NIRGENDLAND: Im Kino
Ein Artikel des Basis-Film Portals
Eine Mutter, die sich nicht erinnern kann. Eine Tochter, die den Täter zur Verantwortung ziehen will. Ein Missbrauch über drei Generationen. Ein Tabuthema, das uns alle betrifft.
Tina (57) wurde schon früh eingetrichtert, dass nichts, was in der gutsituierten Familie passiert, nach außen getragen wird. So erleidet sie die Tortur, hält still, als ihr eigener Vater sie in ihrer Kindheit über Jahre hinweg sexuell missbraucht und verdrängt diesen Teil ihres Lebens, vergräbt das Trauma in ihrem Unterbewusstsein. Tina vergräbt es so tief, dass sie die verzweifelten Signale ihrer Tochter Sabine nicht zu interpretieren weiß, als diese unter dem gleichen Täter – Sabines Großvater, Tinas Vater – ebenfalls eine jahrelange Tortur durchleidet. Nach langen Jahren des Schweigens fassen Tina und Sabine den Mut und beschließen gemeinsam den Teufelskreis zu durchbrechen: Sie klagen den Täter an.
Doch der Täter wird freigesprochen.
Tina muss zusehen, wie in ihrer Tochter Sabine langsam der verbliebene Lebenswille dahinschwindet. Tina und Sabine nehmen uns mit in die Tiefe eines unerträglichen Traumas, wo nichts mehr so ist, wie es sein sollte. Gefangen in den Strukturen einer destruktiven Familie und vollkommen auf sich alleine gestellt, beginnen Mutter und Tochter einen Kampf um ihre Freiheit, einen Kampf um ihr Leben, einen Kampf, um das Eis zu brechen, unter dem eine Gesellschaft gleichgültig und stumm geworden ist.
Regisseurin Helen Simon über ihren Dokumentarfilm NIRGENDLAND und die Geschichte dahinter:
„Für einen Filmemacher ist es eine wahnsinnige Herausforderung, eine so grausame Geschichte zu erzählen, ein so unvorstellbares Verbrechen auf allen Ebenen darzustellen, das sich der Imagination entzieht. Ich wollte unbedingt dem Erlebten und den Menschen gerecht werden. Doch welche Bilder wählt man, wenn alles danach schreit keine Bilder zu zeigen, und wie erzählt man eine Geschichte, ohne den Zuschauer so sehr zu verschrecken, dass er das Kino verlässt?
Letztlich habe ich mich entschieden, mich selbst als Maßstab zu nehmen. Wenn ich mich ganz reinstürze, alle Widerstände fallen lasse, mich dem Schmerz und Grauen dieser Geschichte hingebe und dabei meinen Protagonisten folge, würde ich schon sehen, wie weit ich gehen kann und was am Ende für die Erzählung möglich ist.“
Die Jury des 29. Internationalen Dokumentarfilmfestivals 2014 in München in ihrer Begründung für die Verleihung des Viktor DOK.deutsch Preises an NIRGENDLAND:
„Helen Simon montiert das Zeugnis der Tochter mit den Prozessaussagen der Enkelin, die sich nach dem Freispruch des Täters das Leben genommen hat. Der Autorin gelingt es, die Mechanismen des Missbrauchs, der sich in die nächste Generation fortführt, zu zeigen. Ihr Film enthüllt die Tragödie einer schuldlos Schuldigen und deckt ein skandalöses Gerichtsurteil auf. Der Mut, dieses schwierige Thema filmisch aufzugreifen und seine betont sachliche Umsetzung verdient den Preis der Jury.“
NIRGENDLAND. Ein Film vom Basis-Film Verleih.