu machen.“
Die Artikelserie der Washington Times, die dem rechten republikanischen Flügel zugerechnet und bei Wikipedia in einem Atemzug mit dem Fox News Channel genannt wird, dürfte deshalb wohl auch mit dem Ziel veröffentlicht worden sein, Clinton systematisch zu demontieren. Dies legen etwa Passagen nahe, in denen aus Clintons Verhalten im Zuge des Libyen-Konfliktes direkt ihre Eignung als Präsidentin infrage gestellt wird: „Sollte sich Frau Clinton nächstes Jahr um die Präsidentschaft bewerben, wird ihr Führungsstil mit Blick auf die Außenpolitik durch den einen Krieg bewertet werden, den sie persönlich als Außenministerin angeführt hat. Zu den Schlüsselfragen, denen sich alle Kandidaten stellen müssen, gehört auch, wie sie Geheimdiensterkenntnisse bewerten und den Rat der militärischen Führung suchen.“ (Washington Times, 28.1.2015)
Da Clinton in der Kriegsfrage zu den absoluten Hardlinern in ihrer Partei zählt, müsste ihr in jedem Fall keine Träne nachgeweint werden. Aus Sicht der Washington Times könnte der nun abgefeuerte Schuss aber auch nach hinten losgehen, dann nämlich, wenn sich gleichzeitig bei den Republikanern der moderate Rand Paul durchsetzen und dann auf einen schwachen demokratischen Kandidaten treffen würde. Auch wenn dieses Szenario reichlich unwahrscheinlich ist, so verschafft einem allein der Gedanke daran, dass eine Zeitung aus dem rechten Spektrum eine „linke“ Bellizistin abschießt, um sich dann einen in der Gewaltfrage extrem moderaten Republikaner einzuhandeln, doch eine gewisse Befriedigung.
Erstveröffentlichung am 3.Februar 2015 auf Informationsstelle Militarisierungs e.V.