Thema Asyl und Propaganda: Die angebliche Aussage vom Heidenauer Bürgermeister über „linksradikale Demo-Touristen“
Das „Anonymous“ Konto auf Facebook verbreitet eine von über 300.000 „Viewern“ und Tausenden Kommentatoren unbemerkte Falschmeldung über angebliche Aussagen des Bürgermeisters von Heidenau über „extern angereiste, linksradikale Demo-Touristen“.
Ein desaströses Zeugnis des mentalen Zustands unserer lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger, leider unabhängig von ihrer politischen Couleur.
Wir dokumentieren.
Facebook Post von „Anonymous“, 28. August 2015, zum Video eines Interviews von „N24“ mit dem Bürgermeister von Heidenau, Jürgen Opitz („Christlich-Demokratische Union“):
„Es ist ein ungeheuerlicher Verdacht der im Raum steht. Wurden linksradikale Krawallmacher im staatlichen Auftrag gezielt nach Heidenau gekarrt um dort einen Gewaltexzess vom Zaun zu brechen, den man im Nachgang dann politisch instrumentalisiert und den Rechten in die Schuhe schiebt? Darauf lässt zumindest ein Interview schließen, indem Jürgen Opitz (CDU), der Bürgermeister von Heidenau, das genaue Gegenteil von dem sagt, was man momentan den Berichten deutscher Massenmedien entnehmen kann. Opitz macht unmissverständlich klar von welcher Seite die Gewalt ausging. Demnach sind nicht die Rechten, sondern „extern angereiste, linksradikale Demo-Touristen“, für die Eskalation der Gewalt auf Heidenaus Straßen verantwortlich. Spätestens seit den Montagsdemonstrationen im vergangenen Jahr wissen wir, dass von staatlicher Seite gezielt radikale linke Kräfte auf regierungskritische Demonstrationen geschickt werden, um diese größtmöglich zu stören oder gänzlich in Gewalt aufgehen zu lassen.“
Zitat Bürgermeister Jürgen Opitz, im von „Anonymous“ selbst verlinkten Interview:
„N24: Drei Krawallnächte gab es hier in Heidenau. Wie wollen Sie weitere Gewalt verhindern?
Jürgen Opitz: Ich werde das als Bürgermeister sicherlich nicht verhindern können. Insbesondere deshalb nicht, weil in der Krawallnacht 2 und 3 das überwiegend auswärtige Krawalltouristen gewesen sind, die aus der ganzen Umgebung gekommen sind. Es macht, äh, es ist daran deutlich geworden, dass sich die Gewalt schon in der Nacht 2 und 3 weder gegen die Asylbewerber, noch gegen die Einrichtung gerichtet haben, sondern ausschließlich gegen die Polizei. Und gerade in der vergangenen Nacht war es so, dass eben die Autonomen sich nur mit der Polizei beschäftigt haben und versucht haben noch ein einige Rechte aufzutreiben, mit denen sie sich gewalttätig auseinandersetzen und die Polizei ist dann dazwischen gegangen. Also es ging schon in der Nacht 2 und 3 kaum noch um dieses Heim, sondern nur in der ersten Nacht, und das ist schon schlimm genug, hat die örtliche NPD mit ihrem Aufruf zu einer Demonstration, die dann, zwar so nicht angemeldet, aber tatsächlich dann hier vor dem ehemaligen Praktiker-Baumarkt geendet hat, den Grundstein gelegt, dass diese Gewaltexzesse am Freitag Abend ausbrechen konnten.“
D.h.: das angebliche Zitat des Bürgermeisters von Heidenau durch „Anonymous“ ist falsch. Man kann sagen, es ist bewusst gefälscht worden und das bekanntermaßen dreist und plump, Marke „die Doofen sterben nie aus“.
Um mal zu verdeutlichen, was in der „Krawallnacht 2“, Samstag den 22. August 2015, in Heidenau los war, ein Mitschnitt von Beteiligten. Man achte auf die „linksradikalen Demo-Touristen“. Mein Lieblingsspruch: „Bleibt doch mal stehn jetze“ (6.18 min):
Hintergrund: Natürlich weiß die N.P.D., dass ihr diese Ausschreitungen schaden und dass sie die gesellschaftspolitische Diskussion zum Thema längst verloren hat. Insofern versucht sie sich jetzt mit plumpen Tricks aus der Sache rauszuwinden und inszeniert Rückzucksgefechte.
Auch für den Tiefen Staat und seine faschistischen rechtsextremen Hilfstruppen ist die Operation Asyl, vor der wir just nach „Krawallnacht 2“ in Heidenau warnten, bereits nach hinten losgegangen. Wem es vielleicht aufgefallen ist (Bitte melden. Keiner? Is gut, setzen.): die Kanzlerin hat nach dem C.D.U.-internen Treffen vom Sonntag nun bei ihrer gestrigen Bundespressekonferenz am Montag die von gewissen Kräften anvisierte Verfassungsänderung aufgegeben oder ihr eine Absage erteilt. Stattdessen hat Angela Merkel das Verfassungsrecht auf Asyl für politisch Verfolgte ausdrücklich anerkannt, die Humanität des Grundgesetzes gelobt und die längst überfälligen und offensichtlich vom Innenministerium (Minister: Thomas De Maiziere) und Finanzministerium (Minister: Wolfgang Schäuble) sabotierten beschleunigten Asylverfahren und direkten Finanzhilfen für die überlasteten Kommunen zugesagt.
Übrigens: Thomas Vitzthum reagierte in der „Welt“ geradezu giftig, unterstellte Merkel „Nationalstolz“ und ausgerechnet „eine Art Notstandsgesetzgebung“, eben weil die Kanzlerin die Finger von der Verfassung lässt, sondern stattdessen endlich mal den gewaltigen Staatsapparat – der über gewaltige Ressourcen verfügt, wenn er denn will – bemuttert und die ausführende Gesetzgebung der Verfassung anpassen will, statt wie in den letzten gefühlt fuffzich Jahren umgekehrt.
D.h., dieser „Welt“-Ruf von Thomas Vitzthum ist erstens ebenfalls bekannte Methode von zynischem Auf-den-Kopf-Stellen und zweitens ein gutes Zeichen. Im Gegensatz zur Kanzlerin hatte nämlich seine Exzellenz von Landesverräter-Jäger Thomas de Maiziere bei seiner Pressekonferenz am 30. August noch recht deutlich noch eine erneute Verfassungsänderung von Artikel 16 ins Spiel gebracht. Zitat de Maiziere:
„Das Grundrecht auf Asyl hat keine Obergrenze. Das sieht das Grundgesetz nicht vor, dem sind wir auch humanitär verpflichtet. Gleichzeitig bin ich mit ihnen der Meinung, dass eine solche Zahl über Jahre für Deutschland zu viel ist.“
Mit „eine solche Zahl“ sind 800.000 Menschen gemeint, die angeblich dieses Jahr insgesamt nach Deutschland flüchten wollen bzw hier einwandern. Überall wird diese Zahl derzeit genannt.
Das Einwandern ist aber nicht so leicht wie der Staat immer tut und die Zahl der tatsächlich politisch Verfolgten – und damit derjenigen, die das Verfassungsrecht auf Asyl in Anspruch nehmen können – dürfte sehr, sehr viel geringer sein. Die Zahl der Asylberechtigten in Deutschland insgesamt, also aller, die über die Jahrzehnte dieses erfolgreich in Anspruch nehmen konnten, lag Ende 2013 bei gerade mal 40.000 Menschen. Dazu kamen rund 83.000 Menschen, die Flüchtlingsschutz genießen, also nicht ausgeliefert werden in ihr wertes Heimatland, weil sie dort Gefahr laufen als Youtube Video zu enden.
Ergänzung 14.45 Uhr
Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt: Neben Asylberechtigten und Berechtigten von Flüchtlingsschutz lebten in Deutschland Ende 2013 auch 94.508 Menschen mit Duldung (Abschiebeverbot wegen Gefahr für Freiheit oder Leben) und 110.435 Menschen mit Aufenthaltsgestattung (für Antragsteller im laufenden Verfahren). Das genaue ausführende gesetzliche Verfahren zur Umsetzung des Verfassungsrechts auf Asyl ist hier erklärt.
Also: Keine Panik. Denkt an die ehemaligen 12 Millionen vom „Pack aus den Osten“, denkt an die vielen nervigen Kinder die sie hier dahergeboren haben (*winke, winke*) und seht Euch gefälligst erstmal alles an, bevor ihr Euch wie die Besengten auf irgendwelchen „sozialen Netzwerken“ austobt.