Stellungnahme der Bundesregierung bezüglich der Telekommunikation von 80 Millionen Menschen und Maßnahmen der „Sicherheitsbehörden“ zu deren Offenlegung
Die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (Fraktion „Die Linke“) ist für die Öffentlichkeit von Interesse, sowohl bezüglich ihres Inhalts, wie auch ihrer Auslegbarkeit und möglichen Interpretation.
Frage Nr. 5 Andrej Hunko / „Die Linke“:
„Inwiefern ist auch die Bundesregierung wie der Europol-Chef der Auffassung, Verschlüsselung sei „eines der Hauptinstrumente von Terroristen und Kriminellen“?“
Antwort Bundesregierung, übersendet durch Günter Krings, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Thomas de Maiziere::
„Zu 5.
Die Nutzung von Verschlüsselungstechniken nimmt allgemein zu. In vielen Phänomen- und Kriminalitätsbereichen, bspw. im Islamistischen Terrorismus, ist das Streben nach einer abgeschirmten, klandestinen Übermittlung von Informationen prägendes Wesensmerkmal im Kommunikationsverhalten. Eine besondere Bedeutung messen die handelnden Akteure hierbei der Verschlüsselung der Kommunikationsinhalte sowie der Verschleierung ihrer Identität zu. Ziel ist es jeweils, die staatlichen Aufklärungs- und Bekämpfungsmaßnahmen ins Leere laufen zu lassen. Dies stellt für Sicherheitsbehörden eine Herausforderung dar. Ermittlungsverfahren werden dadurch erschwert, wenn nicht sogar verhindert.“
Frage Nr. 6 Andrej Hunko / „Die Linke“:
„Inwiefern und auf welcher Rechtsgrundlage ist es Bundesbehörden aus Sicht der Bundesregierung bereits jetzt gestattet, verschlüsselte Kommunikation zu umgehen, auszuhebeln oder unbrauchbar zu machen?“
Antwort Bundesregierung (Anm.: Links wurden hinzugefügt):
„Grundsätzlich ist es in Deutschland jeder Person erlaubnisfrei gestattet, in privaten Angelegenheiten verschlüsselt zu kommunizieren. Es besteht keine Rechtsgrundlage, einzelnen Personen die Nutzung verschlüsselter Kommunikationsmethoden – aus welchem Grund auch immer – zu untersagen. Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Internet zu verbessern. Dies umfasst die Datensicherheit und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Unverletzlichkeit von IT-Systemen. Durch die Empfehlungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wird diesem Ziel Rechnung getragen.
Dem staatlichen Zugriff auf Kommunikationsinhalte sind durch Artikel 10 des Grundgesetzes (GG) und die einschlägigen Fachgesetze enge Grenzen gesetzt. Für den Bereich der Nachrichtendienste des Bundes sind die Befugnisse in den Fachgesetzen Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG), Bundesnachrichtendienstgesetz (BNDG) und des Gesetzes über den militärischen Abschirmdienst (MADG) sowie dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10)
geregelt. Die Befugnisse der Ermittlungsbehörden des Bundes sind im Bundeskriminalamtgesetz (BKAG), Bundespolizeigesetz (BPolG), des Gesetzes über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter (ZFdG) sowie der Strafprozessordnung (StPO) abschließend geregelt. Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen für den Bereich der Nachrichtendienste des Bundes zudem der Kontrolle durch die G-10-Kommission des Deutschen Bundestages.Soweit auf der Grundlage dieser Gesetze eine Kenntnisnahme der berechtigten Stellen von Kommunikationsinhalten zulässig ist, wird verschlüsselte Kommunikation nicht anders behandelt, als unverschlüsselte. Den berechtigten Stellen ist es daher gestattet, rechtmäßig abgefangene, aber nutzerseitig verschlüsselte Kommunikation im Rahmen des technisch Möglichen zu entschlüsseln.
Soweit TK-Anbieter Kommunikation beim Transport über ihre Netze selbst netzseitig verschlüsseln, ist diese Verschlüsselung vor der Ausleitung an die berechtigte Stelle wieder durch den TK-Anbieter aufzuheben (§ 8 Absatz 3 der Verordnung über die technische und organisatorische Umsetzung von Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation – TKÜV).
Wenn Kommunikation nutzerseitig verschlüsselt wird, besteht allerdings keine Rechtsgrundlage, den Nutzer zur Herausgabe des Schlüssels an die berechtigte Stelle zu zwingen. Soweit allerdings – etwa im Rahmen von rechtmäßigen Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchung, Beschlagnahme oder Herausgabeverlangen (§ 95 StPO) – Ermittlungsbehörden Zugriff auf den Schlüssel erhalten, darf dieser auch zur Entschlüsselung der rechtmäßig abgefangenen Kommunikation eingesetzt werden.“
Kommentar und Einschätzung
Die Regierung konstatiert also, dass es in der Republik grundsätzlich jeder Person erlaubnisfrei gestattet sei, „in privaten Angelegenheiten“ verschlüsselt zu kommunizieren.
Was sind „private Angelegenheiten“? Presse? Eine Arztpraxis? Ein Betrieb? Diese Webseite?
Dann sagt die Regierung, es bestehe keine Rechtsgrundlage „einzelnen Personen“ die Nutzung verschlüsselter Kommunikationsmethoden – aus welchem Grund auch immer – zu untersagen.
Und was ist, wenn diese“ einzelnen Personen“ nicht mit selbst „in privaten Angelegenheiten“ kommunizieren, sondern z.B. mit einer Redaktion und anschließend mit Tausenden von Lesern?
Was ist, wenn nicht eine „einzelne Person“, sondern drei, vier Personen untereinander kommunizieren? Oder drei-, vierhundert?
Das soll heutzutage im Internet ja sogar mit Ausländern möglich sein. Und im Internet, sagt sich (auch) der Bundesnachrichtendienst, sind wir alle Ausländer.
Im Allgemeinen macht hier die Regierung deutlich, welch Unbill sie und ihre ehrenwerten Diener dieses immer tieferen Staates bei ihrem Schutzbedürfnis über eine undurchschaubare Bevölkerung und ihre Kommunikation durch die leidige Verfassungslage immer noch erdulden muss. Was die Regierung nicht weiß, macht sie heiß. Und um dieses – rein menschlich-sexuell natürlich nachvollziehbare – Zugriffsbedürfnis auf so viele potentiellen Nacktdarsteller irgendwie auf die Ebene von hochehrenwerte Anliegen nobler AutoritätInnen zu hieven, erläutert uns die Regierung, mit ihre vielen internationalen Vertragspartnern (die auch schon ganz aufgeregt sind und ungeduldig mit den Fingern zwirbeln), ihre Gedankengänge ungefähr so:
„Wer was verbirgt, hat was zu verbergen. Und das könnte gefährlich sein. Also her damit, wir müssen mal gucken! HER DAMIT HAB ICH GESAGT!!“
Wir merken uns das mal, wenn die Regierung was zu verbergen hat. Und deren liebe Diener.
Im Übrigen wäre darüber zu diskutieren, warum es immer noch legal ist angezogen auf die Straße zu gehen. Eigentlich ein unhaltbarer Zustand, mal so rein vom Regierungsstandpunkt aus betrachtet. Man könnte ja was in der Tasche haben. Naja – so oder so müsste man da ja reingreifen. Muss ja. Muss, muss, muss.
Wer immer noch nicht begriffen hat, in was für einem Lager er mit diesem (zensiert)Staat bereits sitzt, wie dessen Diener denken und wie die wirklich drauf sind, dem wünsche ich viel Spaß bei den heutigen Aufführungen im Staatstheater Bundestag, dem B.N.D.-„Untersuchungsausschuss“ mit den Zeugen Klaus-Dieter Fritsche und Thomas de Maiziere, sowie dem Edathy-„Untersuchungsausschuss“ mit den Zeugen Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel, Thomas Oppermann und Hans-Peter Friedrich.
Wer privat und sicher kommunizieren will, muss sich darum selbst kümmern. Auf den Staat sollte er sich dabei als Allerletztes verlassen, am Besten überhaupt nicht.