Asiens Münchner Sicherheitskonferenz
Mit ihrer Teilnahme am heute beginnenden „Shangri-La Dialogue“ („Münchner Sicherheitskonferenz Asiens“) sucht die deutsche Verteidigungsministerin den sicherheitspolitischen Einfluss Berlins auf dem asiatischen Kontinent auszubauen. Die Tagung, zu der auch US-Verteidigungsminister Ashton Carter sowie ein führender chinesischer General erwartet werden, gilt als Spitzenveranstaltung asiatischer Sicherheitspolitik; seit die Vereinigten Staaten ihr „Pazifisches Jahrhundert“ ausgerufen haben, findet sie zunehmend Beachtung auch im Westen. Bereits seit mehreren Jahren bemüht sich Berlin gezielt, die militärpolitische Kooperation mit ausgewählten Ländern der Asien-Pazifik-Region zu intensivieren, darunter Australien, aber auch Indien, wo Ursula von der Leyen in den vergangenen Tagen Rüstungsverkäufe gefördert und gemeinsame Schritte in puncto Cyber-Krieg angebahnt hat. Jenseits offener Zusammenarbeit zwischen Verteidigungsministerien und Streitkräften bahnen zivile Vorfeldorganisationen der deutschen Außenpolitik militärpolitische Kooperationen mit anderen Ländern an. So bemüht sich die Konrad-Adenauer-Stifung (CDU) um den Ausbau einschlägiger Kontakte unter anderem nach Südkorea und Malaysia.
Amerikas pazifisches Jahrhundert
Mit ihrer Teilnahme am diesjährigen Shangri-La Dialogue in Singapur trägt die deutsche Verteidigungsministerin der steigenden weltpolitischen Bedeutung Asiens Rechnung. Vor allem der ungebrochene Aufstieg Chinas hatte US-Außenministerin Hillary Clinton im November 2011 veranlasst, „Amerikas pazifisches Jahrhundert“ auszurufen. Seitdem fokussieren die Vereinigten Staaten nicht nur ihre politischen Aktivitäten, sondern auch ihre Streitkräfte zunehmend auf Ostasien und auf die Pazifik-Region – gegen China. Einen Rahmen für begleitende Diskussionen bietet der Shangri-La Dialogue, den das transatlantisch gut vernetzte Londoner International Institute for Strategic Studies (IISS) seit 2002 organisiert und an dem regelmäßig hochrangige Militärs und Verteidigungspolitiker aus zahlreichen Staaten Asiens teilnehmen. Die Tagung wird wegen ihrer Bedeutung zuweilen als „Münchner Sicherheitskonferenz Asiens“ bezeichnet. Dieses Jahr haben sich auch mehrere Verteidigungsminister von außerhalb des Kontinents angekündigt: neben Ursula von der Leyen ihre Amtskollegen aus den USA, Großbritannien, Spanien, Australien und Neuseeland. China hat einen stellvertretenden Generalstabschef nach Singapur entsandt.
Am indischen Ozean
Während Verteidigungsministerin von der Leyen beim Shangri-La Dialogue über die sicherheitspolitischen Entwicklungen in der Asien-Pazifik-Region diskutiert, schafft Berlin längst auch Fakten. So hat von der Leyen sich in den vergangenen Tagen bei einem Aufenthalt in Indien nicht nur um neue Geschäfte für deutsche Rüstungskonzerne bemüht, sondern auch militärpolitische Absprachen getroffen. Man werde vor allem in puncto Cyber-Krieg künftig sehr viel enger zusammenarbeiten, kündigte die Verteidigungsministerin an; unter anderem sollen indische IT-Experten in die Erstellung des neuen Bundeswehr-Weißbuches einbezogen werden. Auch darüber hinaus sei Indien für Deutschland ein wichtiger „Anker“ in der Asien-Pazifik-Region. Weitere Schritte werden bei den deutsch-indischen Regierungskonsultationen im Oktober in New Delhi erwartet. Durch die Kooperation mit Indien will Berlin insbesondere seine Stellung am Indischen Ozean aufwerten, um die es sich gegenwärtig verstärkt bemüht. Eine gewisse eigene Präsenz in dem Weltmeer sichert der Marineeinsatz am Horn von Afrika, der, wie von der Leyen jetzt angekündigt hat, auf absehbare Zeit weitergeführt werden soll. Auch sonst werden die Kontakte ausgebaut: Mitte April lief die Fregatte „Karlsruhe“ auf einer Ausbildungsfahrt zu einem Arbeitsaufenthalt im indischen Marinehafen Mormugao ein.
Down Under
Als besonders eng werden in Berlin die sicherheitspolitischen Beziehungen Deutschlands zu einem eminent westlich geprägten Pazifikanrainer charakterisiert – zu Australien. Die „Berlin-Canberra-Absichtserklärung über eine strategische Partnerschaft“, die am 28. Januar 2013 unterzeichnet worden ist, umfasst auch militärpolitische Passagen. Man werde die „Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich durch die Aufrechterhaltung eines Programms regelmäßiger Konsultationen und Besuche auf politischer, ziviler und militärischer Ebene … vertiefen“, heißt es in dem Dokument. In der Tat wird die deutsch-australische Kooperation, aufbauend auf Erfahrungen in gemeinsamen Einsätzen etwa in Afghanistan, Nordirak und Südsudan, systematisch intensiviert. Von der Leyen und ihr australischer Amtskollege Kevin Andrews haben zuletzt am 22. April in Berlin „die weitere Ausgestaltung der deutsch-australischen Beziehungen“ diskutiert. Australien sei „für die Bundesrepublik der entscheidende Wertepartner in der Indo-Pazifischen Region, heißt es im Bundesverteidigungsministerium. Das Land hat am 22. April eigens ein Framework Participation Agreement (FPA) mit der EU geschlossen. Es regelt die Teilnahme australischer Truppen an Militäreinsätzen der EU. An EUCAP Nestor, einer Operation, die Marinekapazitäten in Ostafrika, insbesondere in Somalia, aufbauen soll, ist Australien schon jetzt beteiligt.
Vorfeld-Operationen
Neben dem Aufbau direkter militärischer und militärpolitischer Beziehungen zu weiteren Staaten wie Japan und Singapur streckt Berlin seine Fühler zu ost- und südostasiatischen Militärkreisen auch über zivile Vorfeldorganisationen seiner Außenpolitik aus. So unterhält die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) in Zusammenarbeit mit mit der Korean National Defense University seit 2011 einen „Deutsch-Koreanischen Sicherheitsdialog“, der letztes Jahr dem Thema „Militärkooperation zwischen Korea und Europa – Gegenwart und Zukunft“ gewidmet war. Militärexperten tauschten sich bei dem Treffen über „gemeinsame Sicherheitsanliegen in Asien und Europa“ aus. Darüber hinaus wurden „Möglichkeiten und Perspektiven einer Zusammenarbeit der NATO mit der Republik Korea“ diskutiert. Vor allem das „Individual Partnership and Cooperation Programme“ (IPCP), das die NATO und Korea im Jahr 2012 unterzeichneten, biete Chancen „für eine effektive Zusammenarbeit“, hieß es bei dem „Sicherheitsdialog“; darüber hinaus erhalte Seoul durch die Kooperation mit dem transatlantischen Kriegsbündnis die Möglichkeit, „sich über wichtige Akteure der globalen Sicherheit wie u.a. China oder Russland auszutauschen“. Im Mai 2014 hat Korea ergänzend ein Framework Participation Agreement mit der EU geschlossen. Die Vereinbarung ermöglicht es – wie diejenige der EU mit Australien -, koreanische Militärs für Interventionen der EU zu nutzen.
Potenzial für die EU
Über unverfängliche „Dialoge“ bahnt die Konrad-Adenauer-Stifung seit geraumer Zeit eine engere Zusammenarbeit auch mit Malaysia an. Im Jahr 2012 hat sie über ihre Außenstelle in Kuala Lumpur einen „Germany-Malaysia Security Dialogue“ gestartet, an dem teils hochrangige Militärs und Militärexperten beider Länder teilnehmen. Dabei stößt die deutsche Seite durchaus auf Offenheit für die EU. So sah beim zweiten „Security Dialogue“ im Oktober 2013 ein Fachmann aus Malaysia durchaus ein „Potenzial für stärkere EU-Aktivitäten in Asien“. Doch zeigen sich zugleich erhebliche Vorbehalte, insbesondere gegen die Vereinigten Staaten. So äußerte ein Experte aus Malaysia beim dritten „Security Dialogue“ im Oktober 2014, im Ukraine-Konflikt sei Russland massiv provoziert worden, während der Umsturz in Kiew im Februar 2014 illegal gewesen sei; die Abspaltung der Krim sei zwar gleichermaßen gesetzeswidrig gewesen, doch könne der Westen die Unterstützung für die Sezessionen Bosniens, des Kosovo oder des Südsudan ebenfalls nicht mit legalen Prinzipien begründen. Die EU müsse ihre „Doppelmoral“ beiseite legen und sich von den USA abgrenzen, forderte der Experte. Auch wenn das nicht zu erwarten steht: Manche Kräfte in Asien sind für Berlin und Brüssel tatsächlich eher erreichbar als für Washington – ein Vorteil für Deutschland im Kräftemessen innerhalb des transatlantischen Pakts.
Erstveröffentlichung auf German Foreign Policy