Die Bundeswehr übernimmt eine Führungsrolle bei dem für Ende September anberaumten NATO-Großmanöver „Trident Juncture“. Die Leitung der Kriegsübung, an der sich mehr als 36.000 Soldaten beteiligen werden, liegt bei dem deutschen NATO-General Hans-Lothar Domröse; für die Koordination ist das im baden-württembergischen Ulm stationierte „Multinationale Kommando Operative Führung“ der deutschen Streitkräfte maßgeblich verantwortlich. Geprobt wird eine Militärintervention in einem fiktiven Staat am Horn von Afrika unter Einsatz der vorrangig aus Bundeswehrangehörigen bestehenden „Speerspitze“ der NATO-Eingreiftruppe. Dem Manöverszenario zufolge sehen sich die westlichen Einheiten dabei sowohl mit regulären Truppen als auch mit einer Guerillaarmee konfrontiert und haben außerdem mit „mangelnder Ernährungssicherheit“, „Massenvertreibungen“, „Cyberattacken“, „chemischer Kriegsführung“ und „Informationskrieg“ zu kämpfen.
Wie der Befehlshaber des „Multinationalen Kommandos Operative Führung“, Generalleutnant Richard Roßmanith, erklärt, geht von „Trident Juncture“ eine nicht zuletzt an Russland gerichtete „Botschaft“ aus: „Jeder sollte sich gut überlegen, wie er mit uns umgeht“ – schließlich sei die NATO das „stärkste Militärbündnis der Welt“ und verfüge über einen Aktionsradius von „360 Grad“.
Aushängeschild
Wie die Bundeswehr mitteilt, wird sie sich in der Zeit vom 28. September bis zum 6. November mit rund 3.000 Soldaten, Kriegsschiffen, Kampfjets und amphibischen Panzerfahrzeugen an der NATO-Übung „Trident Juncture“ (TRJE 15) beteiligen. Bei TRJE 15 handelt es sich um das größte Manöver des westlichen Militärbündnisses seit mehr als einem Jahrzehnt; insgesamt trainieren dabei 36.000 Armeeangehörige aus NATO-Mitgliedsstaaten und formal neutralen „Partnernationen“ wie Österreich und Schweden den Einmarsch in ein fiktives Land am Horn von Afrika. Die Übung steht unter Leitung des deutschen NATO-Generals Hans-Lothar Domröse, Befehlshaber des „Allied Joint Force Command“ im niederländischen Brunssum, und soll in Portugal, Spanien und Italien sowie in den angrenzenden Seegebieten des Mittelmeers und des Atlantiks stattfinden. Erklärtes Ziel ist es, die NATO-Eingreiftruppe (NATO Response Force/NRF) und deren vorrangig aus Bundeswehrangehörigen bestehende „Speerspitze“ (Very High Readiness Joint Task Force/VJTF) zum weltweiten „Aushängeschild“ des Bündnisses zu machen – nicht zuletzt durch die „bewusst breite Darstellung“ des Manövers „in der Öffentlichkeit“.[1]
Drohkulisse
Dass TRJE 15 nicht nur der Vorbereitung der NATO-Truppen auf künftige Interventionskriege, sondern dem Aufbau einer Drohkulisse dient, bestätigt auch Generalleutnant Richard Roßmanith. Der Militär leitet das im baden-württembergischen Ulm stationierte „Multinationale Kommando Operative Führung“ der deutschen Streitkräfte, das als Befehlsorgan für Kriegseinsätze von NATO und EU konzipiert wurde (german-foreign-policy.com berichtete [2]) und die Einrichtung des Hauptquartiers für TRJE 15 im spanischen San Gregorio nahe Saragossa koordiniert. Wie Roßmanith erklärt, gehe es bei TRJE 15 darum, „die ganze Bandbreite der Handlungsmöglichkeiten und Fähigkeiten zu demonstrieren, welche die NATO in der Lage ist, zur Wirkung zu bringen“. Hierzu zählen dem General zufolge nicht zuletzt „hoch intensive Gefechtssituationen“, die „in vielfältigen Zusammenhängen denkbar“ seien, weshalb „schon jetzt die Vorbereitungen auf Trident Juncture“ von Moskau „intensiv beobachtet“ würden. Laut Roßmanith erschöpfen sich die militärischen Ambitionen des Westens jedoch nicht in der Einschüchterung Russlands: „Die NATO blickt mit diesem Manöver natürlich auch nach Süden, aufs Mittelmeer, nach Afrika und in den Nahen Osten. Die Allianz ist nach wie vor auf 360 Grad orientiert.“ Die „wichtigste Botschaft“ von TRJE 15 laute daher: „Jeder sollte sich gut überlegen, wie er mit uns umgeht“ – schließlich sei die NATO das „stärkste Militärbündnis der Welt“.[3]
Hybrides Szenario
Dem von Generalleutnant Roßmanith formulierten weltweiten Herrschaftsanspruch der NATO trägt auch das Übungsszenario von TRJE 15 Rechnung. Dieses firmiert unter der Bezeichnung „Sorotan“ und beinhaltet eine westliche Militärintervention in der fiktiven Region „Cerasia“ am Horn von Afrika. Laut dem vom „Joint Warfare Centre“ der NATO im norwegischen Stavanger entwickelten Drehbuch spielt sich hier eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den Staaten „Kamon“ und „Lakuta“ ab: „Der Kampf um Trinkwasser facht den Konflikt in der Region Cerasia an. Diese leidet unter Wüstenbildung, Bodenaustrocknung und Streit um Gewässergrenzen. Der Staat Kamon tritt als Aggressor in der Region auf und verweigert ein internationales Schlichtungsverfahren. Um wichtige Staudämme in Lakuta einzunehmen, ist Kamon nach Süden in das Land eingerückt. Lakuta war auf diese Invasion nicht vorbereitet.“[4] Der Bundeswehr zufolge wird daher die NATO „zur Hilfe gerufen, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen“ [5], wobei die westlichen Truppen mit einer „hoch komplexen Bedrohungslage“ und den Methoden „hybrider Kriegsführung“ konfrontiert sind: „Das Szenario sieht eine Pattsituation im Osten von Cerasia vor und damit einhergehend zahllose Probleme wie die wachsende Instabilität in der Region, Verletzungen der territorialen Integrität und eine Verschlechterung der humanitären Lage. Außerdem bedrohen feindliche Schiffe und Flugzeuge die Freiheit der Schifffahrt und bergen die ständige Gefahr einer Eskalation des Konflikts im Roten Meer.“ Die NATO-Einheiten müssten daher nicht nur gegen reguläre Truppen und Guerillaeinheiten kämpfen, sondern auch „mangelnder Ernährungssicherheit“, „Massenvertreibungen“, „Cyberattacken“, „chemischer Kriegsführung“ und „Informationskriegen“ begegnen, heißt es.[6] Wie das westliche Militärbündnis erklärt, sollen auf diese Weise die „Lehren“ aus Gewaltoperationen wie in Afghanistan und aus „aktuellen Konflikten“ wie in der Ukraine gezogen werden (german-foreign-policy.com berichtete [7]).
Vernetzter Ansatz
Um die besagten „hybriden Bedrohungen“ zu kontern, ist laut Bundeswehr allerdings der „Einsatz rein militärischer Mittel nicht erfolgversprechend“. Schon auf der vom „Multinationalen Kommando Operative Führung“ in Ulm organisierten zentralen Planungskonferenz für TRJE 15 wurde daher die „Zusammenführung ziviler, humanitärer, juristischer, verwaltungstechnischer, politischer und wirtschaftlicher Konfliktlösungsansätze“ gefordert.[8] Dieser sogenannte vernetzte Ansatz („comprehensive approach“) ist mittlerweile integraler Bestandteil der NATO-Militärdoktrin. Entsprechend werden an TRJE 15 sowohl Staatenbünde wie EU und Afrikanische Union (AU) als auch Hilfsdienste wie das Rote Kreuz beteiligt sein. Involviert sind zudem Rüstungskonzerne aus insgesamt fünfzehn NATO-Staaten, die sich von dem Manöver Anregungen für die Entwicklung neuer Produkte versprechen. Wie diese aussehen könnten, erklären die deutschen Streitkräfte unter Berufung auf das „Joint Warfare Centre“: Bei der „Bekämpfung einer komplexen hybriden Bedrohung“ sei nicht zuletzt die „Balance zwischen tödlichen und nicht-tödlichen Waffen“ ausschlaggebend.[9]
Permanenter Krieg
Grundsätzlich scheint sich die NATO mit ihrem Großmanöver „Trident Juncture“ offenbar auf einen permanenten weltweiten Kriegszustand einzustimmen. Wie einer ihrer Sprecher unlängst erklärte, besteht die größte Herausforderung für das Bündnis darin, deutlich zu machen, dass „wir niemals den letzten Krieg führen, ganz gleich, ob der letzte Krieg zehn Jahre oder zehn Minuten zurückliegt“. Der deutsche NATO-General Hans-Lothar Domröse, der „Trident Juncture“ leiten wird, ließ sich in diesem Zusammenhang mit der Aussage zitieren, dass somit einzig die „Geschwindigkeit“ der Kriegsführung zähle – „zu Wasser, zu Lande und in der Luft“.[10]
[1] Vorgestellt: Trident Juncture 2015. www.bundeswehr.de 29.07.2015.
[2] Siehe dazu Alleinstellungsmerkmal und Der deutsche Weg zur EU-Armee (IV).
[3] Interview: Trident Juncture sendet klare Signale. www.bundeswehr.de 17.08.2015.
[4] Übungsszenario: Hybrider Krieg als Herausforderung. www.bundeswehr.de 21.07.2015.
[5] Interview: Trident Juncture sendet klare Signale. www.bundeswehr.de 17.08.2015.
[6] Übungsszenario: Hybrider Krieg als Herausforderung. www.bundeswehr.de 21.07.2015.
[7] Siehe dazu Kriegsführung im 21. Jahrhundert.
[8] Konferenz in Ulm bereitet größte NATO-Übung seit Jahren vor. www.kommando.streitkraeftebasis.de 14.04.2015.
[9] Übungsszenario: Hybrider Krieg als Herausforderung. www.bundeswehr.de 21.07.2015.
[10] NATO Prepares to Throw Its Trident. natocouncil.ca 20.07.2015.
Beitrag von German Foreign Policy vom 3.September 2015
weitere Veröffentlichung auf Antikrieg.com: http://antikrieg.com/aktuell/2015_09_03_botschaft.htm