Geld an Paramilitärs: US-Gericht gibt neue Akten über Chiquita frei
Herausgabe von mehr als 9.000 Dokumenten über Konzernpolitik in Kolumbien beantragt. Widerspruch des Unternehmens abgelehnt. Kooperation seit 2007 bewiesen
In den USA könnten neue Details über die Zusammenarbeit zwischen dem US-Agrargroßhändler Chiquita Brands International und Paramilitärs in Kolumbien bekannt werden, nachdem ein Gericht in Washington den Weg für die Veröffentlichung von über 9.000 Firmendokumenten geebnet hat. Das Bundesberufungsgericht in der US-Hauptstadt wies zugleich eine Beschwerde des Konzerns gegen die Publikation der Unterlagen nach dem US-Informationsfreiheitsgesetz ab. Chiquita hatte argumentiert, dass mit der Freigabe der Akten ein in den USA laufender Prozess von Opfern der kolumbianischen Paramilitärs negativ beeinflusst werden könnte. Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht.
Lateinamerika-Experten der Forschungsgruppe National Security Archive an der George-Washington-Universität, die die Akten beantragt hatten, begrüßten das Urteil.
Die Forscher des National Security Archives hatten die Dokumente bei der US-Börsenaufsicht SEC beantragt. Chiquita hatte die Akten an die SEC im Rahmen eines inzwischen beendeten Prozesses wegen der Zusammenarbeit vor allem mit rechtsgerichteten Paramilitärs in Kolumbien gesandt. Nach vier Jahren wurde der Prozess 2007 mit einem Vergleich und einer Strafzahlung von 25 Millionen US-Dollar gegen ein Schuldeingeständnis des Konzerns beendet. Zugleich wurde festgestellt, dass 1989 bis 1997 Gelder an die linksgerichteten Guerillabewegungen Farc und ELN geflossen waren, offenbar jedoch in einem weit geringeren Ausmaß.
Vor vier Jahren hatte die Forschungsgruppe über das US-Freiheitsgesetz schon einmal rund 5.500 Dokumente zum Chiquita-Prozess aus dem Beständen des Justizministeriums in Washington erhalten. Bei der Auswertung dieses ersten Konvoluts kam ans Tageslicht, dass Chiquita über Jahren hinweg den Schutz der Paramilitärs genossen hatte. Dies widersprach den Aussagen der US-Staatsanwaltschaft, die sich mit einem Vergleich einverstanden erklärt hatte, weil das Unternehmen angeblich keine Gegenleistungen von den Paramilitärs erhalten hatte.
Die neuen Akten, die nun erst ausgewertet werden müssen, dürften weitere brisante Details über die Zusammenarbeit zwischen transnationalen Konzernen und Paramilitärs liefern. In Kolumbien stehen vor allem Palmölproduzenten und andere agrarwirtschaftliche Großproduzenten im Verdacht, mit Paramilitärs zusammenzuarbeiten, um Arbeiter zu unterdrücken und die lokale Bevölkerung zu vertreiben.
Die AUC wurde theoretisch zwar 2006 aufgelöst. Menschenrechtsorganisationen verweisen jedoch darauf, dass sich die Miliz unter mehreren Namen neu formiert habe und weiterhin Gewaltverbrechen begehe. Nutznießer davon könnten auch deutsche Unternehmen etwa im Energiebereich sein.
Vertreter des National Security Archives zeigten sich verständlicherweise erfreut über das Washingtoner Urteil und das zu erwartende Aktenkonvolut. „Vor acht Jahren war Chiquita das erste US-Unternehmen, das wegen Transaktionen mit einer internationalen Terrororganisation verurteilt wurde“, sagte Michael Evans von der Forschungsgruppe: „Nun werden die Opfer der AUC und die Öffentlichkeit Zugang zu dem möglicherweise wichtigsten Aktenbestand über Verbindungen zwischen Unternehmen und Terroristen erhalten.“
Chiquita Brands International wurde 1899 unter dem Namen United Fruit Company gegründet und firmierte unter diesem Namen bis 1990. Die United Fruit Company war in Lateinamerika berüchtigt für die Unterdrückung von Feldarbeitern. Unter anderem wird ihr die Verantwortung für ein Massaker an streikenden Bananenpflückern 1928 an der kolumbianischen Karibikküste vorgeworfen, bei dem zahlreiche Arbeiter erschossen wurden. Das „Bananenmassaker“ fand auch Eingang in die lateinamerikanische Literatur und wurde unter anderem von Miguel Ángel Asturias, Gabriel García Márquez und Pablo Neruda aufgegriffen. Unter Historikern gilt zudem die Verstrickung der United Fruit Company in den Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten in Guatemala, Jacobo Árbenz, im Jahr 1954 als bewiesen.
Erstveröffentlichung des Artikels auf Portal Amerika21.de am 25.Juli 2015