Thüringens Ministerpräsident: „Wenn ich mir den Internetknoten in Frankfurt anschaue…“
Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen und in der Partei „Die Linke“, äußert sich in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ zur aktuellen Spionage-Affäre und zur Verstrickung der Geheimdienste mit faschistischen Gruppen.
Neben wichtigen und persönlichen Angaben zur seiner eigenen Geschichte, u.a. in der HBV Gewerkschaft (heute Ver.di) und Konfrontationen mit Faschisten in Thüringen zu Beginn der 90er Jahre, macht Bodo Ramelow als erster Ministerpräsident, sowie hochrangiger Funktionär im Staat überhaupt, die Spionage am größten Internet-Knoten der Welt endlich zum Thema:
Frankfurter Rundschau: Derzeit wird heftig über Geheimdienste diskutiert, in der BND-NSA-Affäre. Wer ist verantwortlich, wer muss zurücktreten?
Bodo Ramelow: Erst Mal sind inhaltlich Konsequenzen zu übernehmen. Seit wir in Bad Aibling das amerikanische Abwehrzentrum übernommen haben, sind wir Teil des Abhörsystems. Dass mir irgendeine Regierung erzählt, sie habe nicht gewusst, was sie da übernimmt, ist einfach Quatsch. Wenn ich mir den Internetknoten in Frankfurt anschaue oder in Wiesbaden das NSA-Headquarter, dann sage ich: In Deutschland gibt es offensichtlich Territorien, auf denen allgemeines Staatsrecht unseres Landes außer Kraft gesetzt ist. Deswegen müssen wir über unsere Souveränitätsrechte reden.
Wie das im Besitz vom „Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.“ befindliche Betreiber-Konsortium kürzlich meldete, überstieg der über den Frankfurter Netzknoten DE-CIX geleitete weltweite Telekommunikationsverkehr am 28. April erstmals die Grenze von 4 Terabit pro Sekunde, was sekündlich 4 Milliarden Emails entspricht.
Die zuerst in 2001 erlassene und 2002 zur “strategischen Überwachung der Telekommunikation” auch “vom und in das Ausland” (Wortlaut: Bundesverfassungsgericht, Beschluss 1 BvL 7/08, 13.05.2009) ausgebaute Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) verpflichtet alle großen Telekommunikations-Dienstleister und Firmen auf deutschem Territorium, auch die Betreiber von Internet-Knoten a.k.a. Netzknoten oder „Auslandsköpfe“,
“die Aufstellung und den Betrieb von Geräten des Bundesnachrichtendienstes zu dulden, die nur von hierzu besonders ermächtigten Bediensteten des Bundesnachrichtendienstes eingestellt und gewartet werden dürfen”,
sowie
“dem Bundesnachrichtendienst an einem Übergabepunkt im Inland eine vollständige Kopie der Telekommunikation bereitzustellen”.
Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss 1 BvL 7/08 vom 13. Mai 2009 dazu feststellte, gilt dies auch für Telekommunikations-Firmen, die nicht einmal (Telekommunikations-)“Verkehrsführung vom Inland in das Inland“ und in der Republik keine “Endkunden-Anschlüsse” anbieten.
Im konkreten Fall hatte das Verwaltungsgericht Berlin am 2. Juli 2008 im Verfahren VG 27 A 3.07 die Klage der “Tochtergesellschaft” eines Telekommunikations-Konsortiums mit Sitz im Vereinigten Königreich an das Bundesverfassungsgericht verwiesen. Das Konsortium hatte dagegen geklagt, dass es auf eigene Kosten für die Regierung von Deutschland Spionage-Einrichtungen in seinen Anlagen einbauen musste, welches lediglich Daten durch die Republik durchleitete. Das Konsortium verfügte über ein “Transportnetz, das durch ganz Europa führt und weltweit 80 Länder berührt” (wir berichteten).
Zugang zu den geheimen Anlagen des B.N.D., u.a. am Frankfurter DE-CIX Netzknoten, haben die Mitglieder des de-facto Geheimgerichts G 10-Kommission, Andreas Schmidt, Frank Hofmann, Bertold Huber, Ulrich Maurer, sowie ihre Mitarbeiter. Ulrich Maurer ist Mitglied der Partei „Die Linke“. Keiner der Beteiligten hat dazu bislang in der Öffentlichkeit Stellung bezogen.
Wie Kanzleramtsminister Ronald Pofalla am 11. Mai 2012 in einer Antwort der Regierung dem Bundestag nach einer Kleinen Anfrage der Fraktion „Die Linke“ (Drucksache 17/9305) bezüglich der geforderten Auskünfte zur „Überwachung von Telekommunikation auf den Verkehr über den Frankfurter Netzknoten DE-CIX“ mitteilte, wurden die diesbezüglichen Informationen
„als „Geheim“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag zur Einsichtnahme übermittelt.“
Wie wir bereits berichteten, berechtigt Artikel 93 Grundgesetz jede Landesregierung durch eine “abstrakte Normenkontrolle” die “Auslegung” des Grundgesetzes durch die Bundesregierung und ihre Bundesbehörden wie dem Bundesnachrichtendienst, sowie deren konkrete Aktivitäten, auf deren Verfassungsmäßigkeit durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen.