Gedankenarchitektur
In diesem Artikel geht es nicht um die negativen Methoden bzw Strategien der Manipulation von Menschen oder Bevölkerungen. Diese sind bereits in den von Sylvain Timsit beschriebenen „10 Strategien der Manipulation“ erläutert, oder den bekannt gewordenen Thesen der Manipulation, Propaganda bzw „Public Relations“ von Edward Bernays, in denen eine „relativ geringe Zahl an Personen.. die mentalen Prozesse und Verhaltensmuster der Massen verstehen“ und „die Fäden ziehen, welche das öffentliche Denken kontrollieren“.
Hier geht es um die Neutralisierung dieses mentalen und gesellschaftlichen Kontrollprozesses der „Machtarchitektur“, durch die Stärkung des positiven Individuums und seines / ihres eigenen Denkens, als eines von allen anderen miteinander interagierenden Individuen, welche so die Gesellschaft formen. Für die Stärkung dieser Individuen – und damit auch der Gesellschaft – brauchen diese eine innere Statik, eine Konstante, wie ebenso ein sich entfaltendes Bewusstsein für das Element der Veränderung als stetiger Teil des Lebens und unserer gemeinsamen Zivilisation auf dem Planeten.
1. Denken und Fühlen sind individuelle Prozesse. Wenn Du in Deinem Büro sitzt, wenn Du machst was Dir gesagt wird, wenn Du in einem Gefängnis oder Kerker sitzt und hilflos bist, wenn Du in einer Masse, Sekte, Partei Hoch, Heil, Für, Gegen, Wegen Dies, Das, Jenem schreist, bist und bleibst Du dennnoch ein Individuum, was seine / ihre eigenen Entscheidungen trifft. Selbst die Aufgabe der eigenen Individualität, des eigenen Charakters, der eigenen Seele und des eigenen Willens ist ein Akt von diesem. Kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun, kein Kollektiv, kein Sinn, Zweck, Mittel oder Ziel kann Dich von Dir selbst und der eigenen Verantwortung für das eigene Handeln befreien.
2. So viele Jahre Jahre Du zurückdenkst, so viele denke auch voraus. Am 8. Mai 2015 feierten wir den 70. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg. Doch wer denkt daran, wovon wir in 70 Jahren befreit werden müssen? Es werden nicht wir sein. Doch wurden wir vor 70 Jahren befreit? Wie viele Menschen leben noch, die es damals erlebt haben? Wie wird die Welt in 70 Jahren aussehen, im Jahre 2085? Wie werden sich bis dahin die im Schatten des 2001 begonnenen weltweiten „endlosen Krieges“ ausbreitenden Technologien der Massenbeobachtung bzw „Überwachung“, der Informationstechnologie, des Datenraubes bzw deren „Sammlung“, der Nanotechnologie, Biometrie, Biomechanik, der digitalen und genetischen Erfassung, Identifikation, Manipulation und letztlich Kontrolle entwickelt haben, mit deren Implementierung nicht nur in Asien und Afrika bereits begonnen worden ist? Wann wird die „Künstliche Intelligenz“ entwickelt sein? In 2030? In 2035? Was ist das Resultat, wenn man all diese Technologien und ihr militärisches bzw repressives Potential kombiniert und konstatiert, dass über ihre Anwender und Entwickler genauso jedwede Kontrolle verloren wurde wie über politische, juristische und politischen Prozesse, die als solche mehr und mehr aufhören zu existieren, genauso wie letztlich der Mensch selbst?
Wie hätte sich das von Tim Berners-Lee an der „Europäischen Organisation für Kernforschung“ C.E.R.N. entwickelte und der Welt am am 30. April 1993 geschenkte World Wide Web im Frieden entwickelt? Wie wird es sich im Frieden entwickeln? Wer sind die Verlierer des Friedens? Und wie wird sich andererseits die Gesellschaft in der Berliner Republik und weltweit in allen anderen Staaten der Welt im Frieden entwickeln, bis zum Jahre 2085? Und was wird dann der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ für eine Bedeutung haben, wenn er weiterhin nicht nur Utopie, sondern den besten und höchsten Rechtsstandard der Welt, das wichtigste – weil diese sichernde – immaterielle Gut der Menschheit, die oberste Instanz einer freien und souveränen Republik inmitten des Kontinents Europa repräsentiert, deren Verfassung, deren Grundgesetz?
Jeder Gedanke den Du hast und jede Tat die Du tust wird das entscheiden. Du kannst die Dinge zum Besseren verändern. Du schaffst es. Weil Du ein Mensch bist.
3. Unersetzliches kann durch Unersetzliches nicht ersetzbar gemacht werden. Es gibt einen Grund dafür, warum die Wahl des Parlaments allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sein muß. Nimmt man nur eines davon heraus, sind Wahlen sinnlos. Das ist auch der Grund dafür, warum Abstimmungen im Bundestag fast nie geheim sind. Damit sie sinnlos sind, im tatsächlich demokratischen Sinne. Kein Freund kann durch den anderen ersetzt werden. Keine Freundin kann durch die andere ersetzt werden. Vater ist nicht Mutter. Mutter ist nicht Vater. Das ist keine Frage der gesellschaftlichen Definition oder eines Erziehungsmodells. Es ist das Leben. Das Leben kann nicht ersetzt werden. Freiheit ist nicht Sicherheit, Sicherheit ist nicht Freiheit – man kann das Eine nicht durch das Andere ersetzen. Auch Simulation ist kein Ersatz, nur Simulation.
4. Dein wertvollstes Eigentum ist immateriell und gehört auch allen anderen. Das wertvollste Eigentum ist das Recht auf Eigentum. Ohne dieses immaterielle Eigentum – das Recht auf Eigentum – steht jedes materielle Eigentum zur Disposition, bis hin zum eigenen Leben. Die Sicherheit vor dem Stärkeren – und das ist in stabilen Staaten immer der Staat selbst – garantiert nur das Recht. Zwingt das Recht den Staat zu nichts, ist es nichts. Nur der Zwang über den Staat ist Recht. Und kein Staat garantiert den Zwang über sich selbst. Nur die Verfassung garantiert den durch den Einzelnen, den Schwachen, ausgeübten Zwang über den Staat, gegen jede Mehrheit, gegen jeden und alle anderen. Wenn eine Person – so unbeliebt, verabscheut und verhasst sie auch immer sein mag – das Recht auf einen Anwalt verliert, verlieren es alle. Wenn eine Person das Recht darauf verliert nicht gefoltert zu werden, verlieren es auch alle anderen. Wenn eine Person das Recht auf ein Gerichtsverfahren verliert, verlieren es auch alle anderen. Verliert eine Gruppe von Menschen – so unbeliebt, verabscheut und verhasst sie auch immer sein mag – das Recht darauf sich „ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“, verlieren alle dieses Recht.
Wer das Recht von anderen aufgibt, gibt das eigene auf. Und damit sich selbst, die eigene Zukunft und die aller anderen, die einmal hier sein werden.
5. Republik = Verfassung X Öffentliches Interesse. Multipliziert man etwas mit Null, ist das Ergebnis Null. Gibt es kein Öffentliches Interesse daran, dass das Grundgesetz durch den Staat eingehalten wird, ist die Republik tot. Und ohne das heutige Grundgesetz kann es kein Öffentliches Interesse mehr daran geben, weil dies unterdrückt und verboten wäre. Dass der heutige Staat, der sich Bundesrepublik Deutschland nennt, ihre Verfassung gefährdet, wie es der Republikanische Anwaltsverein bei der Vorlage eines kostenpflichtigen (?!) Grundrechtereports an auserwählte Journalisten formulierte (um dann wieder nach Hause zu gehen), liegt in der Verantwortung Aller in der Republik, vorneweg all diejenigen, die über entsprechende Möglichkeiten verfügen Öffentliches Interesse zu wecken. Sie haben, in ihrer berühmten „überwältigenden Mehrheit“, jämmerlich versagt.
6. Die größte Macht der Welt ist die Macht der Gewohnheit. Daher wird durch die Autoritäten – die die Bevölkerungen, ihre Psyche, sowie die einzelner „Meinungsführer“ und deren Interaktion mit der zum allergrößten Teil passiven Bevölkerung, mit den Mitteln der durch Massenüberwachung möglich gewordenen Analyse genau studieren – alles daran gesetzt Gewohnheiten zu schaffen und zu kontrollieren und bei Gefahr für die Machtarchitektur auch zu verändern, was selbst für die herrschenden Kreise bisweilen mühsam und nicht immer erfolgreich ist. Veränderst Du die Gewohnheit Deiner Mitmenschen, bringst Du sie zum Nachdenken, bringst Du sie zum Lesen, zum Studieren (was nichts Akademisches, Elitäres und Fachidiotisches, sondern Kluges bedeutet), bringst Du sie dazu, ihr Verhalten und ihre Folgsamkeit gegenüber den Autoritäten und Populären selbst zu hinterfragen, veränderst Du bereits effektiv die Gesellschaft.
Zum Abschluss ein paar Gedanken, die nicht von mir sind und die ich einerseits für wertvoll, interessant und inspirierend, oder andererseits für „relevant“ erachte.
„Es gibt kein Verbrechen, keinen Kniff, keinen Trick, keinen Schwindel, kein Laster, das nicht von der Geheimhaltung lebt. Bringt diese Heimlichkeiten ans Tageslicht, beschwärzt sie, macht sie vor aller Augen lächerlich und früher oder später wird die öffentliche Meinung sie hinauswerfen. Bekanntmachung allein genügt vielleicht nicht; aber es ist das einzige Mittel ohne das alle anderen versagen.“
Joseph Pulitzer
„Leute, die nicht schreiben können, machen Interviews mit Leuten, die nicht denken können, und fabrizieren daraus Artikel für Leute, die nicht lesen können.“
Frank Zappa über Journalisten
„Der Ungebildete sieht überall nur ein einzelnes, der Halbgebildete die Regel, der Gebildete die Ausnahme.“
Franz Grillparzer
„So wie das Eisen außer Gebrauch rostet und das stillstehende Wasser verdirbt oder bei Kälte gefriert, so verkommt der Geist ohne Übung.“
Leonardo da Vinci
„Auch Quellen und Brunnen versiegen, wenn man zu oft und zu viel aus ihnen schöpft.“
Demosthenes
„Man kann ebensogut zu tief als zu oberflächlich sein und vergessen, daß die Wahrheit nicht immer in einem tiefen Brunnen, sondern oft dicht vor unseren Augen liegt, und daß man durch ein allzu eifriges sich Verbohren in einen Gegenstand seinen Gedanken die Kraft nimmt.“
Edgar Allen Poe
„Wir sind solcher Zeug, woraus Träume gemacht werden, und unser kleines Leben endet sich in einen Schlaf.“
Aus „Der Sturm“ von William Shakespeare
„Man soll nicht handeln und reden wie Schlafende.“
Heraklit
„Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.“
Carl Schurz
„Der Kasper und das Krokodil sind bloß die linke und die rechte Hand des Puppenspielers…“
Dieter Hilger
„Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.“
Perikles
„Wenn das Gehirn so einfach wäre, daß wir es verstehen könnten,
wären wir zu dumm, um es zu begreifen.“
Jostein Gaarder
„In den Reihen der Partei, und vor allem der Inneren Partei, ist die
echte Kriegsbegeisterung zu finden. An die Eroberung der Welt
glauben am festesten diejenigen, die wissen, daß sie undurchführbar ist. Diese merkwürdige Verknüpfung von Gegensätzen – Wissen mit Unwissenheit, Zynismus mit Fanatismus – ist eines der Hauptmerkmale der ozeanischen Gesellschaft. Die offizielle Ideologie wimmelt von Widersprüchen, auch dort, wo keine praktische Notwendigkeit für sie besteht. So verwirft und verleugnet die Partei jeden Grundsatz, für den die sozialistische Bewegung ursprünglich eintrat, und tut das im Namen des Sozialismus. Sie predigt eine Verachtung der Arbeiterklasse, für die es in den vergangenen Jahrhunderten kein Beispiel gibt, und sie bekleidet ihre Mitglieder mit einer Uniform, die ursprünglich den Handarbeitern vorbehalten war und aus diesem Grunde eingeführt wurde. Sie unterminiert systematisch die Solidarität der Familie und benennt ihren Führer mit einem Namen, der ein unmittelbarer Appell an das Familiengefühl ist.
aus „1984“ von George Orwell. Veröffentlicht im Jahre 1949.
„Ein Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln:
Erstens: Durch Nachdenken – das ist der edelste.
Zweitens: Durch Nachahmen – das ist der leichteste.
Drittens: Durch Erfahrung – das ist der bitterste.“
Konfuzius
„Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen.“
Kurt Tucholsky
„Der Vorteil der Klugheit besteht darin, daß man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.“
Kurt Tucholsky
(…)
Artikel zum Thema:
28.06.2013 DIE ELEMENTE DES MENSCHEN (IV): Die Auflösung des Dritten Paradoxon Hierarchie und Stände
Fortsetzung der Schriftreihe aus 2010 über den gesellschaftlichen und historischen Zusammenhang von Wissen und Macht, sowie entsprechend den Einfluss der Informationswelt auf die Gesellschaftsstruktur
18.12.2012 BBC-Filmreihe “The Trap” (III): Die Freiheit von Berlin oder Der „Kampf der Zivilisationen“
„Diese Filmreihe erzählte die Geschichte vom Aufstieg einer beschränkten und eigentümlichen Art und Weise von Freiheit. Die letzten beiden Sendungen haben gezeigt, wie Politiker sowohl von der Rechten als auch der Linken dazu kamen an ein simplifizierendes Modell von Menschen zu glauben, als selbstsüchtige, fast roboterartige Kreaturen.“