Die Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) der Regierung gilt auch für die Betreiber der Netzknoten. Im Mai 2012 unterrichtete die Regierung den Bundestag über Einzelheiten. Diese halten Parlament und Regierung bis heute geheim.
Wie Radio Utopie bereits berichtete, verpflichtet die in dieser Form seit 2008 geltende „Verordnung über die technische und organisatorische Umsetzung von Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation“ (Telekommunikations-Überwachungsverordnung – TKÜV) alle großen Internetprovider und Telefongesellschaften in der Republik
„dem Bundesnachrichtendienst an einem Übergabepunkt im Inland eine vollständige Kopie der Telekommunikation bereitzustellen“.
Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung gilt dies auch für Betreiber von
„Netzknoten..die der Zusammenschaltung mit dem Internet dienen”. (Hinweis: Rückkkopplung in § 3 Abs. 2 TKÜV ist hier erklärt)
Es stellt sich also die Frage, worüber alle zuständigen Stellen, Abgeordneten, Bürgerrechtsorganisationen, Anwälte, Journalisten, etc, pp, jetzt so überrascht sind.
Oder tun sie etwa nur so? Ein ganz linker Schelm, wer (das) zu Denken wagen könnte.
Was in der TKÜV – eine einfache Regierungsanordnung, gegen die bislang noch keiner vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt hat – drin steht, bekam die Bundestagsfraktion namens „Die Linke“ jedenfalls bereits im Mai 2012 ausdrücklich erklärt. Und zwar von keinem anderen als Ronald Pofalla.
Der damalige Kanzleramtsleiter Ronald Pofalla, Vorgesetzter des damaligen Geheimdienstkoordinators Günter Heiß in Abteilung 6 (wir berichteten), in einer Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion „Die Linke“ (Drucksache 17/9305) zur „strategischen Fernmeldeaufklärung“ des formalen Auslandsgeheimdienstes am 11. Mai 2012:
„Hierzu fordert der BND gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 G10 in Frage kommende Telekommunikationsdienstleister auf, an Übergabepunkten gemäß § 27 TKÜV eine vollständige Kopie der Telekommunikationen bereitzustellen, die in den angeordneten Übertragungswegen vermittelt wird.“
Die Fraktion „Die Linke“ in einer Kleinen Anfrage vom 13. April 2012, also lange vor der Menschheitsepoche Snowden, an die Regierung:
„Inwieweit greifen Bundesbehörden zur Überwachung von Telekommunikation auf den Verkehr über den Frankfurter Netzknoten DE-CIX zu?“
Warum fragten die Abgeordneten die Regierung? Warum lasen die Abgeordneten nicht einfach deren Telekommunikations-Überwachungsverordnung?
Auch ist völlig unersichtlich, warum der damalige Kanzleramtsleiter Ronald Pofalla die Angelegenheit nicht schon damals für beendet erklärte und den lieben VolksvertreterInnen einfach empfahl, mal die TKÜV zu lesen. Stattdessen erklärte Pofalla am 11. Mai 2012:
„Einzelheiten zu den technischen Fähigkeiten des BND können in diesem Zusammenhang nicht öffentlich dargestellt werden. Es wird wiederum auf Fähigkeiten, Methoden und Verfahren der strategischen Fernmeldeaufklärung eingegangen. Gleichzeitig werden operative Details beschrieben, deren Offenlegung negative Folgen für den BND haben könnte. Im Ergebnis würde dadurch die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörde und mithin die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Gleichwohl wird die Bundesregierung nach gründlicher Abwägung dem Informationsrecht des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen nachkommen.
Die Informationen werden als „Geheim“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag zur Einsichtnahme übermittelt.“
Der „Spiegel“ berichtete.
Anlass der Kleinen Anfrage der „Linksfraktion“ vom 13. April 2012 (Zeitangabe: Pofalla) war übrigens dieser „Bild“-Artikel vom 25. Februar 2012 über einen Bericht vom 10. Februar 2012 des “Parlamentarischen Kontrollgremiums” in der alle Parteien vertreten sind. In dem Bericht hieß es, wir wiederholen das gerne:
“In diesem Berichtszeitraum qualifizierten sich anhand der..Suchbegriffe 27 079 533 Telekommunikationsverkehre“
Wir konstatieren: Nicht nur wollten oder konnten die Abgeordneten der Fraktion „Die Linke“ im „Parlamentarischen Kontrollgremium“ wissen was sie wussten, sondern mussten erstmal die Regierung fragen was da in der „Bild“-Zeitung über ihren eigenen Bericht stand. Ebenso wollten oder konnten sie die seit 2008 in dieser Form geltende TKÜV nicht lesen. Und sie können oder wollen bis heute nicht vor der Öffentlichkeit zu dieser Stellung nehmen, genauso wenig wie die Abgeordneten aller anderen Parteien.
Und ebenso wollen alle Beteiligten, explizit die Abgeordneten der „Opposition“, nicht darüber sprechen, was Ihnen die Regierung bereits im Mai 2012 über das Raubkopieren aller Telekommunikation durch die Regierungsbehörden und ihrer kommerziellen „Erfüllungsgehilfen“ am Frankfurter Netzknoten erzählte.
Willkommen in der wirklichen Welt.
(….)
Rechtschreibung bwz Formulierung in Absatz 13 korrigiert am 08.06.2015. Der Inhalt wurde nicht verändert.
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